Wintertraining
Wintertraining: Überblick über Trainingsformen für Radsportler im Winter
in Training
Draußen, drinnen, Rennrad, Mountainbike, Cyclocrosser, Joggen, Skitouren, Fitnessstudio? Was, wie, wie viel, wann? Der Winter ist die Zeit der Trainingsfragen. Der verschiedenen Ansätze. Und die Zeit der kurzen Tage, der Dunkelheit, der Kälte.
Für immer mehr Radsportler ist der Winter auch die Zeit des Rollentrainers. Man trainiert zu Hause. Abends nach der Arbeit. Heimkommen, Radhose anziehen, aufs Rad setzen, treten. Ohne Autos, Ampeln, Regen, Schnee, Dunkelheit. Der große Vorteil des Rollentrainings lautet: Effizienz. Man kann, transparent und einfach steuerbar, große Trainingsreize in kurzer Zeit setzen – wenn man will. „Die Erfolge des Sommers werden im Winter gemacht“, heißt es.
Virtueller Widerstand: Sieben Rollentrainer im Test
In dieser fast schon zu oft gehörten Phrase steckt viel Wahrheit. Doch auf die Frage, wie man seine Form optimal aufbaut, gibt es keine Pauschalantwort. Nur eine individuelle. So hat Patric Grüner, der neue 48-Stunden-Höhenmeter-Weltrekordhalter, sein Wintertraining vor einiger Zeit radikal umgestellt: weniger Rollentraining, dafür viel mehr Skitouren. Im vergangenen Winter absolvierte er rund 100.000 Höhenmeter auf Skiern. Mehr zu ihm, seinem Rekord, seinem Training, lesen Sie ab der Seite 28 in diesem Magazin.
Mehr Leistung durch effizientes Training im Winter
Was dieses Beispiel zeigen soll, ist: Jeder muss den für sich optimalen Weg selbst finden. Patric Grüner lebt im Ötztal in Tirol, umgeben von Bergen – dass sich das Skitourengehen dort eher anbietet als für Sportler, die in Kiel leben, erscheint logisch.
Dennoch kann man einige Grunderkenntnisse zum Wintertraining festhalten. Die Kombination aus Rad-, Rollen- Alternativ- und Krafttraining hat sich für viele Athleten aller Leistungsniveaus als effektiv erwiesen. Gerade mit dem Rollen- und dem Krafttraining sind auch für erfahrene Athleten noch neue Trainingsreize und somit Leistungszuwächse möglich.
Ein Hauptvorteil: Ein effektives Rollentraining gelingt auch mit weniger Zeitaufwand als ein ebenso beanspruchendes Training auf der Straße – und ist meist effizienter. Dies liegt daran, dass man auf der Rolle ständig treten muss. „Junk Miles“ oder „Trash Miles“, also „leere Kilometer“ ohne Trainingseffekt, kann man vermeiden: jene Trainingszeiten, in denen man rollt oder nur mit minimaler Leistung pedaliert. Diese Trash Miles können, je nach dem Trainingsinhalt, beim Straßentraining zwischen fünf und 25 Prozent der Trainingszeit einnehmen.
Effizient: Intervalle
Das Problem, das bisher viele vom regelmäßigen Training auf der Rolle abschreckt – die Monotonie –, kann durch Musik, Bücher, Filme oder Software wie Zwift gelöst werden. Damit trainiert man zu Hause – in einer virtuellen Welt. Man tritt kraftvoller – und die Figur auf dem Bildschirm vor einem fährt schneller. Die Anstrengung ist real: das Treten, das Schwitzen, das Aus-dem-Sattel-Gehen. Doch man bewegt sich nicht vom Fleck.
Ob auf dem Rennrad, dem Cyclocrosser, dem Mountainbike oder dem Hometrainer – eine Frage, die sich wohl jeder Hobbysportler stellt, lautet: Grundlagen- oder Intervalltraining? Oder beides? Und wenn ja, wie kombiniert man es? Das einst fast allgemeingültige Trainingsprinzip des „je länger und ruhiger, desto besser“ ist längst Geschichte. Für fast alle Athleten ist ein polarisiertes Training sinnvoll. Ein gezielter, regelmäßiger Belastungswechsel, eine Kombination aus kurzen, harten Intervallen und längeren, sehr ruhigen Einheiten im Grundlagenbereich.
Studie
Eine interessante Studie zu einer effizienten Intervall-Einheit, die Athleten aller Leistungsstufen weiterbringen kann, wurde von Forschern der Universität Kopenhagen durchgeführt. Sie wollten ein einfaches Trainingsprinzip für möglichst alle Sportler finden – und kamen nach einigen Versuchen auf ein „10-20-30-Training“.
Der Ablauf: Auf 30 Sekunden im Grundlagenbereich folgen 20 im aerob-anaeroben Übergangsbereich und zehn als All-out-Sprint mit 100 Prozent Intensität. Der Vorteil dieses Ablaufs: Da die sehr intensive und somit schmerzhafte Belastung „nur“ zehn Sekunden kurz ist, ist sie auch für Nicht-Leistungssportler mental einfacher zu bewältigen als andere Intervall-Formen. Zudem ist der Ablauf der Einheit so simpel, dass sie jederzeit auch ohne Hilfsmittel – wer die Sekunden im Kopf zählt, braucht nicht einmal eine Stoppuhr – durchführbar ist.
Die Effekte dieser Trainingsform untersuchten die Wissenschaftler im Rahmen einer Studie: Die Probanden waren 132 Freizeitläufer, die wöchentlich zwei ihrer „normalen“ Trainingseinheiten gegen 10-20-30-Sessions tauschten. Dabei wurden je fünf solcher Ein-Minuten-Einheiten absolviert. Dazu kam eine Kontrollgruppe aus 28 Hobbyathleten.
Die Ergebnisse: Nach acht Wochen liefen die Probanden den Fünf-Kilometer-Lauf um durchschnittlich 38 Sekunden schneller als zuvor. Zudem wiesen fast alle signifikant niedrigere Blutdruckwerte auf. Bei den normal trainierenden Sportlern der Kontrollgruppe zeigten sich keine Unterschiede.
Wenig Zeit, großer Ertrag
Die Effekte dieses sogenannten High-Intensity-Intervall-Trainings (HIIT) sind inzwischen vielfach belegt. Sie sind jenen des traditionellen Grundlagenausdauer-Trainings oft sehr ähnlich. Etwa auf der zellulären Ebene – in Form einer vermehrten Bildung von Mitochondrien, der „Kraftwerke“ der Zellen.
So zeigte etwa eine Studie von Burgomaster und Kollegen, dass Anpassungen auf der Zellebene, in diesem Fall die Aktivität oxidativer Enzyme, nach einem sechswöchigen HIIT-Programm signifikant deutlicher waren als nach einem Ausdauer-Trainingsprogramm. Das HIIT-Training bestand aus vier bis sechs 30-Sekunden-Maximalsprints auf dem Rollentrainer, mit je 4,5 Minuten aktiver Pause, an drei Tagen pro Woche. Das Ausdauer-Training bestand aus je 40 bis 60 Minuten bei rund 65 Prozent des maximalen Sauerstoff-Aufnahmelevels, an fünf Tagen pro Woche.
HIIT für Radsportler
Daussin und seine Kollegen ließen in ihrer Untersuchung ihre Probanden, trainierte Männer und Frauen, je ein achtwöchiges HIIT- und ein ebenso langes Grundlagen-Programm absolvieren.
Das Ergebnis: Die durchschnittliche Zunahme der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) war nach dem HIIT deutlich größer als nach dem aeroben Trainingsprogramm – 15 gegenüber neun Prozent.
Für Radsportler bieten sich alle Formen des HIIT an: längere intensive Belastungen wie etwa „VO2max-Intervalle“, deren Dauer zwischen einer und vier Minuten liegt. Kürzere Einheiten bei rund 120 Prozent der VO2max – der maximalen Sauerstoffaufnahme – für je zehn bis 60 Sekunden. Oder noch kürzere Sprint-Intervalle mit All-out-Belastungen für je fünf bis 30 Sekunden.
In mehreren US-amerikanischen Studien absolvierten gut trainierte Radsportler zweimal wöchentlich VO2max-Intervalle – je drei bis sechs, mit je einer bis zwei Minuten aktiver Pause dazwischen. Das Ganze über Zeiträume zwischen drei und sechs Wochen. Danach hatten sich sowohl ihre Leistungswerte als auch ihre maximale Sauerstoffaufnahme signifikant verbessert. Die Ausdauerleistungsfähigkeit erhöhte sich um zwei bis vier Prozent.
Ebenfalls interessant sind die Ergebnisse einer Untersuchung australischer Forscher. Ihre Erkenntnis: Hartes High-Intensity-Intervall-Training, das abends ausgeführt wurde, hatte keinen negativen Einfluss auf die Schlafdauer und Schlafqualität. Dies spiegelt den Alltag der meisten Hobbysportler wider. Denn gerade das Rollentraining wird oft abends, nach dem Arbeitstag absolviert – dann, wenn es draußen längst dunkel ist.
Der Faktor Kraft beim Training im Winter
Kraft und Ausdauer widersprechen sich, sie korrelieren negativ – sollte man meinen. Doch dem ist nicht so. Denn „Krafttraining“ ist sehr viel mehr als das „Aufpumpen“ von Fitnessstudio-Muskeln. Im Hochleistungs- und Profisport gehören Krafteinheiten in fast allen Ausdauerdisziplinen zum Alltag – zum einen in Form von Ergänzungs- und Stabilisationsübungen, zum anderen in jener von Kraftausdauer- und Maximalkrafttraining. Inzwischen haben viele Studien gezeigt, dass auch Phasen intensiven Krafttrainings die Ausdauerleistung nicht negativ beeinflussen müssen.
So etwa eine aktuelle Studie norwegischer Forscher: Die Probanden, gut trainierte Radsportler, zeigten nach einem elfwöchigen zusätzlichen Kraftprogramm – je dreimal vier bis zehn Wiederholungen pro Übung – keine Veränderung in ihrer maximalen Leistung, die anhand von 40-minütigen „All-out-Tests“ verglichen wurde. Zweimal pro Woche ging es für je 30 bis 40 Minuten in den Kraftraum – absolviert wurden unter anderem Übungen an der Beinpresse und freie Kniebeugen. Die Probanden verbesserten ihre maximale Sauerstoffaufnahme, steigerten die Muskelmasse – und nahmen dennoch nicht signifikant an Gewicht zu. Die Ökonomie der „Muskelarbeit“ hatte sich verbessert – unter anderem deshalb, weil Muskelfasern des schnell feuernden Typs II-X in den deutlich ausdauernderen Muskelfasertyp II-A umgewandelt wurden.
Klare Leistungsverbesserungen durch Krafttraining
Dieselbe Forschergruppe ließ weiterhin eine Gruppe von Top-Radsportlerinnen zusätzlich ein ebenfalls elfwöchiges Krafttrainings-Programm durchführen. Ergebnis: Die Durchschnitts-Watt-Leistung, die maximale Sauerstoffaufnahme sowie die Effizienz während eines 40-Minuten-Zeitfahrens verbesserten sich signifikant.
Rønnestad und seine Kollegen stellten zudem in einer weiteren Untersuchung mit Duathleten auch bei diesen Probanden klare Leistungsverbesserungen fest. Interessant war hierbei auch die Art des Leistungstests, der vor und nach der Trainings-Intervention durchgeführt wurde.
Auf drei Stunden Radfahren im submaximalen Bereich beziehungsweise anderthalb Stunden Lauftraining im Grundlagenbereich folgte ein fünfminütiges All-Out-Intervall. Die Durchschnittsleistung in Watt erhöhte sich durch das Kraft-Ausdauer-Kombinationstraining um sieben Prozent. Die Studie ist demnach gerade für Radrennfahrer sehr interessant, da diese Abfolge deren Wettkampf-Belastungsprofil ähnelt.
Alternativsport im Winter
Potenziell könnte sich das Maximalkrafttraining negativ auf einzelne „Ausdauer-Leistungsfaktoren“ auswirken. Hier etwa vor allem auf die Kapillarisierung, die Neubildung kleiner Blutgefäße. Doch in einer validen Studie von Aagard und Kollegen aus dem Jahr 2011 an Elite-Ausdauerathleten wurden nach einem 16-wöchigen Maximalkraft-Trainingsblock keine negativen Effekte auf die Kapillarisierung festgestellt. In mehreren weiteren Studien wurde gezeigt, dass auch die Enzym-Aktivität nicht negativ beeinträchtigt wird.
Wer seine Maximalkraft steigern will, ohne sein Körpergewicht zu erhöhen, für den ist das sogenannte IK-Training ideal. Es verbessert vor allem die „intramuskuläre Koordination“, etwa indem mehr Muskelfasern aktiviert werden. Es definiert sich durch sehr wenige, in der Regel nur eine bis maximal drei Wiederholungen bei einer maximalen Ausbelastung.
Technik beim IK-Training
Die Grundvoraussetzung für diese Trainingsmethode: das fehlerfreie Beherrschen der Technik. Für Einsteiger sollte das IK-Training zunächst tabu sein, denn die Verletzungsgefahr bei unsauber ausgeführten Bewegungen ist sehr hoch. Zudem sollten solche Übungen immer erst im aufgewärmten sowie im ausgeruhten Zustand angegangen werden. Dies gilt auch und besonders für die „Königsübung“ für Radfahrer: die freie Kniebeuge.
Auch für Alternativsportarten spricht viel – nicht nur die Abwechslung und der Spaß. Gerade das Laufen besticht durch seine Effizienz: Es ist intensiver als Radfahren, mehr Muskelgruppen werden beansprucht und man verbrennt in weniger Zeit mehr Kalorien. So verbraucht ein 70 Kilogramm schwerer Athlet bei einer mittelschnellen Dauerlaufbelastung über 60 Minuten rund 700 Kalorien. In einer Stunde auf dem Rad käme man bei einer ähnlichen Intensität nur auf rund 600 „verbrannte“ Kalorien.
Was bedeutet der Begriff Kraftausdauer?
Der Begriff „Kraftausdauer“ ist weit gefasst. Das Training kann etwa im Fitnessstudio stattfinden – mit vielen Wiederholungen bei jeder Übung, mit entsprechenden geringeren Gewichten. Oder auch auf dem Rad? Denn dabei geht es beim traditionellen „K3-Training“, das teils auch als „KMR“ bekannt ist: Kraft mit Rad. In der Sportwissenschaft ist der Effekt des lange unter fast allen Amateur- und Profifahrern als Standard-Trainingsmethode geltenden K3 jedoch seit Jahren umstritten.
K3 bedeutet: sehr niedrige Trittfrequenzen von rund 40 bis 60 Umdrehungen pro Minute an einem möglichst langen, gleichmäßigen Berg oder auf dem Rollentrainer zu fahren. Zum Beispiel: vier- bis achtmal 15 bis 20 Minuten, mit je 15 Minuten aktiver Pause dazwischen. Jedoch gilt: Damit trainiert man nicht die Kraft, sondern die Ausdauer. Der Krafteinsatz reicht bei Weitem nicht aus, um physiologische Anpassungen im Sinne eines Krafttrainings zu provozieren. Etliche Untersuchungen konnten zeigen, dass erst ab 60 oder eher 70 Prozent des individuellen Kraftmaximums eine physiologische Anpassung der Muskulatur zugunsten eines Kraftgewinns festgestellt werden kann.
Ergo gilt: Von Krafttraining kann beim klassischen K3-Training nicht die Rede sein. Dennoch muss diese Trainingsmethode nicht sinnlos sein – sehr viele Lizenzfahrer setzen sie noch gezielt, vor allem im Frühjahr ein: Als erste längere, etwas intensivere Intervalle, deren Intensitätsniveau sich der anaeroben Schwelle annähert.
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