Koppel-Training
Triathlon-Training: Warum Koppel-Training der drei Disziplinen Sinn ergibt
in Training
28. Juni 2020: Heute wäre der längste Tag meines Jahres, vermutlich meines Lebens gewesen. Heute hätte der Ironman Frankfurt stattgefunden. Monatelang habe ich mich auf mein Saisonziel vorbereitet, mit stundenlangen Wintereinheiten auf der Rolle, verzweifelten Schwimmversuchen im Hallenbad und schmerzenverursachenden Steigerungsläufen. Obwohl Triathlon eine Einzelsportart ist, war ein treuer Gegner regelmäßig mit dabei: mein innerer Schweinehund. Die Motivation kam und ging, die Form war mal da, einigermaßen, und dann wieder weg. Und heute ist es soweit: Der Tag der Tage ist da. Der Tag, um den sich seit knapp einem Jahr mein kompletter Alltag dreht.
Doch am Ende kommt alles anders, als ich es mir vorgestellt habe. Der Grund für die Planänderung heißt natürlich: Corona. Schon vor Monaten hat der Veranstalter bekanntgegeben, dass der Ironman nicht am normalen Datum stattfinden wird. Und dann kam schließlich jene eine Mail, die Gewissheit brachte: Für den Ironman Frankfurt gibt es im Jahr 2020 keinen Ausweichtermin. Auch nicht im Herbst – wie etwa beim Ironman Hamburg.
Der Effekt in meinem Hirn: Ziel weg, Motivation weg und das bei bestem Frühsommer-Wetter. Statt auf der Ironman-Strecke zu schwitzen, schwitze ich jetzt in Flipflops und Shorts am Badesee. Inklusive Eis in der Hand. Und um ehrlich zu sein, bin ich sehr froh darüber, dass ich mich heute nicht schinden muss. Vorerst.
Trainingslager für den Triathlon
Rückblick: Februar 2020. Zu jener Zeit, in der das Corona-Virus in Deutschland noch keine prägende Rolle spielte, ging es für mich in mein erstes Trainingslager der Saison. Das Ziel: Lanzarote. Es hat sich angefühlt wie damals, als ich noch als Amateur-Radsportler jedes Frühjahr für den Formschliff in warme Gefilde geflüchtet bin. Auf Wiedersehen Winter, hallo Sonnenschein.
Bei optimalen Temperaturen und Trainingsbedingungen ging es nur um drei Dinge: Essen, Trainieren, Schlafen. Und bis auf letzteres alles drei Mal täglich. Auf Lanzarote hatte ich das erste Mal genügend Zeit, um die verschiedenen Triathlon-Sportarten im Training miteinander zu verknüpfen, die Übergänge zwischen den drei Disziplinen zu trainieren.
Das Hotel in Puerto Calero war dafür perfekt: 40 Meter Meerwasser-Pool, Laufstrecke an der Küste und ein gutes Streckennetz zum Radfahren direkt vor der Tür. Zwei oder sogar drei Sportarten an einem Tag zu machen, war für mich eine neue und ungewohnte Situation – bin ich doch jahrelang einfach nur radgefahren.
Reicht das Training von einer der drei Triathlon-Disziplinen?
Und jetzt hieß es auf einmal: nach den Radschuhen in die Laufschuhe oder ab in den Pool. Oder andersherum. Schwimmen, Radfahren, Laufen – alle drei Triathlon-Disziplinen sind Ausdauersportarten, mit allen drei trainiert man das Herz-Kreislaufsystem und ähnliche Muskelgruppen. Lange habe ich mir die Frage gestellt, warum es da nicht reicht, jeden Tag eine der drei Sportarten zu trainieren. Und am Ende, am Tag des Wettkampfes, das Trainierte miteinander zu verbinden.
Die Antwort auf meine Frage habe ich am ersten Trainingstag meines Trainingslagers erhalten. In aller Deutlichkeit. Zweieinhalb Stunden lockeres Einrollen auf dem Rad und dann noch ein Fünf-Kilometer-Lauf – diese Kombination habe ich mir für das erste Koppeltraining meines Lebens vorgenommen. Nach all den Trainingsstunden im Winter sollte das gut möglich sein, so dachte ich zumindest. Obwohl ich nach dem Flug noch etwas verspannt war, ging es mir nach dem Radfahren gut. Also: Raus aus den Rad-, rein in die Laufsachen. Runter von 30, 33, 35 auf zehn km/h Durchschnittsgeschwindigkeit.
Es folgte der Moment, in dem mir klar wurde: „Ludwig, bis du für den Ironman Frankfurt bereit bist, gibt es noch extrem viel zu tun.“ Auf den ersten Metern haben sich meine Beine angefühlt wie feinster Vanillepudding. Alles, was lief, war mein Stoppuhr. Ansonsten haben mich meine Bewegungen eher an einen „Geher“ erinnert, der kurz vor den ersten Krampfattacken ist. Dass mir der Wechsel von der einen zu anderen Sportart so schwerfallen würde, hätte ich nie gedacht.
Multisportler
Beim Laufen und beim Radfahren werden teilweise die gleichen Muskelgruppen trainiert. Das isolierte Einzeltraining der einen Sportart „bringt“ demnach auch etwas für die andere. Allerdings muss man seinen Körper auch auf den Wechsel zwischen den Disziplinen vorbereiten – vor allem dann, wenn er noch dazu mit bereits angezapften Energiespeichern zurechtkommen muss.
Bei einem Triathlon kommt zudem hinzu, dass der Bewegungsapparat den Wechsel des Bewegungsmusters ohne Pause bewerkstelligen muss. Schließlich erfolgt die Umstellung der Koordinationsansprüche zwischen Nerven und Muskeln fließend. Im Trainingslager immerhin noch mit einem kurzen Stopp zum Klamottenwechsel, später in der Event-Wettkampf-Wechselzone dann unter enormem Zeitdruck.
Seit meiner ersten Doppel-Einheit ist mir klar, wie wichtig Koppeltraining im Triathlon ist. Nur so kann man sicherstellen, dass man bei den Übergängen zwischen den Sportarten keine Schwierigkeiten bekommt und sich der Körper schnellstmöglich auf die neue Belastung und die neue, veränderte Körperhaltung einstellen kann.
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Neues Training & neue Ziele
Oft wird einem dazu geraten, sechs bis acht Wochen vor dem Wettkampf mit dem gezielten Koppeltraining zu beginnen. Ich würde sagen: je früher, desto besser. Nur so kann man sich selbst genügend Zeit geben, um sich langsam auf die ungewohnten Reize einzustellen. Nur so ist es möglich, sich mit geringen Umfängen an die Anforderungen heranzutasten.
Aufgrund meiner neuen Erfahrung habe ich mein Trainingsprogramm angepasst: die Umfänge der Einzeldisziplinen verringert und mehr Wert auf deren Koppelung gelegt. Bis zu dem Tag im April, an dem sich alles verändert. Zuerst hieß es, dass der Ironman Frankfurt verschoben wird. Dann kam die finale Absage für dieses Jahr.
Mit dem Verschwinden meines Saisonziels verschwand auch zum Großteil mein Antrieb für das tägliche Training vor, nach, teilweise während der Arbeit. Zu groß war der Aufwand für ein Ziel, dass nicht mehr präsent war. Dementsprechend verlief das Training seither eher auf Sparflamme. Es ging mehr darum, die Form zu verwalten als auszubauen.
Am 28.6.2020 wäre ich also definitiv nicht in der Lage gewesen, bei meinem Saisonziel, dem Ironman Frankfurt, zu bestehen. Aber was noch nicht ist, kann noch werden. Vielleicht im Jahr 2021.