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Trainingssteuerung: Tipps für ein effizientes Training

Stärken & Schwächen

Trainingssteuerung: Tipps für ein effizientes Training

Effizienter trainieren: Wie findet man seine Stärken und seine Schwächen? Wie arbeitet man an ihnen? Wie steuert man sein Training optimal? Antworten & Einblicke.
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Warum sind einige Rennradfahrer so viel schneller als der Rest? Warum sind einige, bei ähnlichen Trainingsumfängen, so viel ausdauernder? Ist es Talent? Training? Wille? Was sind die Ursachen der riesigen Leistungsunterschiede auf dem Rennrad? Es gibt vor allem zwei Gründe: die VLamax und die VO2max – die maximale Laktatbildungsrate und die maximale Sauerstoffaufnahme. Diese beiden Faktoren erklären 97 Prozent der physiologischen Leistungsunterschiede.

Die Laktatbildungsrate wird in Millimol pro Liter pro Sekunde gemessen. Die VLamax wird in der Regel mittels eines Testverfahrens im Rahmen einer Leistungsdiagnostik gemessen. Die Werte liegen auf einer Range zwischen 0,2 und 1,0. Für reine Langstrecken-Ausdauerathleten sollte die Laktatbildungsrate möglichst niedrig sein – denn dann werden weniger Energie- beziehungsweise Kohlenhydrat-Reserven verbraucht. Radrennfahrer, die etwa auch bei „kürzeren“ Wettkämpfen starten, können dagegen auch von einer höheren VLamax profitieren.

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„Für 97 Prozent der Leistungsunterschiede ist die Kombination von VO2max und VLamax verantwortlich.“

Laktat und Ausdauer

Für die VO2max gilt: Je höher diese ist – gemessen in Milliliter Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht pro Minute – desto besser. Denn desto mehr sauerstoffreiches Blut erreicht die Muskelzellen und wird von diesen verwertet. Die maximale Sauerstoffaufnahme ist eher schlecht trainierbar. Dabei geht es um genetisches Glück. Denn: Zu rund 80 Prozent ist dieser Wert durch die eigenen Gene determiniert.

Doch: Sie ist nicht der wichtigste Leistungsfaktor. Nur rund 20 Prozent der Leistungsunterschiede zwischen Amateuren und Profis können durch die VO2max erklärt werden. Stattdessen eher durch einen Faktor, der besser durch das gezielte Training beeinflusst werden kann: die VLamax. 75 Prozent der Leistungsunterschiede können auf diese zurückgeführt werden.

Grundsätzliche Fragen beim Training

Die Erkenntnisse um die VO2max und die VLamax tragen dazu bei, Antworten auf einige grundsätzliche Fragen des Trainings zu finden. Zum Beispiel: Warum gibt es so viele verschiedene Trainingsformen? Warum führen bei dem einen Menschen manche Strategien zum Ziel und bei dem anderen nicht? Warum kann es nicht „den einen“ Trainingsplan für alle geben?

Dafür gibt es viele Gründe – etwa die individuellen Voraussetzungen, die Trainingserfahrung, Parameter wie das Herzkreislaufsystem, die Muskelfaserausprägung und der Energiestoffwechsel. Je länger ein Training beziehungsweise ein Radrennen ist, desto entscheidender ist es, wie der Körper mit den Energiereserven umgeht – und wie er die, etwa in Form von Riegeln oder Gels, zugeführte Energie umsetzt.

Stoffwechsel

Ein einfaches Beispiel: Der Fahrer X hat einen sehr effizienten Kohlenhydratstoffwechsel und kann somit extrem hohe Wattzahlen leisten. Aber: nur für einen kurzen Zeitraum. Ein solcher Fahrertyp hat einen Stoffwechsel, der sehr effizient Zucker in Energie umsetzen kann. Ein zweiter Fahrer Y hat demgegenüber einen wenig effektiven Kohlenhydratstoffwechsel. Er wird bei jedem Ortsschildsprint „stehen gelassen“ und kann nur signifikant geringere Wattzahlen leisten als Sportler X. Doch auf langen Strecken ist er diesem überlegen – da sein Organismus gut mit seinen Zuckerreserven haushaltet und sein Fettstoffwechsel stärker ausgeprägt ist.

Fakt ist: Diese beiden Fahrertypen sollte man als Trainer auf keinen Fall gleich trainieren lassen – sondern ihren Fähigkeiten und Zielen entsprechend möglicherweise komplett gegenteilig.

Was sind meine Stärken? Was sind meine Schwächen?

Auch deshalb lauten einige der wichtigsten Trainingsfragen: Was sind meine Stärken? Was sind meine Schwächen? Welcher Fahrertyp bin ich? Rennrad-Einsteiger und Fahrer, die meist im Wohlfühltempo unterwegs sind, liegen in der Regel mit ihrer VLamax nicht in einem gehobenen Bereich. Die Stärken solcher Fahrer sind meist eher in der Ausdauer zu finden. Fahrer, die etwa regelmäßig an Rennen teilnehmen oder öfter Fahrtspiele und Ortsschildsprints absolvieren, haben im Vergleich dazu mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine höhere VLamax. Dies kann jedoch auch auf jene Fahrer zutreffen, die häufig „am Anschlag“ fahren – und das vielleicht sogar aufgrund des Trainingsumfangs lange durchhalten – es aber kaum schaffen, die Leistung erfolgreich ins Ziel zu bringen. Dies macht die individuelle Physiologie hinter jedem Radsportler so interessant.

Eine FTP ist das, was es ist: eine funktionelle Schwelle. Das heißt: Man kann diese Leistung relativ lange, 45 Minuten bis knapp über eine Stunde, aufrechterhalten – und man kann ein gut strukturiertes Training damit steuern.

Welches energetische System dazu welchen Beitrag liefert, kann jedoch nur vermutet werden. Warum hat der Fahrer X eine Schwelle von 300 Watt, während der Fahrer Y über eine von 400 Watt verfügt? Fakt ist: Für 97 Prozent des Leistungsunterschieds ist die Kombination von VO2max und VLamax verantwortlich.

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Mehr Energie beim Training

Ein Beispiel: Eine Schwellenleistung von 300 Watt kann zu 80 Prozent, also bis 240 Watt, aus dem aeroben Stoffwechsel, zu 13 Prozent, was 39 Watt entspricht, aus dem glykolytischen Stoffwechsel und zu sieben Prozent aus dem anaerob alaktaziden Stoffwechsel, ergo 21 Watt, geleistet werden.

Genauso kann es aber sein, dass 87 Prozent (261 Watt), sieben (21 Watt) und sechs Prozent (18 Watt) aus den jeweiligen Stoffwechselprozessen geleistet werden. Vielleicht hat man nach einer Trainingsperiode sogar seinen Stoffwechsel dementsprechend „umprogrammiert“. Man leistet dann zwar wieder 300 Watt und glaubt, dass sich nichts verändert habe – doch die Veränderungen des Energiestoffwechsels sind enorm.

Woher weiß ich, welcher Fahrertyp ich bin?

Weiß man darüber Bescheid und steuert das Training entsprechend, kann man das Beste aus beiden Welten miteinander verbinden – und, in diesem Beispiel, seine Schwelle auf 261 plus 39 plus 21, ergo auf 312 Watt anheben. Man erkennt also schon, dass das Wissen um den Stoffwechsel der Schlüssel zur Leistungsentwicklung ist. Vor allem unter dem Aspekt, dass der Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel höchst individuelle Größen darstellen.

Aber wie weiß man nun konkret, welcher Fahrertyp man ist? Seit wenigen Jahren gibt es für die breite Masse die Möglichkeit, dies mittels einer Diagnostik feststellen zu lassen. Das Wissen darum existiert schon seit den 1990er-Jahren. Anfang der 2000er wurde es dann systematisiert und dem Profi-Radsport zugänglich gemacht, bevor der Entwickler, Sebastian Weber, dies über die Diagnostikzentren Staps kommerzialisierte und später mit seinem Unternehmen Inscyd für Profi- und Hobbyfahrer weiterentwickelte.

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Was sind meine Stärken? Was sind meine Schwächen? Welcher Fahrertyp bin ich?

Analyse und Watt-Werte

Die Inscyd-Diagnostik schlüsselt den Stoffwechsel erstmalig so weit auf, dass die drei wichtigsten Parameter VLamax, VO2max und die anaerobe Schwelle, abhängig von der Compliance des Fahrers, mit einer extrem hohen Genauigkeit getestet und erstmals auch zueinander in Beziehung gesetzt und crossvalidiert werden können. Somit ergibt sich ein Gesamtbild des Stoffwechsels – man weiß demnach, aus welchen energetischen Anteilen sich etwa 250, 300 oder 350 Watt Leistung zusammensetzen.

Das eröffnet die Möglichkeit, das Training, den Zielen entsprechend, genau zu steuern und den Wettkampf energetisch zu pacen. Die Einteilung der Leistungsreserven wird somit einfacher, ebenso wie die Planung der Energiezufuhr.

Das optimale Tempo fürs Training

Das Ziel dieser Analyse ist es, das Ratespiel von Trial and Error in Prozent der FTP durchschaubarer zu machen. Denn sobald ein Athlet weiß, wie sich diese Leistung zusammensetzt – aus welchen aeroben und anaeroben Anteilen – muss man nicht mehr underpacen und kann nicht mehr überpacen. Man findet somit leichter das für sich selbst optimale Tempo. Dieser Algorithmus wurde in tausenden Tests erprobt, verbessert und mittlerweile mit dem Power-Performance-Decoder-Tool auch als Do-it-yourself-Diagnostik etabliert.

Das ursprüngliche Ziel war es, den auf der ganzen Welt verstreuten Radprofis die Möglichkeit zu geben, die Leistungen regelmäßig zu kontrollieren. Dass nun jeder selbst zu Hause auf dem Smarttrainer oder auf seiner eigenen Teststrecke Zugang zu dieser Diagnostik haben kann, ist ein Nebeneffekt. Die zu leistenden Watt-Werte können mittels frei zugänglicher Online-Tools in eine Zielzeit umgerechnet werden. Sie können natürlich stark abhängig von der Aerodynamik beziehungsweise von Windschatteneffekten sein.


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Training nach Plan: Der Experte

Markus Kinzlbauer ist Sportwissenschaftler und Trainer. Er trainiert unter anderem Weltmeister, Weltcupsieger, Paralympics-Gewinner und den erfolgreichsten Ultracycling-Athleten der Welt, den sechsmaligen Race-Across-America-Sieger Christoph Strasser. Er bietet Leistungsdiagnostiken und Coaching-Pakete an. www.mk-training.org

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