Schneller bergauf
Schneller bergauf: Trainingstipps für Höhenmeter und Pässe
in Training
4800 Höhenmeter, verteilt auf 258 Kilometer – das sind die Daten der längsten Strecke des Rhön-Radmarathons. Das Event im hessischen Bimbach stellt für viele Radsportler in Deutschland traditionell den Auftakt in die Radmarathonsaison dar. Rund 5000 Teilnehmer sind hier jedes Jahr dabei. Seit 1981 findet die Veranstaltung immer über das Pfingstwochenende statt, in diesem Jahr am 18. und 19. Mai. Über zwei Tage stehen den Teilnehmern insgesamt sieben Strecken zur Auswahl, von denen die kürzeste 52 und die längste 258 Kilometer beinhaltet. Eine Zeitnahme gibt es bei keiner der angebotenen Distanzen.
Zu den weiteren frühen und beliebten Radmarathons gehören unter anderem der Imster Radmarathon am 12. Mai, der Nove Colli in der Emilia-Romagna und der Granfondo Vosges. Beide Events finden in diesem Jahr je am 19. Mai statt.
Radmarathons und Anstiege
Die Gemeinsamkeit dieser Veranstaltungen: Sie beinhalten viele Höhenmeter. Die Strecke des Imster Radmarathons enthält zudem mit dem Silzer Sattel einen sehr fordernden und langen Alpenpass. Dessen Daten, von Haiming im Oberinntal aus: 9,65 Kilometer, 1009 Höhenmeter. Die durchschnittliche Steigung: 10,5 Prozent.
Noch längere Anstiege und insgesamt deutlich mehr Höhenmeter müssen dann im Hoch- und Spätsommer bei Radmarathons wie dem Dreiländergiro, der Tour des Stations oder dem Ötztaler bezwungen werden.
Alpenpässe wie das Stilfser Joch, der Jaufenpass oder das Timmelsjoch erfordern eine permanente Leistungsabgabe. Abschnitte, in denen man nicht treten muss und sich erholen kann, gibt es in der Regel nicht. Vor allem für Fahrer, die in flacheren Regionen leben und dadurch oft zwangsläufig keine längeren Anstiege gewohnt sind, können diese kontinuierlichen Dauerleistungen recht schwierig sein.
Eine weitere Herausforderung an langen Anstiegen ist für Viele das Finden einer angemessenen Trittfrequenz. Häufig verlangsamt sich die Trittfrequenz mit zunehmender Länge eines Anstiegs sukzessive. Im schlimmsten Fall kann dies irgendwann zu Krämpfen führen. Daher sollte man auch bergauf dazu in der Lage sein, dauerhaft noch eine recht hohe Trittfrequenz aufrecht erhalten zu können.
Schneller bergauf: Vorbereitung und Tipps
Eine an die eigenen Fähigkeiten bergauf angepasste Übersetzung kann hierbei eine große Erleichterung sein. Generell kann man sich inzwischen recht gut auf die großen Radmarathons im Sommer vorbereiten – auch dann, wenn man im Flachland lebt.
Lange Anstiege, die keine Tretpausen ermöglichen, können beispielsweise auf einem Smarttrainer simuliert werden. Plattformen wie Rouvy bieten sogar die Möglichkeit, Alpenpässe wie das Stilfser Joch oder den Grimselpass virtuell zu befahren. So kann man gleich ein Gefühl dafür bekommen, wie lang diese Pässe sind und wie viel Zeit man für sie benötigt.
Idealerweise absolviert man in der Vorbereitung auf einen Radmarathon zudem viele längere Intervalle im Wettkampftempo, also knapp unterhalb der eigenen individuellen Schwellenleistung im sogenannten „Sweet-Spot“-Bereich. Dabei wird die Laktatbildungsrate, VLamax, gesenkt, sodass der Körper auch bei hohen Belastungen länger im Fettstoffwechsel bleibt, langsamer Laktat bildet und die Kohlenhydratspeicher schont.
Die Laktatbildungsrate ist einer der wichtigsten Leistungsfaktoren überhaupt. Rund 75 Prozent der Leistungsunterschiede zwischen Profis und Amateuren können hierauf zurückgeführt werden. Am effektivsten gesenkt werden kann die Laktatbildungsrate durch lange Sweetspot-Intervalle von acht bis 30 Minuten Dauer in Kombination mit einer reduzierten Kohlenhydratversorgung von etwa 30 bis 40 Gramm pro Stunde und einer niedrigen Trittfrequenz von rund 50 bis 60 Umdrehungen pro Minute.
Gerade wer im Winter und im Frühjahr mit kurzen und hochintensiven Belastungen seine maximale Sauerstoffaufnahme, VO2max, steigern konnte, kann durch eine gezielte Reduzierung der VLamax bis zu den Radmarathons im Sommer die eigene Schwellenleistung zudem oft noch einmal deutlich erhöhen.
Verpflegung
Während eines Radmarathons ist es dann extrem wichtig, sich auch bergauf immer gut zu verpflegen und ausreichend Kohlenhydrate zu sich zu nehmen. 90 Gramm pro Stunde können hier ein guter Richtwert sein.
Erfahrungsgemäß können jedoch nur die wenigsten Fahrer bergauf feste Nahrung zu sich nehmen. Deutlich empfehlenswerter sind daher Kohlenhydrate in flüssiger Form, die nicht gekaut werden müssen.
Höhentrainingslager
Sehr effektiv kann auch ein Höhentrainingslager sein. Das Prinzip dabei: Der Körper reagiert auf den Sauerstoffmangel mit einer vermehrten Produktion von roten Blutkörperchen, den Erythrozyten. Diese binden und transportieren den vorhandenen Sauerstoff. Je mehr rote Blutkörperchen vorhanden sind, desto effizienter kann dieser zu den Muskeln transportiert werden: Man wird leistungsfähiger.
Ich empfehle meinen Athleten in der Höhe zudem immer, dass sie möglichst tiefe Atemzüge machen und nicht in eine Art Schnappatmung verfallen sollen. Gerade an langen, gleichmäßigen Anstiegen kann es zudem helfen, sich einen guten Rhythmus aus Trittfrequenz und Atmung anzueignen.
Schneller bergauf: Trainingsplan
1. Woche
Mo | Ruhetag | 45 Minuten Nüchterntraining, Dehnen |
Di | Rad | 1 Stunde HIT 30/30 für 3 x 8 Minuten |
Mi | Rad | 1,5 Stunden Grundlage |
Do | Ausgleich | Stabilisation, Dehnen, Blackroll |
Fr | Rad | 1 Stunde mit 5 x 4 Minuten EB |
Sa | Rad | 2 Stunden mit 3 x 15 Minuten Sweetspot |
So | Rad | 3,5 Stunden Grundlage GA1 |
2. Woche
Mo | Ruhetag | Stabilisation, Dehnen, Blackroll |
Di | Rad | 1 Stunden mit 4 x 4 Minuten Over/Under |
Mi | Rad | 1,5 Stunden Grundlage GA1 |
Do | Ausgleich | Stabilisation, Dehnen, Blackroll |
Fr | Rad | 1 Stunde mit 5 x 4 Minuten EB |
Sa | Rad | 3 Stunden mit 3 x 15 Minuten Sweetspot |
So | Rad | 4 Stunden Grundlage GA1 |
3. Woche
Mo | Ruhetag | 45 Minuten Nüchterntraining, Dehnen |
Di | Rad | 1 Stunde HIT 40/20 für 3 x 8 Minuten |
Mi | Rad | 1 Stunde mit 20 kurzen Sprints |
Do | Ausgleich | Stabilisation, Dehnen, Blackroll |
Fr | Rad | 1 Stunde mit 6 x 4 Minuten EB |
Sa | Rad | 2 Stunden mit 2 x 20 Minuten Sweetspot |
So | Rad | 4,5 Stunden Grundlage GA1 |
4. Woche
Mo | Ruhetag | Stabilisation, Dehnen, Blackroll |
Di | Rad | 1 Stunde mit 8 x 1 Minute SB |
Mi | Ausgleich | 1 Stunde Outdoor |
Do | Ausgleich | 45 Minuten Nüchterntraining, Dehnen |
Fr | Rad | 1 Stunde mit 5 x 4 Minuten Over/Under |
Sa | Rad | 3 Stunden mit 3 x 20 Minuten Sweetspot |
So | Rad | 5 Stunden Grundlage GA1 |
Trainings-Glossar
- „Grundlage“ steht für das Training im Intensitätsbereich der Grundlagenausdauer. Es sieht eine Belastung bei 50 bis 77 Prozent der individuellen anaeroben Schwelle vor.
- GA1 und GA2 sind die beiden Grundlagen-Trainingsbereiche. Der Bereich „Sweetspot“ liegt etwa zwischen 88 und 93 Prozent der individuellen anaeroben Schwelle.
- „EB“ steht für den Entwicklungsbereich. Durch Training in diesem Intensitätsbereich soll sich vor allem die Schwellenleistung am Übergang zwischen überwiegend aerober und überwiegend anaerober Energiebereitstellung verbessern. Der Entwicklungsbereich befindet sich in einem Bereich zwischen 90 und 110 Prozent der individuellen anaeroben Schwelle.
- „SB“ bezeichnet den Spitzenbereich der Leistungsfähigkeit. Diese Intensität wird meist in kurzen, sehr fordernden High-Intensity-Trainingsintervallen, HIT, trainiert.
- „Over/Under“ bezeichnet Intervalle, bei denen sich Intensitäten über und unter der individuellen anaeroben Schwelle abwechseln.
Stefan Kirchmair gewann unter anderem die Gran-Fondo-Weltmeisterschaft, den Dreiländergiro und zweimal den Ötztaler Radmarathon. Als Radtrainer mit A-Lizenz trainiert er etliche Amateur- und Hobbyathleten. Weitere Informationen finden Sie unter: www.kirchmair-cycling.com / www.strava.com/clubs/Kirchmair-Cycling