Resistent
Ermüdungsresistenz: Wie Resistenz-Training leistungsfähiger macht
in Training
Leistung hat mit Laktat zu tun – und mit Watt. Und mit einem weiteren entscheidenden Faktor, der oft vernachlässigt wird: der Erschöpfung. Denn auch diese ist individuell – und auch sie wirkt sich direkt auf die Leistungsfähigkeit aus. Wissenschaftlich gesehen, wird die Leistungsfähigkeit vor allem über maximale Leistungen für bestimmte Zeiträume definiert, die auf einer Leistungskurve abgebildet werden können. In erster Linie erfolgen diese relevanten Spitzenleistungen in Zeitspannen zwischen fünf Sekunden im Sprint und zwanzig bis dreißig Minuten an der berühmten „Anaeroben Schwelle“.
Und diese Einteilung ist wichtig: Denn nur eine merkliche Steigerung in einem dieser Bereiche macht einen Radsportler schneller. Die entscheidende Frage dazu lautet nun: Wie oft nach welcher Belastungsdauer kann ein Athlet diese Leistungsfähigkeit überhaupt abrufen? Oder anders gesagt: Wie erschöpft ist er?
Erschöpfung wirkt sich auf Leistungsfähigkeit aus
Die Erschöpfung während einer Ausfahrt wirkt sich auf die abrufbare Leistung akut aus. Im Laufe eines harten oder langen Trainings werden die Beine schwerer, und harte Belastungen können nicht mehr auf dem gleichen Niveau umgesetzt werden. Selbst während einer moderaten Grundlageneinheit wird langsam Energie verbraucht und die Muskulatur beansprucht.
Physiologisch gesehen, kommen selbst nach einer zweistündigen Ausdauerfahrt nur wenige Athleten noch vollständig an ihre ursprüngliche Schwellenleistung heran. Denn auf Dauer ermüden auch die „langsamen“ Typ-1- beziehungsweise Ausdauermuskelfasern – und es müssen vermehrt Kohlenhydrate zur Energiebereitstellung herangezogen werden. Der Körper produziert Ermüdungsmetaboliten, die nicht sofort wieder abgebaut werden können. Das bleibt in der ersten Phase einer Fahrt meist unbemerkt, wirkt sich aber fortschreitend negativ auf die Leistungsfähigkeit aus. Als Folge dessen geht die abrufbare Leistung auf dem gesamten Intensitätsspektrum der Leistungskurve zurück. Je mehr Erschöpfung sich akkumuliert, „angesammelt“ wird, desto größer ist der Effekt.
Ermüdungsresistenz
Dem Ganzen kann man entgegenwirken – durch Training. Man kann sich wappnen und „resistenter“ gegen diese Akkumulation von Müdigkeit werden. Die Fähigkeit, diesen Leistungsrückgang zu minimieren, bezeichnet man als: Ermüdungsresistenz. Ein Beispiel: Durch die einsetzende Erschöpfung sinkt selbst die Schwellenleistung eines gut trainierten Athleten nach zwei Stunden harten Trainings um circa fünf bis zehn Prozent – zum Beispiel von 300 auf 275 Watt. Der Fahrer würde also eine lange Belastung an seiner ursprünglichen Schwellenleistung nicht mehr überstehen. Er weist eine „reduzierte Schwellenleistung“ auf, seinen „Ermüdungs-FTP“. Nach sehr langen oder intensiven Fahrten müssen bei manchen Athleten sogar zwanzig Prozent oder mehr von der abrufbaren Schwellenleistung abgezogen werden. Als Richtwert wird die Leistungsfähigkeit nach 2000 Kilojoule erbrachter Arbeit herangezogen.
Je nach Fahrertyp verändern sich die abrufbaren Leistungen für verschiedene Zeiträume in unterschiedlichem Ausmaß: Ein Sprinter oder ein sehr explosiver Fahrer weist häufig einen stärkeren Rückgang an der Schwelle auf als ein Kletterer oder Zeitfahrer. Aber: Er kann auch im erschöpften Zustand noch einen deutlich höheren Anteil seiner Maximalleistung abrufen. Der Effekt zeigt sich selbst bei den Profis: Auch sie erbringen nach einer langen Etappe im Kampf um den Etappensieg an einem Endanstieg weniger Leistung als während der berühmten „Startattacken“ zu Rennbeginn. Hier ist der Rückgang aber meist deutlich geringer: So kann ein Ausreiß-Spezialist wie der Belgier Thomas De Gendt auch nach einer langen Flucht noch mit einer enorm hohen Leistung – von rund sechs Watt pro Kilogramm – attackieren und sich von seinen Konkurrenten absetzen.
Die Wiederholbarkeit der Leistungen
Der zweite Effekt der Erschöpfung: Durch viele hochintensive Belastungen über der Schwelle wird sehr schnell der Punkt erreicht, an dem ein Sportler nicht mehr auf dem gleichen Niveau attackieren kann. Das gilt sowohl für Intervalltrainingseinheiten als auch für die rasche Abfolge von harten Anstiegen in einem Wettkampf. Dadurch wird der „Tank geleert“, der für intensive Belastungen zur Verfügung steht. Die sogenannte hochintensive Energie wird aufgebraucht, sobald eine Belastung die eigene Schwellenleistung überschreitet – zum Beispiel 400 Watt für zwei Minuten bei einer Schwellenleistung von 300 Watt. Sie wird in der Regel in Kilojoule gemessen. Wieder „aufgefüllt“ wird sie, wenn die Leistung unter die Anaerobe Schwelle fällt. Es gilt: Je lockerer das Tempo, desto schneller erholt man sich wieder.
Jedoch gelten Einschränkungen: Durch die hohen Intensitäten wird zunehmend auch die Ermüdungsresistenz angegriffen, und die Leistungskapazität verringert sich – nach jeder Attacke steht auch nach einer Erholungsphase etwas weniger hochintensive Energie zur Verfügung. Zudem bestehen deutliche Unterschiede bei der Rate der Erholung. Ein Spezialist für Attacken kann sich von einer hart gefahrenen Steigung in der Abfahrt rasch erholen. Unten angekommen, ist die hochintensive Energie wieder aufgefüllt, und die nächste Steigung geht es genauso hart hinauf. Ein Zeitfahrer hingegen weist nicht nur einen kleineren Tank auf, dieser füllt sich auch langsamer auf. Spätestens nach der zweiten oder dritten intensiven Belastung zieht der explosivere Fahrer davon.
Die Athleten unterscheiden sich in der sogenannten Wiederholbarkeit intensiver Leistungen – ein häufig rennentscheidender Faktor im Wettkampf. Denn: Eine Fünf-Minuten-Leistung von 400 Watt, die nur ein einziges Mal abgerufen werden kann, ist weniger wert als eine von 380 Watt, die drei- oder viermal wiederholt werden kann. Diese Konsequenzen der Erschöpfung lassen sich deutlich reduzieren. Zum Beispiel durch harte Belastungen – auch im erschöpften Zustand, um die Ermüdungsresistenz zu steigern. So sollten unter anderem in die lange Ausfahrt am Wochenende regelmäßig strukturierte Belastungen eingebaut werden. Ein Beispiel: eine vierstündige Einheit mit zehn Minuten im Entwicklungsbereich pro Stunde – und dabei die Leistung auch in den Belastungen zum Ende der Einheit konstant halten.
Studie: Wie stark darf ein Trainingsreiz sein?
Das Erschöpfungstraining
Wichtig dabei: In der Wettkampfvorbereitung, mindestens in den letzten vier bis sechs Wochen, sollten die eingesetzten Intensitäten sehr spezifisch auf die Anforderungen eines Rennens ausgerichtet werden. Zum Beispiel: lange Tempobelastungen für Radmarathonfahrer – oder explosive 30-Sekunden- bis Ein-Minuten-Attacken für Rundstreckenspezialisten. Die Ermüdungsresistenz ist bei den meisten Profis unter anderem so gut, weil sie neben einer beeindruckenden Leistungsfähigkeit zusätzlich über eine sehr solide Grundlagenfitness verfügen. Deshalb ist auch das Training im Grundlagenbereich in Verbindung mit gezielten Intensitäten bedeutsam.
Für die Wiederholbarkeit ist es vonnöten, im Training regelmäßig an das absolute Limit zu gehen – insbesondere über hochintensive Intervalle mit mehreren Wiederholungen, die gerade so abgeschlossen werden können oder an einem schlechten Tag auch abgebrochen werden müssen. Sechs- bis achtmal zwei Minuten bei 120 Prozent sind dabei genauso möglich wie fünfmal fünf Minuten bei 105 Prozent der IANS. Dabei sollte die Pause zwischen den Belastungen nicht zu lang sein, damit die hochintensive Energie nicht wieder ganz aufgefüllt wird.
Die Wettkampfsaison
Als Faustregel sollten 50 bis maximal 100 Prozent der Belastungsdauer als Pausenzeitraum gewählt werden. Je besser die Wiederholbarkeit wird, desto kürzer lassen sich die Ruhephasen gestalten. Als Richtschnur dazu gilt: Solche Einheiten sind sehr belastend und sollten höchstens einmal pro Woche oder sogar nur alle zwei Woche angegangen werden, damit sie das restliche Training nicht negativ beeinflussen.
Während die Wiederholbarkeit vor allem in der Wettkampf-Saison zwischen März und September trainiert werden sollte, lohnt sich für die Ermüdungsresistenz zumindest ein begleitender Fokus über das gesamte Jahr. Beide Faktoren werden nur langfristig, über ein hartnäckiges strukturiertes Training wirklich gesteigert – eine schnelle Kur gibt es nicht. Deutliche Steigerungen auch nach vielen Trainingsjahren sind hier jedoch eher die Regel als die Ausnahme.