Alter, Leistungsfähigkeit, Training, Wissenschaft, Hintergründe
Alter und Leistungsfähigkeit: Trainingstipps und Hintergründe

Auf- & Abbau

Alter und Leistungsfähigkeit: Trainingstipps und Hintergründe

Kraft, Ausdauer, Fitness, Leistung, Radmarathons: Abbauprozesse im Alter – und wie man dagegen antrainiert. Einblicke und Trainingstipps.
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Je länger die Distanz, desto besser – dies könnte für ältere Athleten gelten: So gewann etwa der Deutsche Bernd Hornetz 2016, im Alter von 48 Jahren, den vielleicht renommiertesten Radmarathon überhaupt – den Ötztaler. 227 Kilometer, vier Pässe, 5100 Höhenmeter. Seine Siegerzeit: 6:57:04 Stunden.

Der Name der über Jahre hinweg weltweit dominierenden Ultradistanz-Triathletin: Astrid Benöhr. Die Deutsche gewann zwischen 1992 und 2005 – mit dann 47 Jahren – 25 Ultra-Triathlonrennen, auch gegen alle männlichen Starter, meist über die dreifache Ironman-Distanz: 11,4 Kilometer Schwimmen, 540 Kilometer Radfahren, 126 Kilometer Laufen.

Dennoch steht fest: Im Alter nimmt die Leistungsfähigkeit auch im Ausdauersport ab. Absolut gesehen – doch in der Relation sind diese Leistungsrückgänge in Ausdauer-Disziplinen geringer als in anderen Sportbereichen. Dies haben unter anderem Forschungsgruppen um den Schweizer Dr. Beat Knechtle nachgewiesen. Nach einem der weltweit einflussreichsten Forscher im Ausdauersport, Dr. Stephen Seiler, gibt es drei große altersbedingte Änderungen, die die Leistung beeinflussen.

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1. Der graduelle Rückgang der maximalen Herzfrequenz

Die ausdauerbezogenen Rückgänge können fast gänzlich aufgrund des Rückgangs der „HFmax“ erklärt werden. Dadurch sinkt auch zwangsweise die maximale Sauerstoffaufnahme, die berühmte „VO2max“ Diesem Rückgang kann man, auch durch Training, nur wenig entgegensetzen. Es geht demnach vor allem „Kapazität“ im Zentrum verloren. In der Peripherie sind ältere Sportler oft den jüngeren voraus – etwa bei der Kapillarisierung des Muskelgewebes.

Dieser Fakt ist ein Grund für die häufig extrem hohen Leistungen älterer Athleten bei Ausdauer- beziehungsweise Langdistanz-Wettbewerben. Diese muskuläre Ausdauer ist über das ganze Leben hinweg gut trainierbar. Man verliert mit dem Alter zwar an der maximalen, jedoch in deutlich geringerem Ausmaß an der sub-maximalen Ausdauerkapazität.

2. Der Verlust von Muskelmasse

Mit dem Alter kommt es zu einem muskulären Verlust – besonders betroffen sind die schnellzuckenden „weißen“ Muskelfasern: Deshalb verschlechtern sich mit den Jahren auch die Sprint- und Kurzdistanzleistungen früher und stärker als die Ausdauer-Fähigkeiten. Diesem generellen Muskel- und Kraft-rückgang kann man mit gezielten Trainingsprogrammen effizient entgegenwirken. Den natürlichen Verlust an Muskelmasse und -funktion nennt man in der Fachsprache „Sarkopenie“.

Bis zum 70. Lebensjahr nimmt die Skelettmuskelmasse um rund 40 Prozent ab – und analog dazu die Kraft um durchschnittlich 32 Prozent. Nach den Erkenntnissen großer Studien aus den USA an Über-75-Jährigen sind rund ein Drittel der untersuchten Männer und zwei Drittel der Frauen in diesem Alter nicht mehr in der Lage, ein Gewicht von 4,5 Kilogramm zu heben.

Eine Studie aus Skandinavien zeigte, dass 60 Prozent der 80-Jährigen die üblichen Treppenstufenhöhen an öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr gut bewältigen können. Die Sarkopenie wirkt sich auch auf das Herz-Kreislauf-System aus: Dadurch, dass Gefäße nicht mehr so elastisch sind, muss das Herz verstärkt mit Druck arbeiten und so kommt es zu einer nachteiligen Verdickung der linken Herzhälfte durch den erhöhten Blutdruck. Dem kann man entgegenwirken. Durch Ausdauersport. Denn: Durch die regelmäßige Belastung bleiben die Gefäße elastisch – eine negative Anpassung des Herzens bleibt aus.

3. Der Verlust von Elastizität und Steifigkeit von Sehnen & Faszien

Der Stand der Wissenschaft lautet: Ein sportliches Leben beugt zahlreichen Zivilisationskrankheiten – wie etwa Diabetes, Bluthochdruck oder Herzkreislauferkrankungen – vor und trägt dazu bei, die Alterungsprozesse zu verlangsamen. Dies konnten unter anderem Byberg et al. von der Universität Uppsala, Schweden, in ihrer Längsschnittstudie aus 2009 zeigen. Mit dieser untersuchten sie den Zusammenhang zwischen lebenslangem Sporttreiben und Mortalität. Das Ergebnis: Sportliche Probanden wiesen ein signifikant geringeres Sterbe-Risiko auf als gleichaltrige, unsportliche Versuchspersonen.

Nicht nur sinkt das Risiko, an Zivilisationskrankheiten zu sterben bei sportlich aktiven Menschen – zudem bleibt parallel auch die Lebensqualität deutlich länger auf einem hohen Niveau. Dies belegen zahlreiche Studien, die zeigen: Regelmäßige Kraft- und Ausdauereinheiten können dazu beitragen, die Selbstständigkeit und Lebensqualität auch im höchsten Alter aufrechtzuerhalten. Das Training wirkt dabei nicht nur krankheitsvorbeugend oder fitnesserhaltend: Mit den richtigen Trainingsprogrammen können sowohl die aerobe Kapazität als auch die Muskelkraft bei älteren Erwachsenen deutlich verbessert werden.

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Wie unterscheidet sich die sportliche Leistungsfähigkeit nach Alter?


Die Leistungsfähigkeit im Alter

Im Hochleistungssport treten die besten Sportler der Welt gegeneinander an. Jahrelanges Training und viel Talent sind erforderlich, um auf den Zenit der eigenen Leistungsfähigkeit zu gelangen. In einigen Sportarten ist die Zeitspanne, in der Athleten ihr höchstes Level erreichen können, auf wenige Jahre begrenzt. Sprinter, Schwimmer, Turner oder Fußballer beenden nicht selten mit weniger als 30 Jahren bereits ihre Karrieren, weil sie kein Steigerungspotential in ihrer Leistung mehr erkennen.

Anders als in den oben genannten Sportarten, die hauptsächlich von der Schnelligkeit und Schnellkraft in Kombination mit koordinativen Fähigkeiten abhängen, können Radsportler verhältnismäßig lange auf einem hohen Niveau Rennen – und natürlich Radmarathons – bestreiten.

Die Leistungsfähigkeit steigt bis zum 20. Lebensjahr stetig an, dann erreicht diese Entwicklung eine Plateauphase, die bis zum circa 35. Lebensjahr anhält. Danach kommt es – so wurde es etwa im Rahmen einer großen Studie mit Marathonläufern festgestellt – zu einem Leistungsrückgang von durchschnittlich einem bis zwei Prozent pro Lebensjahr. Auch die maximale Sauerstoffaufnahme, ein wichtiger Indikator für die Ausdauerleistungsfähigkeit, nimmt bereits nach dem 25. Lebensjahr stetig ab. Diese Tendenz lässt sich auch bei trainierten Sportlern feststellen.

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Die maximale Sauerstoffaufnahme, ein wichtiger Indikator für die Ausdauerleistungsfähigkeit, nimmt bereits nach dem 25. Lebensjahr stetig ab

Sauerstoffaufnahme und Körperfett

Der Körperfettanteil, der bei normalgewichtigen 20-jährigen Männern durchschnittlich zwischen zwölf und 16 Prozent beträgt, steigt im Alter an – auf 19 bis 26 Prozent bei 60- bis 70-Jährigen. Bei Frauen liegt der Körperfettanteil bei 20-Jährigen zwischen 23 und 28, und zwischen 60 und 70 Jahren bei 28 bis 38 Prozent. Zudem kommt es zu einer Abnahme des relativen Anteils der Muskelmasse. Ergo: Weniger Muskel- muss mehr Körpermasse bewegen.

Dieser Verlust an Muskelmasse – von bis zu einem Prozent pro Jahr – betrifft vor allem die schnell zuckenden Typ-2-Muskelfasern. Deshalb nehmen die Schnelligkeit und die Maximalkraft im Alter deutlich schneller ab als die Ausdauerleistung.

Auch das Herzkreislaufsystem ist von negativen Veränderungen betroffen: Das Atemvolumen – die Luftmenge, die pro Atemzug eingeatmet werden kann – sinkt mit jeder Lebensdekade nach dem 30. Lebensjahr um rund 250 Milliliter. Parallel dazu nimmt die Elastizität der Lungenstrukturen ab. Dagegen nimmt die Alveolengröße im Alter zu, was die Anstrengung beim Atmen deutlich erhöht. So steigt der für das Atmen aufgewendete Energieanteil von zehn Prozent bei 20-Jährigen auf knapp 20 Prozent bei 60-jährigen Sportlern.

Veränderung bei Lunge und Herz

Zudem nehmen sowohl die Gesamtzahl der Lungenkapillaren als auch die Perfusionsqualität mit dem steigenden Alter ab. Dies bewirkt, dass das Atemzentrum empfindlicher gegenüber einer CO2-Anreicherung im Blut wird und die Sauerstoffzufuhr verschlechtert.

Die maximale Herzfrequenz geht pro Lebensjahr um rund einen Schlag zurück. Dadurch, dass der Ruhepuls unverändert bleibt, verringert sich die Herzfrequenzvariabilität. Zudem wird die Herzkammer kleiner, infolgedessen geht auch die maximale Sauerstoffsättigung zurück. Die maximale Sauerstoffaufnahme in Relation zum Körpergewicht – der wichtige Kennwert der „VO2max“ – sinkt bei Trainierten in ähnlichem Ausmaß wie bei Untrainierten. Jedoch bleibt diese bei Trainierten auch im Alter deutlich höher als bei Untrainierten. Um rund zehn Milliliter pro Kilogramm und Minute bei 70-Jährigen. Die Kapillarisierung der Skelettmuskulatur ändert sich hingegen nicht.

Bei Marathonläufern konnte in einer Studie eine prozentuale Veränderung hinsichtlich der Muskelfaserzusammensetzung festgestellt werden: Es wurde bei ihnen ein erhöhter Anteil „langsamer“ Typ-1-Muskelfasern gefunden. Die Anzahl und Größe der Mitochondrien, der „Kraftwerke“ der Zellen, nimmt im Alter ab. Dies könnte jedoch auch aus einer Verminderung des Trainingspensums resultieren. Zu beobachten ist zudem in der Regel eine generelle Muskelatrophie: So nimmt vom 45. bis zum 65. Lebensjahr die Maximalkraft um durchschnittlich rund 25 Prozent ab. Dennoch konnte in zahlreichen Studien gezeigt werden, dass mit einem gezielten Krafttraining auch im Alter erhebliche Kraftzuwächse erlangt werden können.

Leistung, Zeiten und Alter

In der Wissenschaft wird davon ausgegangen, dass mindestens rund 20 bis 40 Prozent der physiologischen Verfallserscheinungen, die mit dem Alter in Zusammenhang gebracht werden, nicht unausweichlich sind. Viele der degenerativen Veränderungsprozesse entstehen durch die Aufgabe des Sports oder die starke Verringerung des Trainingspensums. Dies wiederum bedeutet, dass ein hohes Fitnesslevel und Trainingsniveau auch bei über 50- oder 60-Jährigen erreicht und aufrechterhalten werden kann.

Wie leistungsfähig sind Sportler verschiedener Altersklassen wirklich? Diese Fragestellung verfolgte eine 2010 im Deutschen Ärzteblatt erschienene Studie zu der Leistungsfähigkeit im mittleren und höheren Lebensalter bei Marathon- und Halbmarathonläufern. Dazu werteten Lek und Kollegen mehr als 900.000 Laufzeiten von 20- bis 79-jährigen Läufern aus. Zudem wurden mittels Fragebögen die Lebensgewohnheiten und die Gesundheit der Teilnehmer abgefragt.

Keine Leistungsverminderung vor Alter von 55 Jahren

Die Ergebnisse haben eine enorme Aussagekraft: Vor dem 55. Lebensjahr treten demzufolge keine signifikanten Leistungsverminderungen auf. Zudem fallen die Leistungsverluste der älteren Athleten nur relativ gering aus. Es zeigte sich, dass 25 Prozent der 65-bis 69-Jährigen sogar schneller als 50 Prozent der 20- bis 54-jährigen Langstreckenläufer waren.

Dabei fällt besonders auf, dass unter den 50- bis 69- Jährigen rund ein Viertel der Sportler vor weniger als fünf Jahren mit dem Lauftraining begonnen hatten. Rund 42 Prozent der über 50-Jährigen waren vor dem Beginn des Lauftrainings sportlich inaktiv. Gute Nachrichten für Sporteinsteiger also. Die Erkenntnis: Es kann auch für Ältere innerhalb weniger Trainingsjahre gelingen, ein leistungsstarker Ausdauer-Athlet zu werden – und etwa erfolgreich an Rad- oder Lauf-Marathons teilzunehmen.

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Im Zentrum des Muskelschwunds stehen die schnellen Typ-2-Muskelfasern. Der somit verminderte Energiebedarf – von rund minus 25 Prozent – im Alter erfordert angepasste Mahlzeiten mit einer teils erhöhten Nährstoffdichte

Radsport

Ähnliche Ergebnisse lassen sich im Radsport feststellen. Vergleicht man die Leistungssportler aller Altersklassen im Amateurbereich, wird deutlich: Der Abstand der besten Radsportler fällt gering aus.

Eine Grundlage für eine Analyse liefert beispielsweise der jährlich im österreichischen St. Johann ausgetragene Radweltpokal. Die Veranstaltung war von 1995 bis 2010 die offizielle Austragungsstätte der UCI-Masters-Weltmeisterschaften und wird seitdem als „WMCF World Championships“ fortgeführt. Der Zeitfahrwettbewerb wird auf einem 20 Kilometer langen, überwiegend flachen und technisch wenig anspruchsvollen Kurs ausgetragen. Dies bietet nahezu ideale Bedingungen für einen objektiven Leistungsvergleich am Wettkampftag.

Die zehn verschiedenen Altersklassen sind ab der „Klasse 1“, für Starter zwischen 30 und 39 Jahren, und darauffolgend mit jeweils fünf Jahrgängen zusammen in allen weiteren Altersklassen aufgeteilt. Der Sieger jener Klasse 1 benötigte für die 20 Kilometer im Wettbewerb von 2018 25:01 Minuten und fuhr durchschnittlich 48 km/h. Die Zeitschnellsten der Altersklassen 2 – von 40 bis 44 Jahren – und 3 – von 45 bis 49 Jahren – konnten diese Zeit sogar unterbieten. Wobei der Schnellste der Kategorie 3 mit einer Zeit von 24:34 sogar fast eine halbe Minute schneller war.

Nur die Ältesten haben deutliche Leistungseinbußen

Doch auch die Fahrer der Kategorien 4 bis 6 – zwischen 50 und 64 Jahren – konnten ähnliche Zeiten erzielen, wobei der Sieger der 60- bis 64-Jährigen mit 25:36 Minuten in der jüngsten Alterskategorie der teilweise gerade einmal halb so alten Fahrer auf Platz Drei gekommen wäre. Sogar in der Kategorie 70-74 Jahre fällt der Abstand auf die jüngeren Sieger mit etwas mehr als drei Minuten relativ gering aus. Damit erreichten die schnellsten Über-70-Jährigen noch Durchschnittsgeschwindigkeiten von mehr als 43 Kilometer pro Stunde.

Erst in den Kategorien der Ältesten sind deutliche Leistungseinbußen zu erkennen. Wenngleich die erbrachten Leistungen selbst bei den Über-80-Jährigen mit einer Sieger-Zeit von 32:50 – und damit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 36,5 km/h – beeindruckend ist. Allerdings muss eingeräumt werden, dass in dieser Rennklasse 1 nur 13 Sportler am Start standen und diese nicht das höchstmögliche Niveau ihrer Altersgruppe widerspiegeln. Zudem spielen bei Zeitfahren neben der absoluten Leistung noch weitere Faktoren, wie etwa die Windverhältnisse, wichtige Rollen.

Das Training: Kraft und Ausdauer

Zu den besonders auffälligen „Alters-Effekten“ zählt die Abnahme der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit, der VO2max. Ein potenzielles „Gegenmittel“: hochintensive Intervalle. Jedoch sollten gerade Sportler, die ein solches Training absolvieren wollen, regelmäßige medizinische Checks durchführen lassen. Neben den Ausdauer- und Intervalleinheiten sollte im Trainingsprozess dem Muskelabbau und der Verringerung der Schnellkraft konsequent entgegengewirkt werden.

Ein zentraler Aspekt des Leistungsaufbaus ist zudem das Einhalten ausreichender Regenerationsphasen. Mit einem durchdachten Trainingskonzept ist das Aufrechterhalten – oder gar der Ausbau – der Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter möglich.

Trainingsunterschiede nach Alter?

Wodurch unterscheidet sich ein effizientes Training eines jüngeren von dem eines älteren Athleten? Die grobe grundsätzliche Antwort: durch nichts. Zumindest wenn es um die Methodiken und die Trainingsprinzipien geht. Trainingsmethodisch gelten dieselben Vorgehensweisen für alle Altersgruppen. Zu den Besonderheiten im Alter zählt die verlängerte Regenerationszeit. Ein weiterer Aspekt ist der erhöhte Verschleiß an Geweben.

Doch auch hier gilt: Ein regelmäßiges Training hilft dabei, diesen Gewebeabbau zu verzögern beziehungsweise aufzuhalten. Der sehr „gelenkschonende“ Aspekt des Radfahrens kann im Alter auch einen negativen Aspekt haben. Durch die geringe Belastung passen sich Strukturen wie das Bindegewebe, Sehnen, Faszien und Knorpel nur sehr begrenzt an. Man wirkt der Degeneration des Gewebes – mit Ausnahme des Muskelgewebes – demnach nur bedingt entgegen.

Dies wäre jedoch wünschenswert – auch um das Verletzungsrisiko zu minimieren und um im Sport und Alltag belastungsverträglich zu bleiben. Je kräftiger und elastischer eine Sehne ist, desto besser wird auch die Muskulatur geschützt.  Damit dies passiert, gilt es eine einfache Regel zu beachten: use it or lose it – nutze es oder verliere es. Strukturen wie Sehnen brauchen Belastungen, um sich zu adaptieren – um altersbedingte degenerative Prozesse zu verhindern beziehungsweise zu verlangsamen. Die effizienteste Prophylaxe heißt: Krafttraining.

Intensität des Krafttrainings

Das Krafttraining an sich muss dabei auch gewisse Intensitäten überschreiten. Es genügt nicht, immer nur mit sehr geringen Gewichten zu arbeiten. Ein Kraftausdauertraining von 15 oder mehr Wiederholungen ist demnach in der Regel als zu niedrigintensiv einzustufen. Ein solches wirkt auf der muskulären Ebene eher versorgungsoptimierend. Natürlich sollte man als Einsteiger nicht sofort mit einem harten Krafttraining beginnen – doch man sollte mit dem Ziel starten, mittelfristig Hypertrophie-Einheiten durchführen zu können.

Ergo: In jenem Intensitäts-Bereich zu arbeiten, in dem Muskelwachstums-Prozesse provoziert werden. Für die Gesundheit am zielführendsten ist es, die Belastungsverträglichkeit über Monate hinweg aufzubauen. Und danach langfristig im Bereich von acht bis zwölf Wiederholungen zu arbeiten – bei drei bis sechs Sätzen pro Muskelgruppe beziehungsweise Übung. Das Gewicht sollte dabei so gewählt werden, dass die Ausführung technisch einwandfrei möglich und bis zur spätestens zwölften Wiederholung sehr fordernd beziehungsweise ausbelastend ist.

Leistungsfähigkeit, Alter, Unterschiede, Wissenschaft, Hintergründe

Um die altersbedingte Leistungsbegrenzung oder -minderung aufzuhalten, oder zumindest zu verzögern, müssen besonders die limitierenden Faktoren im Fokus des Trainings stehen: der Fettstoffwechsel, die Sauerstoffaufnahmekapazität und der Muskelerhalt und -aufbau

Ruheblutdruck im Alter

In einer Studie konnte Martel zeigen, dass der Ruheblutdruck seiner 68-Jährigen Probanden durch eine sechs-monatige Krafttrainings-Intervention deutlich reduziert wurde. Zusätzlich dazu konnte Hepple in seiner Untersuchung zeigen, dass sich mit der zunehmenden Muskelmasse oft auch neue Kapillaren ausbilden – wodurch sich die VO2max und die Sauerstoff-Nutzung deutlich verbesserten.

Ein Beispiel: die freie Kniebeuge – die „Königsübung“ für Radfahrer. In der klassischen Durchführungsvariante, dem sogenannten „Back Squat“ mit der Langhantel hinten auf den Schulterblättern, werden sowohl die Wirbelsäule als auch die großen Gelenke der unteren Extremität belastet. Dadurch kommt es zu einer verbesserten Wassereinlagerung und zu einer Verstärkung der Bindegewebsfasern in den Knorpelstrukturen, was zu einer besseren Stoßdämpferfunktion und Belastungsverträglichkeit führt – in allen belasteten Gelenken und in den Bandscheiben.

Zudem unterstützt das intensive Kniebeugen-Krafttraining die organische Gesundheit durch die Ausschüttung von Botenstoffen: Myokinen, etwa das Interleukin-6, schaffen ein anti-entzündliches Milieu im Körper. Man erkennt schon an dieser einzigen Übung, warum das planvolle Krafttraining das effektivste verletzungsprophylaktische Mittel ist – sowohl für den Sport als auch für den Alltag. Gerade in einem Alter ab 45 oder 50 Jahren, und älter, ist ein zusätzliches Krafttraining absolut empfehlenswert, um den natürlichen Degenerationsprozessen entgegenzuwirken. Alle Untersuchungen zeigen, dass die Abnahme an Muskel-Querschnittsfläche und Kraft ab dem 55. Lebensjahr – in Relation zu vorhergehenden Lebensjahren – überproportional voranschreitet. Ergo gilt: Je früher man damit beginnt, diesen Prozessen entgegenzuwirken, desto besser.

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Warum profitieren Frauen besonders von zusätzlichem Krafttraining?

Gerade Frauen profitieren generell sehr stark von einem zusätzlichen Krafttraining. Sie können die, im Durchschnitt, geringere fasziale Festigkeit – ausgelöst unter anderem durch das Hormon Relaxin – mittels einer erhöhten muskulären Stabilität kompensieren. Je höher die Trainingsumfänge sind, desto wichtiger ist es, dass die Kollagen-Strukturen diese auch tolerieren.

Für die Anpassungen dieser passiven Strukturen sind in der Regel vier bis sechs Monate einzurechnen. Somit gilt auch für das Krafttraining: Man kann nicht in den Wintermonaten „auf Vorrat“ trainieren – und im Sommer pausieren. Mehrere Studien haben gezeigt, dass bereits ein einmaliges wöchentliches Training von rund 40 Minuten Dauer genügt, um die aufgebauten Strukturen zu erhalten.

Dieser Artikel erschien in RennRad 4/2021. Hier können Sie die Ausgabe als E-Paper oder Printmagazin bestellen.

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