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Favoriten bei die Tour de France 2023: Wer gewinnt das Gelbe Trikot?

Zweikampf

Favoriten bei die Tour de France 2023: Wer gewinnt das Gelbe Trikot?

Beinahe alle Experten erwarten bei der Tour de France 2023 einen Favoriten-Zweikampf zwischen Jonas Vingegaard und dem zweifachen Tour-Sieger Tadej Pogačar.
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Der Mann im gelben Trikot attackiert an der steilsten Stelle des Anstiegs aus dem Windschatten seines Teamkollegen – und kein Konkurrent kann sein Hinterrad halten. Es sind noch 28,7 Kilometer bis ins Ziel, noch zwei Kilometer bis zum höchsten Punkt des Izua-Anstiegs im Baskenland. Jonas Vingegaard fährt alllein vorne. Hier, während der sechsten Etappe der Baskenlandrundfahrt 2023. 11:17 Minuten braucht er für diesen 4,1 Kilometer langen Anstieg. Seine geschätzte relatiive Durchschnittsleistung: 7,46 Watt pro Kilogramm. Damit zeigte der amtierende Tour-Sieger eine der besten Bergauf-Leistungen überhaupt. In dieser Region, im Baskenland, wird Jonas Vingegaard im Juli sein Projekt Titelverteidigung beginnen. Wieder erwarten fast alle Experten ein Duell, einen Zweikampf um den Sieg: Vingegaard versus Tadej Pogačar, den Sieger der Jahre 2020 und 2021.

Beide starteten extrem erfolgreich in die Saison: Vingegaard gewann jeweils drei Etappen und die Gesamtwertung des O Gran Camiño und der Baskenlandrundfahrt. Sein Vorsprung bei letzterer betrug 1:12 Minuten auf den Zweitplatzierten Mikel Landa. Tadej Pogačar übertraf ihn noch – und alle anderen. Sein Palmarés: der Sieg bei Jaén Paraíso, je drei Etappen und die Gesamtwertung der Andalusienrundfahrt und bei Paris-Nizza – dem einzigen direkten Duell der beiden Top-Favoriten. Dazu gewann er die Flandern-Rundfahrt, das Amstel Gold Race und Fleche Wallonne. Der Slowene ist der Dominator dieser Saison.

Talent

Als solcher wirkte er auch während der ersten zehn Etappen der Tour de France 2022. Pogačar gewann zwei davon und trug das Gelbe Trikot. Die besonders anspruchsvollen Hochgebirgsetappen lagen noch vor den Fahrern. Darunter die elfte über den Col du Galibier und zum Schlussanstieg am Col du Granon. Der Slowene geriet an jenem Tag in die „Zange“ des stärksten Teams jener Rundfahrt, Jumbo-Visma.

Vingegaard und sein Teamkollege Primož Roglič, der nach einem Sturz in der Gesamtwertung bereits weiter zurücklag, attackierten am Galibier im Wechsel. Pogačar parierte jeden Antritt. Doch fünf Kilometer vor dem Ziel konnte er der nächsten Attacke Vingegaards nichts mehr entgegensetzen. Er verlor in diesem steilen Finale fast drei Minuten und das Gelbe Trikot. Der Däne verteidigte das Maillot Jaune später in den Pyrenäen – auch dank seines überragenden Teams – souverän und feierte in Hautacam noch einen zweiten Etappensieg.

Teamstärke

Auch am Faktor „Teamstärke“ kann sich die Tour 2023 entscheiden. Jumbo-Visma ist aktuell die wohl stärkste Equipe der WorldTour. Mit Wout van Aert, der im vergangenen Jahr das Grüne Trikot sowie drei Etappen gewann, Dylan van Baarle, Sepp Kuss, Tiesj Benoot, Steven Kruijswijk und anderen Fahrern stehen Jonas Vingegaard extrem starke Helfer für jedes Terrain zur Seite. In diesem Jahr wird der Däne der klare Kapitän sein – Primož Roglič konzentrierte sich stattdessen auf den Giro.

Auch Pogačars UAE-Emirates-Team hat sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert. Zu den stärksten Helfern des Slowenen zählen wohl Marc Soler, Rafał Majka – und Adam Yates. Letzter wäre unter Umständen stark genug, um seinerseits auf das Podium der Tour zu fahren. „Auf dem Papier“ ist Jumbo-Visma in der Breite wohl etwas stärker aufgestellt.

Im direkten Duell der beiden Top-Favoriten steht es in der Saison 2023 eins zu null für Pogačar. Bei Paris-Nizza kam es zum ersten und einzigen Aufeinandertreffen. Pogačar gewann drei Etappen und die Gesamtwertung, Vingegaard wurde „nur“ Dritter – 1:39 Minuten hinter seinem großen Konkurrenten. Natürlich ist ein Rennen im März jedoch kein Indikator für die Ergebnisse im Juli – zumal beide anschließend ihre Rennen fast nach Belieben dominierten.

Alpen und Pyrenäen

Fast alle Experten gehen von einem Zweikampf dieser beiden Ausnahmetalente aus. Die Tour-Organisatoren sorgen mit der Routenwahl für potenzielle Überraschungen und Abwechslung. Der Start im Baskenland kommt – anders als das gewohnte „Grand-Tour-Programm“ – weniger den Sprintern zu Gute. Die erste Etappe weist mehr als 3000 Höhenmeter auf.

Bedingt durch die Wahl des Grand Départs führen schon die fünfte und die sechste Etappe durch die Pyrenäen. Mit anspruchsvollen Abschnitten im Zentralmassiv – darunter der „Rückkehr“ des Puy-de-Dôme-Anstiegs am Ende der neunten Etappe – und wenigen Flachetappen bleibt die Strecke vielseitig. Und bietet viele Möglichkeiten für Attacken.

Entscheidend wird wohl die dritte Woche in den Alpen sein: Drei Bergankünfte und insgesamt fünf Bergetappen stehen ab dem 13. Tagesabschnitt auf dem Programm. Die 16. Etappe, das einzige Einzelzeitfahren, ist nur 22 Kilometer lang und mit mehr als 600 Höhenmetern kein Parcours für die reinen Zeitfahr-Spezialisten.

Tour de France 2023: Etappen, Strecke, Favoriten, Trikots

Favoriten bei der Tour de France: Was macht Ineos Grenadiers?

Lange dominierten die Fahrer eines anderen Teams die Tour: die der Equipe Ineos Grenadiers beziehungsweise Sky. Sie waren an erster Stelle zu nennen bei der Frage nach den Topfavoriten – zwischen 2012 und 2019 gewann die britische Equipe sieben Mal die Tour. Diese Zeiten scheinen im Moment vorbei zu sein, obwohl die Mannschaft nach wie vor mit einem Top-Budget auftritt und Weltklasse-Fahrer beschäftigt.

2022 war Geraint Thomas der „Beste vom Rest“ und wurde Dritter. Sein Rückstand auf Jonas Vingegaard: 7:22 Minuten. Der Brite konzentriert sich in diesem Jahr auf den Giro d‘Italia – auch wegen der wenigen Zeitfahrkilometer bei der Tour. Das Team stellt sich anders auf als in den vergangenen Jahren, mit einem oder zwei klaren Kapitänen und starken Helfern.

Egan Bernal ist nach seinem schweren Sturz Anfang des Jahres 2022 noch nicht bereit für die Tour, stattdessen sind junge Fahrer wie Tom Pidcock und Carlos Rodríguez im Fokus. Pidcock gewann im vergangenen Jahr die Bergankunft in L‘Alpe D‘Huez aus einer Spitzengruppe heraus. Der 21-jährige Spanier fuhr eine starke Vuelta und wurde am Ende Siebter der Gesamtwertung.

Ein weiterer aussichtsreicher Kandidat für eine Top-Platzierung ist Daniel Felipe Martínez. Der Kolumbianer gewann in seiner Karriere bereits eine Tour-Etappe, die Baskenland-Rundfahrt und das Critérium du Dauphiné. 2021 wurde er als Edelhelfer Bernals Fünfter des Giro. Er ist ein Rundfahrten-Spezialist, zählt aber eher zum erweiterten Kreis der Podiumskandidaten.

Erweiterter Favoritenkreis

Zu diesen zählt auch David Gaudu. Er ist wohl die größte französische Hoffnung auf eine Top-Platzierung. Bei Paris-Nizza konnte der 26-Jährige einen der beiden großen Favoriten schlagen: Er wurde Zweiter hinter Pogačar und vor Vingegaard. Gaudu ist einer der stärksten Bergfahrer überhaupt. Seine Schwäche, das Zeitfahren, fällt bei dieser Tour-Austragung weniger ins Gewicht.

Dies gilt in ähnlicher Form auch für die anderen französischen Anwärter auf das Gesamtklassement: Romain Bardet zeigte im Frühjahr gute, aber nicht überragende Leistungen, Guillaume Martin wurde starker Sechster bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, trat ansonsten jedoch weniger in Erscheinung.

Zu den weiteren Kandidaten auf eine Top-Platzierung zählt etwa Enric Mas, Movistar. Er konnte bei der Tour bisher nicht seine Bestform zeigen, bei der Vuelta wurde er schon drei Mal Zweiter. Mikel Landa ist der Kapitän des Teams Bahrain-Victorious. Der Spanier ließ die Tour in den vergangenen Jahren aus – 2020 war er Vierter. Durch die wenigen Zeitfahrkilometer dürfte auch er sich Hoffnungen auf das Podium machen.

Carapaz, Yates und Hindley

Dies gilt auch für Richard Carapaz, 2021 Dritter der Tour. Seit dieser Saison fährt er für das Team EF Education-EasyPost und wird wohl der klare Leader sein.

Zwei weitere Grand-Tour-Sieger zählen zum erweiterten Favoriten-Kreis: Simon Yates ist der Vuelta-Sieger des Jahres 2018. Seit seinem dritten Platz beim Giro 2021 konnte er jedoch keine dreiwöchige Landesrundfahrt beenden. Er ist einer der stärksten Bergfahrer der Welt, sein Team Jayco AlUla ist aber weniger hochkarätig besetzt, und ihm fehlt häufig die Konstanz für ein Top-Ergebnis. Jai Hindley gewann den Giro 2022 und erreichte damit den ersten Grand-Tour-Gesamtsieg für die deutsche Equipe Bora-Hansgrohe. Der Australier nahm noch nie an einer Tour de France teil. In diesem Jahr ist sie sein Saisonhöhepunkt – eine Giro-Titelverteidigung ließ der 27-Jährige ausfallen.

Wer ist die starke „Nummer zwei“?

Oft tritt ein zweiter Kandidat aus einem Team auf den Plan, wenn der eigentliche Kapitän ausfällt – so wie Jonas Vingegaard bei seinem zweiten Platz 2021.

Adam Yates vom Team UAE Emirates dürfte die stärkste „Nummer zwei“ der Tour sein, auch Pello Bilbao, Bahrain-Victorious, der Deutsche Emanuel Buchmann, Bora-Hansgrohe und sogar Thibaut Pinot, Groupama-FDJ sind weitere Kandidaten.

Historisches Duell um Etappensiege

Neben dem Duell um den Gesamtsieg erwarten viele Experten im Kampf um Etappensiege ein weiteres historisches Duell: Wout van Aert versus Mathieu van der Poel. Beide waren bereits Träger des Gelben Trikots. Die anspruchsvollen ersten Etappen im Baskenland geben beiden die Chance, erneut gelb zu tragen.

Dieses Trikot trug auch Julian Alaphilippe bereits 2019 und 2020. Der zweimalige Weltmeister ist einer der stärksten Puncheure der Welt und kann es in Topform mit van der Poel und Van Aert aufnehmen.

Sprinter

Für die Sprinter gibt es in diesem Jahr recht wenige Gelegenheiten – nur fünf bis sechs Etappen könnten wohl in einem Massensprint enden. Somit hat Mark Cavendish nur wenige Chancen, seinen 35. Rekord-Etappensieg einzufahren. Der 38-jährige Astana-Profi richtet seine Tour ganz nach diesem Ziel aus.

Einige andere Sprinter sind wohl stärker einzuschätzen: Fabio Jakobsen, Soudal-Quick-Step, Caleb Ewan, Lotto Dstny, Dylan Groenewegen, Jayco AlUla und Jasper Philipsen, Alpecin-Deceuninck, teilten die großen Sprintsiege in diesem Jahr bisher auf.

Haben Deutsche Chancen auf einen Etappensieg?

Einige der deutschen Starter hoffen auf einen Etappensieg. Zu den aussichtsreichsten Kandidaten zählt Nils Politt vom deutschen Team Bora-Hansgrohe.Er gewann 2021 die Etappe nach Nîmes als Solist.

Lennard Kämna, der im vergangenen Jahr das Gelbe Trikot um nur zehn Sekunden verpasste, gibt in diesem Jahr dem Giro d‘Italia den Vorzug. Simon Geschke trug im vergangenen Jahr neun Tage lang das Bergtrikot – und verlor es am Ende knapp an den Tour-Sieger Jonas Vingegaard. Er wird neben Helferdiensten für seinen Kapitän Guillaume Martin vielleicht wieder die Chance erhalten, sich in Fluchtgruppen zu zeigen. Dies gilt auch für den Intermarché-Profi Georg Zimmermann. Phil Bauhaus vom Team Bahrain-Victorious zählt potenziell zu den stärksten im Massensprint.

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