Für Asphalt und Schotter
Pirelli Cinturato Velo im Test: Für Asphalt und Schotter
in Test & Technik
Jetzt auch abseits des Asphalts: Pirelli prasentiert den Cinturato Velo – einen pannensicheren Reifen, der mit und ohne Schlauch gefahren werden kann. 2017 brachte Pirelli den Rennradreifen PZero Velo auf den Markt. Es war ein Zeichen: Eine traditionsreiche italienische Marke kehrt nach Jahrzehnten zurück zum Radsport. Es war ein Zeichen: Radsport ist relevant, Radsport passt in das Portfolio eines Unternehmens, das sich sportlich-dynamisch und ökologisch präsentieren will. Dass der PZero Velo aber mehr als ein Zeichen ist, hat er im RennRad-Dauertest über mehrere Tausend pannen- und sturzfreie Kilometer in Training und bei Radmarathons bewiesen. Auch im großen Labortest, zu lesen in RennRad-Ausgabe 7/2018, schlug sich der PZero Velo gut zwischen etablierten Konkurrenz.
In die Breite
Den PZero Velo gab es zunächst neben der klassischen Variante auch als besonders griffiges und pannensicheres Allwetter-Modell Pzero Velo 4S sowie als leichteren Wettkampf- und Zeitfahrreifen Pzero Velo TT. Die Breiten reichen, je nach Modell von 23 bis 28 Millimeter. Im Frühjahr 2018 dann präsentierte man im Rahmen des Klassikers Amstel Gold Race einen 28 Millimeter breiten Schlauchreifen – immerhin statten die Italiener seit dieser Saison das irische Profiteam Aqua Blue Sports aus. Auch speziell für E-Bikes prasentierte der Konzern bereits auf der Eurobike-Messe 2017 ein spezielles Modell.
Eine Lücke weniger
Nun schließt der Hersteller eine weitere Lücke im Portfolio – eine, die Zeitgeist vielen Firmender Fahrradindustrie aufzeigt. Einen Bereich, der nicht trennscharf definiert ist und wahlweise unter Bezeichnungen wie Gravel, Allroad, Adventure oder „fast commuting“ verhandelt wird. Vergangene Woche präsentierte Pirelli ausgewählten Fachmedien das Modell Cinturato Velo. RennRad war bei der Präsentation in der Toskana und konnte das Modell auf verschiedenen Terrains testen. Zu kaufen ist der Cinturato in Deutschland von Juli an. Der Preis wird, je nach Breite, zwischen 49,90 Euro (26 bis 28 Millimeter) und 52,90 Euro (32 bis 35 Millimeter) liegen.
Die Idee
Der Cinturato Velo soll wieder vieles vereinen: Pannenschutz, geringen Rollwiederstand, Kontrolle durch guten Grip. Das alles verlangte Pirelli bereits vom PZero Velo. Der Unterschied ist ist der breitere Einsatzbereich des Cinturato. Speziell auf gröberem Untergrund soll die Performance stärker sein als die des PZero Velo. Dabei fällt die Profilierung aber deutlich Straßen-orientierter aus als bei vielen Gravel-Reifen: Stollen gibt es keine, die blitzartigen Kerben unterscheiden sich kaum von denen des reinen Straßenmodells Pzero Velo. Bei Pirelli spricht man deshalb auch nicht von einem Reifen für Gravel-Einsatz. Sondern eher von einem sehr breiten Einsatzbereich, der auch leichte Schotterpassagen, ruppiges Pflaster oder feste Pfade mit einschließt: „light gravel“. Dabei soll man auf gutes Rollverhalten auf Asphalt jedoch nicht verzichten müssen. Mit dem Cinturato spricht man also neben sportlichen Rennradfahrern, die auch Schotterwege in ihre Trainingsrunden einbeziehen wollen, vor allem sportliche Pendler an, die zugunsten verkehrsarmer Strecken auch auf nicht asphaltiertem Untergrund unterwegs sind.
Gürtel-Reifen
Der Name weist auf die Funktionsweise hin: „cintura“ ist das italienische Wort für Gürtel. Als solchen beschreiben die Entwickler den Aufbau, der Robustheit und hohen Pannenschutz bringen soll. Auf zwei selbst geschaffene Technologien vertrauen die Experten aus Pirellis Entwicklungsabteilung dabei: Smartnet Silica und Armour Tech.
Smartnet Silica
Einerseits kommt wie beim PZero Velo der Pannenschutz vor allem durch das patentierte „Smartnet Silica“-System. Dieses bezeichnet den Einsatz von Aramidfasern, die sich mit den anderen Materialien verbinden und dadurch die Durchstichfestigkeit erhöhen sollen. Von außen nach Innen verdichten sich diese Fasern. Smartnet Silica soll zudem für bestmögliche Fahreigenschaften bei verschiedenen Bedingungen sorgen.
Armour Tech
Die von Pirelli zum Patent angemeldete Lagenkonstruktion „Armour Tech“ bezeichnet die Kombination verschiedener Komponenten. Unterhalb der aus Smartnet Silica bestehenden Lauffläche schützt eine Nylonschicht den Reifen umfassend. Unterhalb der Smartnet-Lauffläche liegt zudem eine Bahn aus hochverdichteten Aramid-Fasern. Dringt ein spitzer Gegenstand in den Reifen ein, dann verdichten sich die Aramid-Fasern um ihn herum. Der Impuls wird stumpf weitergegeben, der Stich soll den Reifen somit weniger leicht voll durchdringen können.
Tubeless und mit Schlauch
Der Cinturato wird als Tubeless-ready verkauft: er kann sowohl mit, als auch ohne Schlauch gefahren werden. An der Performance mit Schlauch solle man den Cinturato messen, heißt es bei Pirelli. Fährt man ihn tubeless, dann sollen sich alle Eigenschaften nochmals verbessern. Hierfür bringt die hochverdichtete Nylonschicht sowohl Schutz vor Einschnitten als auch Seitenstabilität beim tubeless-typischen Fahren mit niedrigem Luftdruck. Zudem dichtet sie die Karkasse ab, wenn Dichtflüssigkeit zum Einsatz kommt.
Varianten und Einsatz
Den Cinturato gibt es in den Breiten von 26, 28, 32 und 35 Millimetern. Wie immer hängt die tatsächliche Breite von der Maulweite der Felge ab, auf der man den Reifen montiert. Das Gewicht eines Reifens liegt je nach Breite bei 290, 320, 350 oder 380 Gramm. Vergleicht man das Gewicht des 26 Millimeter breiten Cinturato mit dem des 25 Millimeter breiten Pzero Velo, dann ist der Cinturato 80 Gramm schwerer. Je nach Reifenbreite, abhängig vom Einsatz als Tubeless oder „tube type“-Reifen empfiehlt Pirelli unterschiedliche Luftdruckbereiche, die auf den Reifenflanken abzulesen sind. Auch für die optimalen Felgenbreiten gibt es jeweils Empfehlungen. Abhängig ist der optimale Luftdruck wie immer auch vom Systemgewicht und vom Untergrund. Das 28 Millimeter breite Modell etwa sollte, wenn man es mit Sclauch fährt, mit fünf bis sieben Bar Luftdruck gefahren werden. Als Tubeless-Reifen liegt dieser Bereich bei vier bis sechs Bar.
Kaum profiliert
Auffällig für einen Reifen, der auch Schotter-Passagen meistern soll: er ist nicht deutlich profiliert. Die vom PZero Velo bekannten Kerben in Zackenform sollen dem Reifen durch Bewegungen erwärmen, wodurch das Material schnell weicher werden, und damit mehr Grip und mehr Kontrolle bieten soll. Gegen Nässe ist laut Samuele Bressan, Pzero-Velo-Produkt-Manager, ohnehin keine Profilierung nötig: selbst komplett profillose Slick-Reifen sind seiner Aussage nach nicht anfällig für Aqua-Planing. Im Gegenteil: Bei Nässe verringen Rennrad-Profis häufig den Luftdruck und vergrößern bewusst die Auflage- und damit Kontaktfläche, wodurch sich die Kontrolle verbessert.
Testbedingungen
In der Toskana, unweit der Stadt Siena, starteten wir die Testrunden in einer Gruppe aus 15 Fahrern, deren Räder allesamt mit dem Cinturato mit Schlauch bezogen waren, der Luftdruck lag bei fünfeinhalb Bar. Es ging auf den Straßen des Profi-Rennens Strade Bianche über Asphalt aller Qualitätsstufen, über Betonplatten, über leicht- bis sehr grobschottrige Pisten mit Schlaglöchern und vereinzelt großen und scharfkantigen Steinbrocken. Zunächst regnete es leicht, anschließend war die Luftfeuchtigkeit durch den tief hängenden Nebel hoch. Zum Ende hin war es sonnig und warm. Steigungen und Abfahrten erreichten dabei deutlich mehr als zehn Prozent Neigung, sowohl in langen Geraden als auch in technisch zu fahrenden Kurven. Wir fuhren sowohl auf einsamen Straßen, als auch im dichten Verkehr. Mal eng in der Gruppe, mal mit großem Abstand zu den Mitfahrern.
Testurteil
Der Grip überzeugte wie bereits beim PZero Velo. Gerade in schnellen Abfahrten auf Asphalt blieb auch bei Kurvenneigung der Kontakt zum Boden spürbar. Bei starkem Bremsen mit direkt ansprechenden Scheibenbremsen brachen die Reifen spät und kontrolliert aus – wenn man es provozierte. Ansonsten blieb auch bei starker Verzögerung der Grip hoch, in Kurven wie im Geradeauslauf. Bei Antritten auf losem Schotter fand die Smartnet-Silica-Oberfläche dank des passenden Luftdrucks schnell Kontakt zu Grip bietenden Elementen der Piste. Durchschlägen kamen wir somit auch dann nicht nahe, wenn wir Schlaglöcher, gößere Steine oder Betonkanten bewusst ansteuerten. In unrhyhtmischen Bergauffahrten und kurzen, starken Antritten war der Kontakt und damit eine direkte Kraftübertragung zu bemerken. Auf nassem Untergrund waren die Fahreigenschaften nicht spürbar schlechter, Ausbrüche ließen sich jedoch leichter provozieren. Im RennRad-Dauertest werden wir den Cinturato auf Dauerhaltbarkeit und -Performance testen.