Elektronik vs. Mechanik
Elektronik vs. Mechanik: Elf Rennräder im Gruppen-Vergleichs-Test
in Test & Technik
Elf, zwölf oder 13 Ritzel, ein oder zwei Kettenblätter, Kabel oder Züge oder keines von beidem: Die Art zu schalten ist inzwischen ein Statement. Es zeigt, wie alt oder neu das eigene Material ist – und wie teuer. Das günstigste Rad in diesem Testfeld, das Liv Langma Advanced 1+, ist mit einer mechanischen Ultegra-Gruppe ausgestattet. Sein Preis: 3299 Euro. Im vergangenen Jahr stellte Shimano die neuen Versionen der beiden Top-Gruppen Dura-Ace und Ultegra vor – bei beiden setzt der japanische Hersteller ausschließlich auf elektronisches Schalten. Die neue Ultegra Di2 ist am Votec VRC Pro in diesem Testfeld vertreten – mit 3599 Euro ist es das günstigste Rad, das mit einer elektronischen Gruppe ausgestattet ist.
Auch das leichteste der elf Testräder ist eines der günstigsten: Das Gewicht des Benotti Fuoco Disc beträgt 7,55 Kilogramm. Sein Preis: 3499 Euro. Die Ausstattung: eine mechanische Shimano-Ultegra-Gruppe.
Rennräder im Test: Elektronisch vs. mechanisch
2009 brachte Shimano die erste seiner elektronischen Di2-Schaltungen auf den Markt. Dann kam Campagnolo, schließlich Sram. Schon bei der ersten Generation der eTap-Gruppen „fehlte“ einiges – primär: sämtliche Kabel. Die Schaltbefehle werden per Funk übertragen. Die Energie kommt von kleinen Knopfzellen. Die Kabelführung im und am Rahmen entfällt somit. Die Batterien im Umwerfer und im Schaltwerk sorgen für mehr als 60 Fahrstunden Energie. Das Wiederaufladen dauert rund eine Stunde.
Für die elektronischen Shimano-Gruppen gilt: Der Akku „hält“ mindestens 1000 Kilometer, meist deutlich mehr – und auch unter widrigsten Bedingungen. Erst dann stellt zunächst der Umwerfer seine Arbeit ein. Für viele mechanische Gruppen sprach traditionell ihr geringer Wartungsaufwand, die meist einfache Reparatur und: der oft geringe Verschleiß.
So konstatierten unsere Tester nach einem RennRad-Dauertest der mechanischen Shimano-Dura-Ace-Gruppe: „Erfreulich ist der geringe Verschleiß. Nach jeweils 5000 Kilometern war eine neue Kette fällig, nach 15.000 Kilometern wurde ein Austausch der Kassette nötig und erst nach 30.000 Kilometern quittierte das große Kettenblatt seinen Dienst und bekam Zahnausfall.“
Leichteste Rennrad-Schaltung
Ein weiterer Vorteil der Mechanik: Diese ist die leichteste Art der Rennrad-Schaltung, da weder Akku noch zusätzliche Kabelkästen verbaut werden müssen. Zudem sind sie meist günstiger – nicht nur in der Anschaffung, soondern auch hinsichtlich der Ersatzteile und potenzieller Reparaturkosten. In unserem Test sind vier der günstigsten fünf Testräder mit einer mechanischen Gruppe ausgestattet. Der Schaltvorgang elektronischer Gruppen auf der anderen Seite ist teils schneller, sanfter, präziser.
Und: Der Fahrer braucht sich keine Gedanken zu machen, ob er nachjustieren muss, weil die Kette schleift. Dafür sorgt der Schaltmotor. Es wird automatisch die beste Kettenlinie gewählt, der bekannte „Zwischengang“ am Umwerfer muss nicht mehr bemüht werden. Auch wer mit voller Wattpower in die Pedale tritt, profitiert von einer einwandfreien Schaltung – etwa beim Bergauffahren. Zu den Nachteilen elektronischer Gruppen zählen neben dem Mehrgewicht und den Kosten auch die „Abhängigkeit“ von der Elektronik – das Aufladen und die teils etwas kompliziertere Wartung.
Race- vs. Komfort-Rennräder
Die Rennräder in diesem Testfeld reichen von enorm rennorientiert bis zu Komfort- und Langstreckenmodellen. Mechanische und elektronische Komponenten sind über dieses „Spektrum“ gleichmäßig verteilt. Zu den Race-Modellen zählen etwa das leichte Benotti Fuoco Disc und das Cube Litening C:68 Race. Letzteres ist ein Aero-Race-Modell – und gleichzeitig mit 7,72 Kilogramm eines der leichtesten Räder in diesem Testfeld. Beide Modelle überzeugen mit hochwertigen steifen Rahmen, einem direkten Handling, viel Agilität und sehr guten Beschleunigungswerten.
Eine klare Orientierung in Richtung Fahrkomfort ist hingegen etwa beim Trek Domane SL 6 und dem Cannondale Synapse festzustellen. Die Sitzposition ist auf beiden Modellen kaum gestreckt und leicht aufrecht. Beide Räder rollen auf 32 Millimeter breiten Reifen, die mit einem geringen Luftdruck gefahren werden können. Trek hat mit der IsoSpeed-Technologie, die das Sitzrohr und die Sitzstreben voneinander „entkoppelt“, zudem ein System entwickelt, das den Dämpfungskomfort deutlich erhöhen kann.
Ein „Sonderfall“ ist das neue Specialized Allez Sprint: Es ist das einzige Aluminium-Rahmen-Modell in diesem Testfeld – und ein echtes Race-Modell. Die Rahmensteifigkeit ist sehr hoch und steht den Carbon-Modellen kaum nach. Es ist zudem das einzige Rad in dieser Test-Kategorie, das mit einer Shimano-105-Gruppe ausgestattet ist. Am, mit seinem Preis von 5299 Euro, teuersten Rad des Testfeldes, dem Scott Addict RC 20, ist die neue Sram-Force-eTap-AXS-Gruppe verbaut, die im Testverlauf voll überzeugte. Die Entscheidung für eine elektronische oder mechanische Gruppe ist eine individuelle –und abhängig von den eigenen Prioritäten und dem Budget.
Diese Rennräder haben wir getestet
Marke | Modell | Preis | Prädikat |
Liv | Langma Advanced 1+ | 3299 Euro | Kauftipp |
Specialized | Allez Sprint Disc | 3300 Euro | |
Votec | VRC Pro | 3499 Euro | Allround-Tipp |
Benotti | Fuoco Disc | 3599 Euro | Kauftipp |
Fuji | Transonic 2.1 | 4199 Euro | |
Rose | Reveal Six Disc Ultegra | 4199 Euro | |
Cannondale | Synapse Carbon 2 RL | 4499 Euro | |
Trek | Domane SL 6 eTap | 4699 Euro | |
De Rosa | 838 | 4790 Euro | |
Cube | Litening C:68X Race | 4799 Euro | Race-Tipp |
Scott | Addict RC 20 | 5299 Euro |
Die ausführlichen Testberichte der Rennräder mit elektronischer oder mechanischer Schaltung lesen Sie in der RennRad 6/2022. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.
An diesem Test wirkten mit: Yannik Achterberg, David Binnig, Johann Fährmann, Daniel Götz, Michael Hempfer, Jan Zesewitz