Superfoods im Radsport: Spinat war gestern
Superfoods: Beeren, Samen, Wirkung, Alternativen
in Ernährung
Er hat ein hervorstehendes, sehr männliches Kinn, unverhältnismäßig gigantische Unterarme, jede Menge Tattoos und ist ein Prophet gesunder Ernährung: Popeye. Eine simple Dose Spinat verwandelt ihn in einen Supermann. So ähnlich würden sich wohl viele die Wirkung der modernen „Superfoods“ wünschen. Vor allem diejenigen, die daran verdienen.
Der Begriff Superfood ist rechtlich nicht definiert, theoretisch dürfte ihn McDonalds auf seine Burger-Verpackungen drucken. Das Oxford Dictionary definiert ein Superfood folgendermaßen: „ein nährstoffreiches Lebensmittel, das als für Gesundheit und Wohlbefinden besonders förderlich erachtet wird.“ Wikipedia ist da schon skeptischer, dort steht: „Superfood ist ein Marketingbegriff, der Lebensmittel mit angeblichen Gesundheitsvorteilen beschreibt.“
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Superfoods: Mehr als Marketing?
Chia-Samen, Goji Beeren und anderes exotisches Grünzeug kann man mittlerweile in den meisten Supermärkten kaufen. Wie die meisten Trends oder Hypes kommt auch die Superfood-Welle aus den USA, dem Land der grenzenlosen Vermarktungsideen. Schon 2009 verkündete die mal mehr, mal weniger schwergewichtige Talk-Moderatorin Oprah Winfrey ihr Diät-Wundermittel: Açaí-Beeren.
Dies war der Auftakt für eine von Medien befeuerte Kampagne von gewaltigem Ausmaß – seitdem wird alle paar Wochen über neue Wunder-Superfoods und ihre Wunderwirkungen berichtet. Hollywood- und andere Stars propagieren die verschiedenen Beeren, Samen und sonstigen Pflanzenteile als ihren Jung-, Schön- und Sexy-Brunnen.
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Effekt von Superfoods: Antioxidantien und oxidativer Stress
Der gängigste angepriesene Supereffekt der Superfoods: der Schutz vor oxidativem Stress. Enorme Mengen an enthaltenen Antioxidantien sollen die Zellen vor den sogenannten freien Radikalen schützen. Diese besonderen Sauerstoffatome können etwa die DNS in den Mitochondrien, den „Kraftwerken“ der Zellen, schädigen.
Das Schutzsystem des Körpers gegen die freien Radikalen bindet Antioxidantien ein. Dazu zählen zum Beispiel die Vitamine C und E, Selen, Beta-Carotin oder sekundäre Pflanzenstoffe. Enthält ein Lebensmittel einen hohen Anteil an Antioxidantien, ist es wertvoll für den Körper. Sollte man denken.
Kaum Beweise zur Wirkung von Superfoods
Zumindest liest und sieht man dies ständig in Erfahrungsberichten zur Einnahme diverser Superfoods. Oftmals ist dort dann auch die Rede von einem „sehr hohen ORAC-Wert“. Dieser Wert – in voller Länge „Oxygen Radical Absorbance Capacity“ – gibt an, wie viele freie Radikale pro Gramm Saft oder Frucht neutralisiert werden können. Das klingt gut.
Nur leider ist dieser Wert in diesem Zusammenhang irreführend. Er steht für eine chemische Reaktion im Labor, nicht für die Abläufe im menschlichen Körper. Aussagekraft: null.
Antioxidantien in Kapsel- oder Tablettenform eingenommen können nicht nur unwirksam sein, sondern sogar gesundheitsschädlich. Ausführliche Artikel zur Forschung über Nahrungsergänzungsmittel veröffentlichten wir bereits mehrfach in der RennRad.
Studien zum Superfood meist im Labor
Die meisten Publikationen zu den einzelnen Superfoods und ihren segensreichen Wirkungen stammen von kommerziellen Anbietern. Die Nährwertangaben variieren dabei oft stark zwischen den verschiedenen Firmen.
Die meisten der angeführten Studien wurden unter Laborbedingungen durchgeführt und ohne menschliche Probanden. Ihre Aussagekraft für die Effekte im Körper ist somit meist sehr gering. Der Rest der Artikel zum Trend besteht vorrangig aus Anekdoten und Erfahrungsberichten „begeisterter Anwender“.
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Superfoods: Nährstoffe ja, Wunderwirkung nein
Seriöse Übersichtsarbeiten zu den Wirkungen der Superfoods hat dagegen die Verbraucherzentrale NRW zusammengetragen. Das – salopp formulierte – Fazit: keine Wunder in Sicht, nirgends. Viele der Früchte oder Samen enthalten zwar wichtige Nährstoffe und können so zu einer gesunden Ernährung durchaus beitragen, doch für spezifische positive Effekte gibt es kaum Belege.
Häufig gibt es zu den meist sehr teuren exotischen Pflanzenteilen deutlich günstigere regionale Alternativen. Statt Chia-Samen kann man etwa zu Leinsamen greifen: viele Ballaststoffe, viel Eiweiß, viel geringerer Preis.
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Mögliche Schadstoffe bei Superfoods aus China
Zudem besteht bei den Superfoods das Risiko, auch Schadstoffe, die bei der Verarbeitung in Herkunftsländern wie China entstanden, mit aufzunehmen. Angela Clausen, Lebensmittel-Expertin der Verbraucherzentrale warnt: „Viele dieser Produkte, vor allem wenn sie aus Asien stammen, wie etwa die Goji-Beeren, sind mit Pestizid-Cocktails und Schwermetallen belastet. Auch wenn die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden: Gesund ist das eher nicht.“
Wie beim Thema Nahrungsergänzungsmittel kommt man auch hier wieder zur üblichen Erkenntnis: Es gibt keine Wundermittel. Der Weg zu Gesundheit und Leistungsfähigkeit besteht in einer ausgewogenen Ernährung.
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Gesunde Ernährung mit Obst und Gemüse
Zum Beispiel mit viel Obst und Gemüse. Pflanzenstoffe wie Polyphenole oder Flavonoide gelten als „Radikalfänger“. Besonders viele davon sind etwa in Zwiebeln, Schnittlauch, Kohl, Rettich, Nüssen, in Hülsen- und Zitrusfrüchten enthalten. Wertvolles Lykopin findet sich in Tomaten, Allicin im Knoblauch.
Gesunde Ernährung kann so einfach sein. Dazu braucht es keine exotischen Wunderzutaten.
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Acaí, Chia, Goji: Was sagt die Wissenschaft?
Açaí: Die kleinen Früchte stammen von der Kohlpalme, die vor allem am Amazonas wächst. Für den hohen Gehalt des Pflanzenfarbstoffs Anthocyan ist der Erntezeitpunkt entscheidend. Wegen der hohen Nachfrage werden die Früchte aber häufig zu früh geerntet. Açaí soll bei Herzproblemen, Erschöpfung und beim Abnehmen helfen. Der Saft enthält tatsächlich viele Mineralstoffe, doch dem Ruf der Superbeere wird die Frucht nicht gerecht. Der Gehalt an Antioxidantien ist nur in einem mittleren Bereich, geringer als in Blaubeeren oder manchen Traubensorten. Zu den Effekten existieren bisher nur wenig aussagekräftige Laborstudien. Alternativen: Brombeere, Aronia, Holunder- und Heidelbeeren, rote Trauben, Kirschen, Rotkohl.
Chia: Die Pflanze gehört zu den Lippenblütlern. Die Samen sollen Ballaststoff- und Eiweißbomben sein, die Verdauung fördern und beim Abnehmen helfen. Die empfohlene maximale Tagesmenge von 15 Gramm enthält tatsächlich sehr viele Ballaststoffe: 5,5 Gramm. Dazu 2,7 Gramm Omega-3-Fettsäuren – 20 Prozent Protein, 30 Prozent Fett. Eine Werbung mit positiven Effekten auf die Gesundheit ist verboten, da es dafür keinerlei Nachweis gibt. Studien, die einen Einfluss auf die Gewichtsreduktion untersuchten, kamen zu keinen Ergebnissen. Günstiger und ebenfalls reich an Omega-3-Fettsäuren und Ballaststoffen sind zum Beispiel Leinsamen, Rapsöl und Nüsse.
Goji: Dies sind die Beeren des Gemeinen Bocksdorn. Sie sollen die Zellen und das Immunsystem schützen und Energie spenden. Belegbare Studien dazu existieren nicht. Ihr Vitamin-C-Gehalt ist vergleichbar mit dem von frischen Erdbeeren – doch sie enthalten etwa zehnmal so viele Kalorien. Zudem wurden bei Untersuchungen hohe Belastungen mit Pestiziden festgestellt. Auch kann es zu Wechselwirkungen mit blutverdünnenden Medikamenten kommen.
Weitere Superfoods: Maqui und Noni
Maqui: Auch diese Beere wächst in Südamerika. Sie soll helfen, den Körper zu „entgiften“ und enorme Menge der antioxidativ wirkenden Anthocyane enthalten. Für diese Wirkung als „Radikalfänger“ im Körper gibt es keine Belege.
Noni: Der Saft wird aus den Früchten des Nonibaums gewonnen. Er soll gegen so ziemlich alle Zivilisationskrankheiten helfen, von Allergien bis zu Übergewicht und sogar gegen Krebs. Dafür soll vor allem der Wirkstoff „Xeronin“ verantwortlich sein. Bislang konnte nicht bewiesen werden, dass dieser überhaupt existiert. Ebenso wenig gibt es Belege für die gesundheitsfördenden Effekte des Nonisafts.
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Alternativen zu Superfoods: Leistungsfördernde Lebensmittel
Rote Beete: Zu den Wirkungen des Safts aus der roten Rübe auf die Leistungsfähigkeit gibt es bereits einige seriöse Studien. Nicht in allen wurden positive Effekte aufgefunden, aber in den meisten. Zum Beispiel in einer von Forschern der Universitäten Maastricht und Ontario durchgeführten, bei der Auswirkungen auf die Radleistung ermittelt wurden. Die Probanden, trainierte Radsportler, nahmen sechs Tage lang je 0,5 Liter Rote-Beete-Saft zu sich. Danach wiederholten sie ein zehn Kilometer langes Zeitfahren – signifikant schneller als nach einer Placebo-Gabe. Der Effekt ist wohl auf das enthaltene Nitrat zurückzuführen, das den Sauerstofftransport verbessern kann.
Hanfsamen: Die Profis des Teams Sky essen sie, im Müsli, Salat, Shake oder in einem Smoothie. Die Samen sind reich an hochwertigem Protein, Eisen und Magnesium. Studien zu den Effekten auf die Leistung sind Mangelware. Bereits 2004 wurde jedoch in einer Untersuchung festgestellt, dass Hanfsamen ein für den Körper optimales 3:1-Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren aufweisen.
Linsen: Forscher der Universität Sydney verglichen die Effekte von vier verschiedenen Nahrungsmitteln vor dem Training: Backkartoffeln, Sportgetränke auf Glukose-Basis, gekochte Linsen und Wasser. Ergebnis: Die Zeit auf dem Rad bis zur Erschöpfungsgrenze war nach der Linsenmahlzeit am längsten – 117 Minuten gegenüber 108 Minuten nach dem Sportgetränk und nur 97 Minuten nach den Kartoffeln. Das Glukose-Level im Blut war zudem um 20 Prozent höher als nach der Sportgetränk-Einnahme. Linsen enthalten viel Protein, langkettige Kohlenhydrate, Ballaststoffe und Eisen, das zur Hämoglobinbildung beiträgt. Aber: Natürlich sind solche Einzelstudien mit Vorsicht zu genießen. Gerade Linsen können auch schwer verdaulich sein.
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Auch Kurkuma und Johannisbeere fördernd
Kurkuma: Zu den Effekten der Gelbwurz gibt es viele Studien, die für Sportler positive Wirkungen belegen. In einer der Universität South Carolina stellten Forscher fest, dass nach der Gabe von Kurkuma die Entzündungsreaktionen in den Muskeln nach einer Ausdauereinheit innerhalb von 24 Stunden um mehr als 20 Prozent reduziert waren.
Schwarze Johannisbeere: Forscher der Universität Chichester ließen ihre Probanden nach einer siebentägigen Johannisbeerextrakt- beziehungsweise Placebo-Einnahme ein 16 Kilometer langes Zeitfahren bestreiten. Mit den Beeren waren die Sportler um bis zu 2,4 Prozent schneller. Der Effekt sei wohl auf die in den Johannisbeeren enthaltenen Polyphenole zurückzuführen. Aber: Wenngleich diese Studie bereits in Journals veröffentlicht wurde, so ist auch hier noch viel Forschungsarbeit zu leisten.