Vor Ort: Giro-Start in Israel
in Race
Es war eine Premiere: die erste Grand Tour, die außerhalb Europas auftritt – und zwar in einer Region, die Viele mit Krisen und Kriegen assoziieren: Israel. Hier, im heiligen, im umstrittenen Land, fanden die ersten drei Etappen des Giro d‘Italia statt. RennRad war vor Ort.
Die Eindrücke
Die Italienrundfahrt 2018 begann mit einem Zeitfahren in der heiligen Stadt. Die Strecke: verwinkelt, hügelig, technisch – 9,7 Kilometer durch Jerusalem. Start und Ziel: 300 Meter von der Stadtmauer entfernt, rund ein Kilometer von den heiligen Stätten dreier Weltreligionen. Das Ergebnis: ein Paukenschlag. Der Titelverteidiger nimmt seinen großen Konkurrenten um den Gesamtsieg viel mehr Zeit ab, als man es erwarten konnte. So verliert etwa Chris Froome mehr als 30 Sekunden auf den Sieger, Tom Dumoulin aus dem deutschen Team Sunweb. Fabio Aru (Astana) büßt mehr als 50 Sekunden ein. Extrem stark: der junge Deutsche, Maximilian Schachmann (Quick-Step Floors), der siebter wird – und sich das weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers holt. Top-Favorit Froome war zuvor beim Training auf dem anspruchsvollen Kurs zu Fall gekommen.
Shabbat nach dem Rennen
Nach der Etappe begann der Shabbat, der Feiertag. Die Stadt fährt sich herunter, die Geschäfte und Cafés sind geschlossen, keine Busse, keine Bahnen fahren. In schwarz gekleidete orthodoxe Juden strömen in die Altstadt, hin zur Klagemauer.
Der nächste Tag, der volle Kontrast: Tel Aviv ist im Vergleich zu Jerusalem 180-Grad-anders. Eine Stadt, die niemals schläft. Die jung ist, die Party macht. Die Strände sind voll, 31 Grad, Sonne. Nebenan, auf der Promenade am Meer kommt es zum Massensprint – nach einer flachen Etappe, die in der Hafenstadt Haifa im Norden gestartet worden. Der Sieger ist der Favorit für die Spints: Elia Viviani (Quick-Step). Den Zwischensprint hatte sich der Zweitplatzierte des Prologs gesichert, Rohan Dennis (BMC). Da er sich damit Bonussekunden sicherte, ist er der neue Gesamtführende. „Das habe ich meinem Team zu verdanken, da es mich perfekt zu dem Sprint abgeliefert hat“, sagte er im Ziel. Dumoulin und sein Sunweb-Team zeigten sich eher erleichtert darüber, das Führungstrikot nicht mehr in den eigenen Reihen zu haben – und damit weniger Verantwortung zu tragen und Arbeit übernehmen zu müssen.
Die Wüste
Tag drei: die Wüste. 229 Kilometer von Beer Sheva ans Rote Meer, nach Eilat. Durch die Negev. Doch die Fahrer haben Glück: Es ist kälter als erwartet, 28 Grad. An den Tagen zuvor waren es 38. Es gibt nicht viele Straßen hier, doch jene, die es gibt, sind neu und in gutem Zustand. Auf einer Autobahn geht es nach Süden, dann durch das Highlight der Negev: den Ramon-Krater, den größten Erosionskrater der Welt. Eine schnelle Abfahrt mit einigen Serpentinen. Am kurzen Anstieg auf der anderen Kraterseite kämpft die Spitzengruppe um die Bergpunkte. Mit dabei ist auch ein Fahrer, der schon am Vortag vorne vertreten war: Guillaume Beauvin, ein Kanadier aus dem heimischen Team Cycling Academy Israel. Das Team ist erst vier Jahre alt. Und schon beim Giro, mit einer Wildcard. Es ist das erste Profiteam aus Israel – und bringt die ersten beiden israelischen Fahrer an den Start einer Grand Tour.
Doch die Dreiergruppe wurde, wie erwartet, wieder eingeholt. Und es kam in Eilat zum Sprint – mit demselben Ergebnis wie am Vortag. Wieder siegte Elia Viviani nach einem spektakulären Sprint, in dem Sam Bennett aus dem deutschen Team Bora Hansgrohe eine extreme Kampflinie quer über die Fahrbahn fuhr, dabei aber dennoch übersprintet wurde. Nach dem Zieleinlauf kam die große Herausforderung. Eine logistische: der Transfer des ganzen Rundfahrttrosses nach Sizilien. Der Giro zieht nach Italien. Er wird spannend weitergehen.
Die große Reportage zum Giro in Israel finden Sie in einer der kommenden RennRad-Ausgaben.
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