Tour de France Femmes: Neustart
Tour de France Femmes: Etappen, Favoritinnen, Historie
in Frauen-Radsport
Acht Etappen, 1029 Kilometer und ein Finale an der Planche des Belles Filles: Das ist die Tour de France Femmes. Sie ist auch: ein Neustart. Bereits zwischen 1984 und 2009 wurde die Tour de France für Frauen, mit Unterbrechungen, ausgetragen. Nun ist sie wieder da. Mit mehreren Highlights. Eines davon ist der Anstieg zur „Planche“. Dessen Daten: sieben Kilometer, 508 Höhenmeter. Die Durchschnittssteigung: 8,7 Prozent. Das Startdatum: der 24. Juli – der Finaltag der Tour de France der Männer. Der Startort: Paris, am Fuße des Eiffelturms.
Allein zum Auftakt in Paris werden Millionen von Zuschauern erwartet, denn der Tagessieg wird auf den Champs-Élysées ausgetragen, wenige Stunden vor der Ankunft der Männer. Das Rennen wird, natürlich, live im Fernsehen zu verfolgen sein. Der Tour-de-France-Chef Christian Prudhomme nennt die neue Rundfahrt eine „Referenz für den Frauenradsport“.
Die Tatsache, dass am Tag des Männer-Finals gestartet wird, soll dem Rennen Rückenwind geben. „Die Medien können das Rennen so einfacher begleiten“, sagt Prudhomme. Die mediale Aufmerksamkeit für den Frauenradsport hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Der Sender Eurosport wird die Tour der Frauen live übertragen. Und auch der Spartensender ONE zeigt die Entscheidungen täglich live. Auch das Preisgeld fällt höher aus als bei den meisten Damen-Rennen üblich: Die Gesamtsumme der Preisgelder, die bei der Frauen-Tour ausgeschüttet werden, beträgt 250.000 Euro. Zum Vergleich: Die Siegerin des Klassikers Paris-Roubaix erhielt ein Preisgeld von 1535 Euro. Allein für die Gesamtsiegerin ist eine Summe von 50.000 Euro vorgesehen.
Aufschwung des Frauen-Radsports
Wobei es im Radsport üblich ist, alle bei einem Rennen eingefahrenen Preisgelder später nach einem bestimmten Schlüssel innerhalb des Teams – die Mechaniker, Köche, Betreuer, Trainer et cetera inkludiert – aufzuteilen. Dass die Tour de France Femmes wieder einen Platz im Kalender gefunden hat, wird allgemein begrüßt, bestätigt sich damit doch der Aufwärtstrend des internationalen Frauenradsports.
Dieser Aufschwung hat mit der Einführung der Women’s WorldTour weiteren Schub bekommen. „Auf allen Ebenen wie Infrastruktur, Teams und Leistungsdichte hat sich viel getan“, sagt die deutsche Bahn-Olympiasiegerin Lisa Brennauer, „aber wir sind noch nicht am Ziel angekommen.“ Dies zeigt sich beispielsweise am Durchschnittsgehalt der Fahrerinnen der WorldTour-Teams. Dieses ist in den vergangenen Jahren zwar gestiegen, zwischen 2020 und 2021 um 25 Prozent. Es liegt jedoch dennoch noch vergleichsweise niedrig. 2023 soll das Mindestgehalt auf das der Männer in der Pro Tour angehoben werden: auf 32.100 Euro jährlich.
Die mehr als 1000 Kilometer lange Strecke ist anspruchsvoll, doch die ersten Etappen-Profile sind überwiegend flach, sodass je mit Sprintentscheidungen zu rechnen ist. Von Paris aus führt die Strecke über die Champagner-Stadt Reims weiter nach Épernay, Troyes und Bar-sur-Aube. Weiter geht es durch die Vogesen ins Elsass, wo am vorletzten Tag die „Königsetappe“ ansteht. Während der siebten Etappe geht es über drei anspruchsvolle Berge: Beginnend mit dem Petit Ballon geht es anschließend sieben Kilometer bergauf zum Col du Platzerwasel. Am Schlussanstieg zum Grand Ballon könnte dann eine Vorentscheidung um den Gesamtsieg fallen. Die Daten des Anstiegs: 13,5 Kilometer, 902 Höhenmeter, 6,7 Prozent Durchschnittssteigung. An diesem Tag kann man die Tour verlieren – aber noch nicht gewinnen. Denn: Die finale Etappe wird kein „Schaulaufen“ wie im Rennen der Männer, sondern der Tag der Entscheidung. Sie endet mit einer Bergankunft an der legendären La Planche des Belles Filles.
Favoritinnen bei der Tour de France Femmes
Die fast schon „natürliche“ Favoritin auf den Gesamtsieg heißt: Annemiek van Vleuten. Die Niederländerin ist eine Berg-, Zeitfahr- und Rundfahrten-Spezialistin. Zweimal gewann sie allein die bis dato wichtigste Rundfahrt einer Saison, den Giro d’Italia Donne. Doch: Die dreimalige Weltmeisterin ist inzwischen 39 Jahre alt. Ob sie ihre Konstanz und Dominanz der vergangenen Saisons halten kann, wird einer der spannenden Fragen der Tour.
Zu den weiteren Favoritinnen zählen etwa Ashleigh Moolman-Pasio aus Südafrika, ihre Teamkollegin von SD-Worx, die Niederländerin Demi Vollering und die junge Italienerin Marta Cavalli. Die Tour de Femmes verspricht Action, Spannung – und eine, diesmal, lange Tradition.
Die Etappen der Tour de France Femmes
Etappennummer | Datum | Wo wird gefahren? | Streckenlänge |
1. Etappe | 24. Juli 2022 | Paris – Paris | 82 km |
2. Etappe | 25. Juli 2022 | Meaux – Provins | 135 km |
3. Etappe | 26. Juli 2022 | Reims – Épernay | 182 km |
4. Etappe | 27. Juli 2022 | Transfer nach Frankreich | |
5. Etappe | 28. Juli 2022 | Dünkirchen – Calais | 171,5 km |
6. Etappe | 29. Juli 2022 | Lille – Arenberg Porte du Hainaut | 154 km |
7. Etappe | 30. Juli 2022 | Binche – Longwy | 220,5 km |
8. Etappe | 31. Juli 2022 | Tomblaine – La Super Planche des Belles Filles | 176,5 km |
Tour de France Femmes: Historie und Anfänge
Die Geschichte der Tour de France Femmes reicht weit zurück: Bereits in den Achtzigerjahren rollte sie als Grande Boucle Féminine durch Frankreich. Bei ihrer Premiere siegte die US-Amerikanerin Marianne Martin. Sie war ursprünglich Leichtathletin, musste aber wegen Rückenproblemen mit dem Laufen aufhören – und wechselte zum Radsport. Bei der Tour-Premiere übernahm sie nach der 14. Etappe die Führung und verteidigte sie bis Paris erfolgreich. Dort stand sie Seite an Seite mit Laurent Fignon auf dem Podest, der die Tour de France der Männer gewonnen hatte.
So vielversprechend wie die Tour der Frauen begann, verlief sie auch in den Folgejahren. Dafür mitverantwortlich: die französische Ausnahme-Athletin Jeannie Longo und ihre italienische Kontrahentin Maria Canins. Die beiden lieferten sich fünf Jahre lang packende Duelle um den Gesamtsieg. Während Canins 1985 und 1986 das Gelbe Trikot nach Paris brachte und Longo jeweils auf den zweiten Platz verwies, drehte diese zwischen 1987 und 1989 das Ergebnis um und siegte jeweils vor der Italienerin.
Wenig Aufmerksamkeit
Zwischen zehn und 15 Etappen umfasste die Grande Boucle Féminine damals. Die Rundfahrt erreichte dennoch zu keinem Zeitpunkt die angestrebte Aufmerksamkeit – und wurde aufgrund von Rechtsstreitigkeiten und eines Sponsorenmangels 1990 und 1991 nicht ausgetragen. 1992 gab es einen Neustart-Versuch. Die Siegerin: die Niederländerin Leontien van Moorsel.
Mit den Jahren sank das Interesse der Sponsoren und potenzieller Etappenstädte, sodass sich die Zahl der Etappen immer weiter reduzierte. 2004 fiel die Rundfahrt erneut aus. Danach gab es noch einmal ein kurzes Aufflackern, ehe sie 2009, mit gerade einmal vier Etappen, ein letztes Mal rollte – und dann endgültig von der Bildfläche verschwand. Die Tour-Veranstalter der ASO hatten sich längst zurückgezogen und andere versuchten ihr Glück. Vergebens.
Die einzige deutsche Fahrerin, die sich bis dahin bei der Tour in Szene setzen konnte, war Judith Arndt: 2001 und 2003 wurde sie jeweils Gesamtdritte.
Eine neue Ära
Seit 2014 wurde im Rahmen der Frankreich-Rundfahrt jeweils das Eintagesrennen „La Course“ ausgetragen, das wieder unter der Federführung der ASO ausgerichtet wurde. Im ersten Jahr wurde das Rennen am Schlusstag der Tour auf den Champs-Elysées ausgefahren. Die Siegerin: Marianne Vos. Die Top-Athletin gewann La Course insgesamt zweimal. 2017 endete das Rennen mit einer Bergankunft am Col d’Izoard, im Jahr darauf erneut in den Alpen in Le Grand-Bornand. Sechsmal kam die Siegerin aus den Niederlanden: Zuletzt war es Demi Vollering aus dem Team SD-Worx, die im Juli 2021 in Landernau in der Bretagne triumphierte.
Jetzt ist „La Course“ wieder eingestampft und mit der „Tour de France Femmes“ beginnt eine neue Ära, die – hoffentlich – von längerer Dauer ist.
Dieser Artikel erschien in der RennRad 7/2022. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.