Unter Druck: Den richtigen Reifendruck finden
Reifendruck beim Fahrrad: Richtwert, Messung, Reifen
in Race
Leichtere Laufräder, ein aerodynamischerer Helm, weniger Körpergewicht: Watt lassen sich überall sparen, am Körper und am Rad. Ein entscheidender Faktor wird bei all der Konzentration auf Luftwiderstand und Schwerkraft aber oft vernachlässigt: der Rollwiderstand. Ihn zu optimieren, kostet weder Geld noch Aufwand. Ein Überblick für die Suche nach dem richtigen Reifendruck.
Nur ein Teil am Rad kommt mit der Straße in Berührung: die Reifen. Sie sind entscheidend für das Fahrverhalten. Komfort, Fahrsicherheit, Grip oder Pannenanfälligkeit stehen und fallen mit der Auswahl des Reifens. Auch der Gesamtwiderstand kann durch einen guten Reifen deutlich gesenkt werden, das bedeutet: mehr km/h bei gleicher Leistung. Am Reifen ist der Rollwiderstand entscheidender als das Gewicht und der Luftwiderstand.
Reifentests: Der Ablauf
Der italienische Reifenhersteller Pirelli arbeitet bei seinen Labortests mit der Universität Mailand zusammen. Zudem besitzen die motorsporterfahrenen Italiener eines der weltweit renommiertesten Labore. Eine Handling-Testmaschine etwa kann Kurvenfahrten auf rauem Untergrund nachbilden.
Besteht ein Prototyp die Labortests, wird eine erste Serie produziert, die dann auf dem eigenen Testparcours von fest angestellten Testfahrern unter realistischen, aber möglichst standardisierten Bedingungen gefahren wird. Zusätzlich setzt Pirelli auf das Feedback von Radprofis gesponserter Teams. Basis für diesen Artikel sind die Forschungserkenntnisse und Tests des Unternehmens.
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Empfehlungen für den richtigen Reifendruck von Pirelli
Für seinen 25 Millimeter breiten Allround-Reifen PZero Velo empfiehlt Pirelli folgende Richtwerte, je nach Körpergewicht des Fahrers. Für mehr Komfort am Vorderreifen 0,3 Bar weniger, für ein aggressives Fahrverhalten möglichst vorne und hinten den gleichen Druck, bei Nässe und Kälte vorne und hinten 0,3 Bar weniger.
Gewicht | Luftdruck |
Unter 48 Kilogramm | 6 Bar |
49 bis 56 Kilogramm | 6,3 Bar |
57 bis 63 Kilogramm | 6,7 Bar |
64 bis 72 Kilogramm | 7 Bar |
73 bis 86 Kilogramm | 7,3 Bar |
Mehr als 87 Kilogramm | 7,7 Bar |
Der Rollwiderstand: Walkwiderstand und Abrollwiderstand
Der Rollwiderstand besteht aus zwei Teilwiderständen: Der sogenannte Walkwiderstand steht für den Energieverlust durch die seitliche Verformung des gesamten Reifens beim Abrollen. Denn: Während der Fahrt bildet sich ständig eine Wulst, was zu Reibungsverlusten führt.
Auch in der Rollrichtung entsteht eine Wulst am Reifen, die immer wieder aufs Neue überwunden werden muss. Die zur Überwindung aufzuwendende Kraft wird als Abrollwiderstand bezeichnet.
Optimalen Reifendruck finden
Die Performance eines Reifens hängt in allen Faktoren maßgeblich vom Luftdruck ab. Der optimale Druck ist immer ein Kompromiss: Bei zunehmendem Luftdruck sinkt der Rollwiderstand, der Kurvengrip jedoch nimmt ab, weil die Haftungsfläche des Reifens geringer wird.
Ein sehr hoher Luftdruck schadet dem Komfort, ein zu niedriger Luftdruck sorgt für höhere Durchschlagsgefahr und erhöhten Reifenverschleiß. Ein zu hoher Druck kann jedoch die Pannenanfälligkeit erhöhen. Denn die Bodenkontaktfläche nimmt ab, die Gewichtskräfte wirken auf eine verringerte Fläche. Ein scharfkantiger Gegenstand drückt sich dann schneller durch.
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Rennradreifen: Welche Breite ist die richtige?
Rennradreifen werden immer vielfältiger – und vor allem breiter. Bis vor wenigen Jahren waren vorwiegend 19 bis 23 Millimeter dünne Reifen im Profipeloton zu finden. Heute sind 23, 25 oder 28 Millimeter breite Reifen gängig. Allgemein überwiegen die 25-Millimeter-Reifen.
Ein breiterer Reifen hat bei gleichem Druck einen geringeren Rollwiderstand als ein schmaler. Die Bodenkontaktfläche ist in Länge und Breite ausgeglichener. Beim schmalen Pneu ist sie deutlich länger als breit. Daher entsteht beim breiteren Reifen weniger Walkarbeit – das verringert den Widerstand.
Vorteil bleibt bei geringerem Luftdruck vorhanden
Kritiker argumentieren, dass breitere Reifen allerdings mit weniger Luftdruck gefahren werden und sich dadurch die Kontaktfläche vergrößert.
Doch auch bei weniger Luftdruck bleibt der Vorteil vorhanden. Komfort und Grip sprechen ebenfalls klar für breitere Reifen.
Reifendruck: Warum fahren die Profis schmale Reifen?
Warum aber fahren dann die Profis meist 23 bis 25 Millimetern „schmale“ Reifen? Weil ab einem gewissen Punkt die Nachteile überwiegen, welche ein breiterer Reifen mit sich bringt.
Denn er ist schwerer, etwas behäbiger im Lenkverhalten, und die Breite wirkt sich negativ auf den Luftwiderstand aus. Die 25-Millimeter-Version scheint für Straßenrennen der beste Kompromiss aller Faktoren zu sein.
Neue Technologien bei Rennradreifen
Entscheidend sind die neuesten technischen Entwicklungen mit Tubeless-Systemen und Scheibenbremsen. Sie beeinflussen die Anforderungen an die Reifen, deren mögliche Leistung sowie den optimalen Reifendruck – und sie machen neue Reifen-Konstruktionen möglich.
Speziell Carbonbremsfelgen erzeugen bei längeren Abfahrten eine extreme Hitze am Reifen – bis zu 200 Grad Celsius. Diese Temperaturen müssen die Felgen, und vor allem die Reifen, demnach aushalten können.
Tubeless-Systeme: Die Zukunft des Reifens?
Dafür werden in anderen Bereichen der Entwicklung eher Kompromisse eingegangen. Durch Scheibenbremsen fällt der Faktor Hitzeentwicklung weg. Ein weiterer Vorteil der Scheibenbremsen ist, dass dadurch mehr Variationen der Felgenbreite möglich werden. Eine breitere Felge wiederum lässt geringere Luftdruckverhältnisse zu.
Für viele Ingenieure gehört dem Tubeless-System die Zukunft: Hinsichtlich des Rollwiderstandes, des Gewichts und der erhöhten Pannensicherheit sind sie den Falt- und Schlauchreifen überlegen. Das Hemmnis ist bislang vor allem die Montage und die Alltagstauglichkeit.
Grundausstattung fürs Rennrad: Was braucht man wirklich?
Wovon ist der richtige Reifendruck beim Rennrad abhängig?
Der Reifendruck ist zunächst von der Beschaffenheit des Untergrundes, dann aber vor allem vom Fahrer abhängig. Der Druck sollte nicht nur an die Vorlieben des Fahrers, etwa das Ausmaß des Komforts, sondern besonders an das Körpergewicht und das Fahrverhalten angepasst werden. Interessant hierbei: Pirelli empfiehlt, besonders für Bergfahrten den Reifendruck vorne und hinten unterschiedlich zu wählen.
Als Beispiel: Der 62 Kilogramm leichte und besonders bergauf extrem explosive Alejandro Valverde wählt für Bergetappen am Vorderreifen einen erhöhten Luftdruck. Der Grund: Sein aggressives Fahrverhalten führt zu enormen Kraftentfaltungen am Kurveneingang, von denen besonders das Vorderrad betroffen ist.
Praxistipps: Reifen und Luftdruck
- Verschleiß am Reifen kann sich durch viele Faktoren bemerkbar machen. Deshalb gilt: Den Reifen regelmäßig auf Schnitte in der Lauffläche und an den Flanken überprüfen. Verschleißindikatoren der Hersteller beobachten (etwa runde Einkerbungen).
- Beim Kauf verstärkt darauf achten, welchen Verwendungszweck der Reifen vorrangig zu erfüllen hat. Die Unterschiede der Reifenmischungen und Wanddicken sind enorm.
- Den Luftdruck entsprechend der Fahrbahnbeschaffenheit anpassen. Bei gutem Asphalt kann mit mehr Druck gefahren werden, bei Kopfsteinpflaster ist weniger Druck ratsam.
- Bei Nässe den Reifendruck um etwa 0,5 bis ein Bar verringern. So hat man eine größere Auflagefläche in der Kurve und somit mehr Grip. Zudem gilt: Keine Angst vor Aquaplaning. Dieses Phänomen kann wegen der geringen Geschwindigkeit und der geringen Reifenbreite beim Rennrad nicht auftreten.