Dauersiegerin
Nicole Reist: Ultracyclist – die beste Extrem-Radsportlerin der Welt
in Race
Sie sitzt seit 16 Stunden auf ihrem Rad – und fährt mit 38 km/h durch die Dunkelheit. Es ist zwei Uhr nachts. Seit Stunden „liegt“ sie mit abgesenktem Oberkörper auf dem Zeitfahrlenker ihres Rades. Ihr Rennen begann in Francavilla – 500 Kilometer entfernt. Sie fährt durch Posticeddu, einen kleinen Ort an der italienischen Adriaküste, kurz vor Brindisi. Durch die Nacht. Gegen die Müdigkeit. Keine Ablenkung, keine Menschen, fast keine Autos. Monotonie. Bis eine Zehntelsekunde alles ändert. Ihr Vorderrad springt, ihre Hände verlieren den Halt am Lenker. Sie weiß, was passiert: In ein paar Hundertstelsekunden wird sie einschlagen, auf dem Boden, auf dem Asphalt. Sie hat überwachsene, längst unbenutzte Bahngleise übersehen, die quer über die Straße verlaufen. Flug. Aufprall. Ihre Hände schmerzen, als sie sich aufrichten will. Sie kann es nicht – der Schock ließ ihren Kreislauf absacken. Die Crewmitglieder stürzen aus dem Begleitfahrzeug und kümmern sich um sie. Ein paar Prellungen, ein paar Abschürfungen – sie ist nur leicht verletzt. Aber: Der Lenker ihres Zeitfahrrads ist gebrochen. Fünf Minuten nach ihrem Sturz steigt Nicole Reist auf ihr Ersatz-Rennrad – ein leichtes Bergrad – und fährt weiter. Mehr als die Hälfte des Rennens liegt noch vor ihr. Mehr als die Hälfte des „Adriatic Marathon“. Ihr Ziel: der Sieg.
Training und Rennen
Nicole Reist ist die erfolgreichste Extrem-Radsportlerin der Welt. Die 36-Jährige hat seit 2012 jedes Rennen, an dem sie teilnahm, gewonnen. Die Gründe für diese Erfolge: Ehrgeiz, Planung, Fleiß. Seit vielen Jahren sieht ein ganz normaler Tag bei ihr in etwa so aus: Um 1:30 Uhr nachts steht sie auf und beginnt mit ihrer ersten Trainingseinheit. Anschließend arbeitet sie von fünf bis 16 Uhr. Da sie für ihr „Hobby“, das Radfahren, etwa drei Monate im Jahr unterwegs ist, arbeitet sie in der übrigen Zeit bis zu zwölf Stunden am Tag.
Im Anschluss trainiert sie ein zweites Mal. Zwischen 19 und 20 Uhr legt sie sich schlafen. „Am Wochenende stehen längere Einheiten auf dem Programm, die bis zu zehn Stunden andauern. Aber dann kann ich dafür länger schlafen“, sagt sie. Freunde, Familie, andere Hobbys? „Dafür bleibt nicht viel Zeit.“ Mittlerweile haben ihre Familie und Freunde Verständnis für die strikte Aufteilung ihrer Tage. „Sie akzeptieren, wenn ich zum Beispiel nicht zu einer Geburtstagsfeier komme, weil ich trainiere.“ Seit 15 Jahren sieht so ihr Alltag aus.
Damals nahm sie spontan – und fast ohne Vorbereitung –an dem 24-Stunden-Radrennen von Schötz teil. Mit nur einem Ziel: durchhalten. Sie schaffte es. „Der Samen war gesät“, sagt sie heute. Sie beginnt zu trainieren, wird schnell immer besser – und 2007 Weltmeisterin. Beim Glocknerman in Österreich. Nach 1000 Kilometern mit 17.000 Höhenmetern.
Perfektionistin
Nicole Reist ist Perfektionistin. An jedem Detail eines Ultracycling-Rennens kann etwas verbessert werden: körperlich, mental und organisatorisch. Sie verbessert sich immer weiter. Doch es ist kein linearer Aufstieg: Rückschläge erlebt sie bei der Tortour 2010 und dem Race Around Austria 2011 – beide Rennen muss sie vorzeitig beenden. Es sind Tiefpunkte, die sie dazu nutzt, sich weiter zu verbessern. Das Training, die Vorbereitung, das Betreuer-Team, die Abläufe – alles wird immer weiter optimiert. Die Folge: Siege. Die Tortour, ein Rennen über 1000 Kilometer und 14.000 Höhenmeter in den Schweizer Alpen, gewinnt sie vier Jahre in Folge.
Ebenso oft gewinnt sie das 2200 Kilometer lange Race Around Austria. Während all dieser Jahre arbeitet sie auf ein größeres Ziel hin: das Race Across America – das für Viele wichtigste Ultracycling-Event der Welt. Doch: Die Teilnahme ist teuer. Die Kosten betragen zwischen 40.000 und 60.000 Schweizer Franken. Ihre Vollzeit-Festanstellung als Hochbautechnikerin in einem Architekturbüro in Zürich ist daher alternativlos. Sie arbeitet – und spart. Das Race Across America bleibt neun Jahre lang ein Traum. Ein Ziel, auf das sie hinarbeitet. Jeden Tag – ab 1:30 Uhr morgens.
Während der Arbeit und auf dem Rad, draußen und drinnen. Nachts und im Winter sitzt sie oft stundenlang auf ihrem Rad, ohne vorwärtszukommen: Sie trainiert zu Hause, auf einem Rollentrainer. Umgeben von Fotos, Pokalen und Postern mit Motivationssprüchen darauf. Auf einem davon sieht sie während der oft stundenlangen Trainingseinheiten ihr Lebensmotto stets vor sich. Es lautet: „Erfolg entsteht außerhalb der Komfortzone.“
Über Grenzen
Dort bewegt sie sich seit 15 Jahren. Auch während des „Adriatic Marathon“: Sie sitzt auf ihrem Ersatzrad – und versucht, die Schmerzen zu verdrängen. Zum Zeitpunkt ihres Sturzes lag sie auf dem dritten Platz. 700 Kilometer liegen bis zum Ziel in Francavilla noch vor ihr. Sie sucht – und findet – ihren Rhythmus. Die Straßen an der italienischen Adriaküste werden immer schlechter. Es wird dunkel. Sie muss sich konzentrieren – nach 30 Stunden auf dem Rad.
Auf solche Phasen, auf solche Situationen, ist sie vorbereitet: Sie trainiert sie. „Ich trainiere fast immer allein. Das gibt mir die Möglichkeit, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Im Training analysiere und reflektiere ich meine Gedanken: Wann denke ich was, was führt zu positiven und was zu negativen Gedankengängen? Was brauche ich zu welchem Zeitpunkt und wie können wir das auch in den Rennen gewährleisten?“ Sie fährt ihr Tempo –und hält es. An der letzten Zeitnahmestelle liegt sie auf Rang zwei. 169 Kilometer sind es von hier aus noch bis ins Ziel. Ein Sprint quasi. Je länger und bergiger ein Rennen wird, desto besser für sie.
Adriatic Marathon: Für Nicole Reist fast eine Kurz-Distanz
Die 1200 Kilometer des „Adriatic Marathon“ sind für sie fast schon eine Kurz-Distanz. Die bis dato längsten und bedeutendsten Rennen ihres Lebens waren rund viermal länger. Es waren Rennen quer durch ein ganzes Land, einen ganzen Kontinent: Es war das Race Across America – 4900 Kilometer, 55.000 Höhenmeter. 2016 erfüllt sie sich zum ersten Mal diesen Traum: Sie steht an der Startlinie, in Oceanside, Kalifornien, an der Westküste der USA, am Pazifik. Elf Tage, 14 Stunden und 25 Minuten später ist sie im Ziel –am Atlantik, in Annapolis, auf der anderen Seite der Vereinigten Staaten. Als Siegerin der Frauen-Wertung. Im letzten Abschnitt des Rennens kämpft sie immer wieder gegen den Sekundenschlaf.
An ihrem 32. Geburtstag erreicht sie das Ziel – das Ziel ihres Lebens. Es wird zu einem Teilziel: Nur sechs Wochen nach diesem Sieg steht sie bei ihrem Heimrennen, der Schweizer Tortour, am Start. Und gewinnt. In Rekordzeit. Die rund 1000 Kilometer und 14.000 Höhenmeter absolviert sie in 43:28 Stunden. Obwohl sie sich drei Wochen zuvor eine Steißbeinprellung zugezogen hatte. Obwohl ihr Oberkörper die Belastung des Wiegetritts kaum aushält. Sie, die wegen ihrer Fähigkeiten bergauf und ihrer leichten Statur den Spitznamen „Berggeiß“ verpasst bekommen hat, fährt im Sitzen über die Schweizer Alpenpässe: Und: Sie leidet. Mit jeder Kurbelumdrehung. Ihr Wille ist es, der sie ins Ziel trägt – und zum Sieg.
Auszeit
Schon 2016 ist sie an einem Punkt angelangt, an dem es eigentlich nicht mehr weitergeht – nicht mehr nach oben. Sie hat fast alles erreicht, was man im Extrem-Radsport erreichen kann: Sie ist Race-Across-America-Gewinnerin, Weltmeisterin, mehrfache Tortour- und Race-Around-Austria-Siegerin.
Nach der Tortour 2016 nimmt sie sich eine Auszeit. Nach dieser „perfekten Saison“, wie sie selbst sagt. „Ich habe mich gefragt: Was will ich? Wie geht es weiter?“ Sie benötigt einige Wochen, um sich selbst diese Fragen zu beantworten. Um den Fokus wieder in die Zukunft zu richten. Ihr Antrieb lässt gar nichts anderes zu als: neue Ziele, neue Verbesserungsmöglichkeiten. Ihr nächstes Ziel lautet: das Race Across America in weniger als zehn Tagen absolvieren.
2017 gewinnt sie erneut das Glocknerman-Rennen und damit die Ultraradmarathon-Weltmeisterschaft. Dann ein viertes Mal die Tortour und – eine Woche später – das Race Around Ireland, die Europameisterschaft im Ultracycling: 2150 Kilometer und 21.000 Höhenmeter rund um die Insel im Nordatlantik. Nach 112 Stunden erreicht sie das Ziel in Moynalty. Damit ist sie die Schnellste – nicht „nur“ der Frauen-Konkurrenz, sondern insgesamt. Der Zweitplatzierte und Sieger der Männer-Wertung, Valerio Zamboni, erreicht zwölf Stunden nach ihr das Ziel. „Um Siege geht es mir eigentlich nicht“, sagt Nicole Reist. „Durchhalten ist Kopfsache. Mir geht es nie darum, ob ich andere übertreffen kann. Ich will herausfinden, wo meine Grenzen liegen, und sie dann verschieben.“
Zweite Teilnahme am Race Across America
Es folgt: ihre zweite Teilnahme am Race Across America. Ein zweites Mal geht sie in Oceanside am Pazifik an den Start. Ein zweites Mal erlebt sie die extrem dünne Luft, den extrem langen Anstieg am Wolf Creek Pass in den Rocky Mountains, die extremen Temperaturunterschiede – 50 Grad in der Wüste Arizonas, null Grad in den Bergen Colorados. Ein zweites Mal sieht und spürt sie die Monotonie, die Eintönigkeit der Landschaft, der endlosen schnurgeraden Straßen des Mittleren Westens, in den unendlichen Great Plains.
Mit ihrer elfköpfigen Crew übersteht sie die Hindernisse, auch den Sturm und den Dauerregen in den Appalachen. Sie schläft insgesamt nur neun Stunden und absolviert durchschnittlich 500 Kilometer pro Tag. Ihre offizielle Zeit im Ziel in Annapolis: neun Tage, 23 Stunden, 57 Minuten. Weniger als zehn Tage. Nicole Reist hat, wie immer, ihr Ziel erreicht.
Österreich und Italien
Sie wird damit – hinter dem inzwischen sechsfachen RAAM-Sieger Christoph Strasser aus Österreich und Ralph Diseviscourt aus Luxemburg – Gesamtdritte. Und ist damit die zweite Frau überhaupt, die das Rennen in weniger als zehn Tagen absolviert – die Rekordzeit von Seana Hogan 1995 wurde auf einem etwa 300 Kilometer kürzeren Kurs mit weniger Höhenmetern aufgestellt. Zur Reflexion bleibt erneut wenig Zeit. Die nächsten Aufgaben warten.
2019 gewinnt sie den Glocknerman, das Race Around Austria und das Race Around France – alles in einem Zeitraum von drei Monaten. Im Jahr 2020 will sie den dritten Sieg beim Race Around America. Aufgrund der Corona-Pandemie verzichtet sie jedoch auf einen Start. Nur wenige Tage nach ihrer Entscheidung sagen die Veranstalter das ganze Event ab. Doch zwei andere Rennen in Europa sollen stattfinden. Für Nicole Reist ergibt sich damit die Möglichkeit, das RAAM zu „simulieren“. Ihr Plan: die Teilnahme am Race Around Austria, im Anschluss über Nacht nach Nizza fahren und dort das Race Across France absolvieren. Insgesamt entspräche dies einer Rad-Rennstrecke von 4800 Kilometern und 75.000 Höhenmetern. Es wäre ihre bislang größte Herausforderung.
Motivation und Ziele
Beim Start in St. Georgen im Attergau besteht dieser Plan noch. Zwei Tage später nicht mehr. Ihr Team entscheidet sich gegen eine Teilnahme am Race Across France.
Der Grund: Kurzfristig gaben die Veranstalter bekannt, dass ein Streckenabschnitt am Mont Ventoux und die Abfahrt von dessen Gipfel ohne ein Begleitfahrzeug absolviert werden müssten. „Wir können es einfach nicht verantworten, Nicole nach ihrer bereits absolvierten Leistung diesen Abschnitt allein fahren zu lassen“, sagt ihre Teamchefin Beatrix Arlitzer. „Diese kurvige Abfahrt auf einer schmalen Bergstraße hat es schon unter normalen Umständen in sich – mit Nicoles zusätzlicher Müdigkeit wäre das viel zu gefährlich.“
Stattdessen konzentrieren sich Reist und ihr Team auf das Rennen in Österreich. Ihr eigener Streckenrekord der Frauen-Klasse aus dem Jahr 2019 ist zur Rennhälfte noch in Reichweite – obwohl sie wegen des zu diesem Zeitpunkt noch geplanten Starts beim Race Across France zurückhaltender fährt. Die Bedingungen sind während dieser ersten 1000 Kilometer gut – es ist sonnig und nicht zu heiß. Zehn Teammitglieder kümmern sich während der Fahrt um die Athletin. Pausenzeiten sind ebenso durchgeplant wie die Ernährung.
Unterhaltung
Eine der wichtigsten Aufgaben des Teams lautet jedoch: Unterhaltung beziehungsweise mentale Beschäftigung beziehungsweise Ablenkung. Der Funkverkehr zwischen der Athletin auf dem Rad und den Teammitgliedern im Begleitfahrzeug ist ein permanenter: Wenn nicht gesprochen wird, läuft Musik – über das Funkgerät oder die Lautsprecher des Begleitwagens. Vorzugsweise Helene Fischer und andere Schlager- und Volksmusik. Das sei einfach, eingängig und lasse sich auch nach 35 Stunden auf dem Rad noch mitsingen, sagt Nicole Reist.
Durch die Gespräche mit ihr kann das Team reagieren, wenn der Schlafmangel zu stark wird, wenn Halluzinationen auftreten, wenn sie beginnt, Schlangenlinien zu fahren. Die Schlafpausen im Begleit-Wohnmobil sind kurz: Meist wird sie nach der ersten Tiefschlafphase geweckt – nach rund 45 Minuten. Nicole Reist kommt mit dem Schlafmangel gut zurecht. Nach einer solchen kurzen Pause fühlt sie sich „erholt“ – und bereit für die nächste 40-Stunden-Schicht auf dem Rad. Doch für einen neuen Streckenrekord beim Race Around Austria reicht es diesmal nicht, obwohl die Rennstrecke nun durch die Berge führt. Durch ihr Terrain. Es wird immer kälter und nasser. In den Alpen regnet es fast ununterbrochen. Die Temperaturen auf den Passhöhen der Silvretta, des Großglockners, des Kühtai: ein, zwei, drei Grad Celsius. Ihre Rekordzeit aus dem Vorjahr kann sie so nicht unterbieten.
Nicole Reist vs. Christoph Strasser
Auf den letzten 500 Kilometern entwickelt sich dennoch ein Duell: Nicole Reist gegen Christoph Strasser, die erfolgreichste Extrem-Radsportlerin gegen den erfolgreichsten Extrem-Radsportler. Frau gegen Mann. Schweiz gegen Österreich. Nicole Reist geht 24 Stunden vor Strasser ins Rennen, dennoch erwarten Beobachter, dass der Österreicher sie noch einholt. Doch sie bringt noch eine Stunde Vorsprung ins Ziel. „Der entscheidende Kampf im Ultra-Distanz-Radsport“, sagt sie, „ist nicht der gegen andere, sondern der gegen sich selbst.“
Wenige Wochen später geht sie in Italien an den Start, beim „Adriatic Marathon“. Die Daten: 1200 Kilometer und 7000 Höhenmeter. Nach 16 Stunden stürzt sie. Nach 36 Stunden liegt sie auf Rang drei. Nach 43:40:43 Stunden ist sie im Ziel. Als Siegerin. Mit einem neuen Strecken-Rekord – für die Frauen- und die Männer-Klasse.
Es ist ihr zweiter Gesamtsieg bei einem Ultradistanz-Radrennen. Ihr zweiter Sieg gegen die besten Männer. Wieder einmal hat sie ihre eigenen Grenzen getestet – und verschoben.
Die Athletin: Nicole Reist
Seit einem Jahrzehnt ist Nicole Reist die erfolgreichste Extrem-Radsportlerin der Welt. Die 36-Jährige lebt in Winterthur in der Schweiz und arbeitet als Hochbautechnikerin in einem Architekturbüro. Zusätzlich trainiert sie mehr als 40 Stunden pro Woche – oft auf der Rolle und auf den Passstraßen in ihrer Heimatregion. „Mich fasziniert das Zusammenspiel von Körper und Kopf, das notwendig ist, um solche Leistungen zu erbringen. Dazu kommt die Arbeit als Team, die hinter jedem meiner Erfolge steht. Ich trainiere zwar allein, doch meine Leistung kann ich nur dank meines Teams abrufen. Das treibt mich ebenso an – es ist sozusagen die intrinsische und extrinsische Motivation für mein Tun. Außerdem sehe ich es als ein großes Privileg, dass ich meine Leidenschaft auf diesem Niveau leben darf.“
Weitere Informationen finden Sie unter: www.nicolereist.ch
Die Erfolge der Nicole Reist
- 2x Race Across America 2016, 2018 | 5000 Kilometer
- 4x Glocknerman | Ultracycling-WM 2007, 2014, 2017, 2019 | 1000 Kilometer
- 4x Race Around Austria 2012, 2013, 2019, 2020 | 2200 Kilometer
- 4x Tortour | Schweizer Meisterschaft 2014, 2015, 2016, 2017 | 1000 Kilometer
- 2x Race Across France 2018, 2019 | 2500 Kilometer
- 1x Gesamtwertung Race Around Ireland 2017 | 2100 Kilometer
- 1x Adriatic Marathon 2020 | 1200 Kilometer
Race Around Austria: Taktik und Schlaf
Nicole Reist begann das Race Around Austria 2020 mit „angezogener Handbremse“, da sie damit rechnete, direkt im Anschluss das Race Around France zu absolvieren. Erst nach der Hälfte des Rennens traf ihr Team die Entscheidung, die Teilnahme an dem Rennen in Frankreich abzusagen. An den Plänen für die Schlafpausen änderte das nichts: Insgesamt legte sie zwei Schlafpausen ein, die erste nach 40 Stunden und 950 Kilometern auf dem Rad. Sie schlief insgesamt zweimal für 45 Minuten.
Zum Vergleich: Der Sieger der Gesamtwertung, Christoph Strasser, schlief im Laufe des Rennens insgesamt 70 Minuten. Er war allerdings einen Tag weniger unterwegs. Ihren eigenen Rekord aus dem Vorjahr verpasste sie dennoch um einige Stunden.
Der Hauptgrund war ein Wetterumschwung: Gerade im Hochgebirge und im letzten Drittel des Rennens wurde es kälter und sehr regnerisch. Dennoch gewann sie konkurrenzlos zum vierten Mal das Race Around Austria – und kommt in dem stark besetzten Teilnehmerfeld insgesamt auf Rang fünf.
Kilometer | 2200 |
Höhenmeter | 34.000 |
Gesamtzeit | 4 Tage 10 Stunden 18 Minuten |
Durchschnittsgeschwindigkeit | 20,4 km/h |
Adriatic Marathon
1200 Kilometer | 7000 Höhenmeter
„Die Umstände dieses Rennens waren sehr erschwert. Normalerweise bereite ich mich mehrere Monate sehr akribisch auf ein solches Rennen vor. Doch die Entscheidung, den Adriatic Marathon zu fahren, fällte ich diesmal erst drei Wochen vor dem Start. Nachdem mein Plan A – die Teilnahme am Race Around France – nicht umsetzbar war, ich mich jedoch in einer Topform befand, wollte ich diese nutzen und noch ein Rennen fahren.
Der Adriatic Marathon entspricht nicht meiner Stärke – den Bergen –, da seine Strecke mit nur 7000 Höhenmetern auf 1200 Kilometern verhältnismäßig flach ist. Doch genau diese Herausforderung wollte ich annehmen und konnte auf ein hochmotiviertes und professionelles Team im Rücken zählen. Leider hatte ich etwa 16 Stunden nach dem Start einen schweren Sturz. Ich übersah überwachsene Bahngleise und es schlug mir die Hände vom Lenker, sodass ich in die Leitplanke flog. Das Zeitfahrrad war somit für dieses Rennen Geschichte.
Zum Glück konnte ich mit den Verletzungen und den damit verbundenen Schmerzen umgehen und das Rennen nach einer kurzen Pause fortsetzen. Nach diesem Ereignis kämpften das Team und ich uns gemeinsam Kilometer für Kilometer Richtung Ziel. Die größten Probleme im weiteren Verlauf des Rennens: die sehr schlechten Straßenverhältnisse und teilweise auch der Verkehr im Nachtleben von Italien. Mit einem Zielsprint holte ich alles aus mir heraus, was irgendwie möglich war, und konnte im Ziel den Overall-Sieg und den ersten Streckenrekord einer Frau bei einem Ultracycling-Rennen feiern.“
Startort | Francavilla |
Datum | 18. September 2020 |
Website | www.adriaticmarathon.com |
Dieser Artikel erschien in RennRad 3/2021. Hier können Sie die Ausgabe als E-Paper oder Printmagazin bestellen.