Michael Strasser: Bis ans Ende der Welt
Weltrekordhalter Michael Strasser: Training, Pacing und Ernährung
in Race
Ein allerletzter Anstieg. Mit allerletzter Kraft. Die Straße, die vor ihm liegt, ist schneebedeckt und führt bergan. Acht, neun, zehn Prozent. Es schneit. Der Oberkörper von Michael Strasser wiegt hin und her. Sein Tritt ist schwer. Die Schneeflocken treffen sein Gesicht. Darin erkennt man: die Müdigkeit, den Schmerz, die Anstrengung von mehr als 22.600 Kilometern.
Michael Strasser hat seit 24 Stunden nicht mehr geschlafen. Seine Augen sind zu Schlitzen verengt. Sie suchen Halt und Orientierung in diesem Sturm. Das hier ist das Ende. Das Ende der Welt. Das Ende eines gigantischen Projekts. Die letzten Höhenmeter von insgesamt 168.504. Die letzten Kilometer von fast 23.000. Amerika von Nord nach Süd. Von Alaska nach Patagonien: vom Eis ins Eis. Das Projekt heißt „Ice2Ice“.
Michael Strasser: Kampf gegen die Grenze des Möglichen
Michael Strasser kämpft gegen die Elemente. Gegen die Zeit. Gegen die Grenzen des Möglichen. Extremsportler bewegen sich stets an Grenzen, weil sie sie verschieben wollen. Mit einem Plan, mit Training, mit viel Fleiß und Talent.
Im Erfolgsfall bedeutet das Überschreiten der Grenzen einen neuen Rekord. Michael Strasser ist aufgebrochen, um den aktuellen Weltrekord für die schnellste Amerika-Durchquerung von Nord nach Süd zu zertrümmern. Er wird die Grenzen des Machbaren neu ziehen.
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Michael Strasser und das Ziel Weltrekord
Er wird die Bestmarke von 99 Tagen deutlich verbessern. Der Brite Dean Stott hat sie erst im Mai 2018 aufgestellt. Michael Strasser wird schneller sein, egal wie lange das Finale in Feuerland noch dauern wird.
Das Wetter wird ihn nicht brechen. Kälte, Regen, Schnee und Gegenwind sind lediglich die Statisten in diesem finalen Akt.
Es ist Tag 85 seines Weltrekord-Projekts. Er beginnt wie der Plot zu einem Actionfilm: Dunkle Wolken türmen sich am Himmel auf. Strasser kriecht ein letztes Mal aus seinem Schlafsack. Im Dunkeln tastet er nach seiner Kleidung. Die Radhose und das Trikot sind noch feucht vom Vortag. Sein Körper ist gezeichnet: Der Hintern ist wund. Der Rücken schmerzt. Jede Minute im Sattel tut weh.
Michael Strasser wirkt an diesem 16. Oktober 2018 wie ein Kämpfer, der in seine letzte Schlacht zieht: in den Kampf gegen sich selbst – und gegen die Monotonie. Das große Finale nach bislang 84 Tagen auf dem Rad wird 460 Kilometer dauern. So weit ist es, bis zum Ziel. Dem Ende der Welt.
Michael Strasser: Selbstbewusstsein, Überzeugung
Vorher wird der 35-Jährige noch sagen: „Ich bin in Österreich geboren. Für mich ist es normal, im Schnee, bei starkem Wind oder Temperaturen unter null Grad zu fahren.“ Das sind seine Worte – voller Selbstbewusstsein, voller Überzeugung.
Doch auch ein moderner Rekordjäger ist nicht frei von Zweifeln: „Wie weit kann ich heute gehen? Wie stark sind meine Schmerzen?“
Michael Strasser hat Zeit, sehr viel Zeit, während der 460 Kilometer darüber nachzudenken. Er richtet diese Fragen immer wieder an sich selbst. Sie sind Teil seiner Strategie, um sich selbst abzulenken. Vom Schmerz, von der Monotonie, vom schlechten Wetter.
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Extrem-Radsport: 23.000 Kilometer durch Amerika
Fast 23.000 Kilometer durch Amerika. Das ist extrem. Michael Strasser zählt zu den bekanntesten und besten Extrem-Radsportlern der Welt.
Er hält bereits den Weltrekord für die schnellste Afrika-Durchquerung von Nord nach Süd – von Kairo nach Kapstadt. Für die 11.500 Kilometer und 70.000 Höhenmeter benötigte er 2016 nur 34 Tage, elf Stunden und zehn Minuten. Die Strecke von Alaska nach Patagonien ist nahezu doppelt so lang. Das Ausmaß ist gigantisch.
Die Panamericana ist das einzige Straßensystem der Welt, das zwei Drittel der Erde von Nord nach Süd durchzieht.
Weltrekord: Michael Strasser über Motivation, Ernährung und Vorbereitung
Am 24. Juli brach der 35-jährige Strasser in Prudhoe Bay in Alaska auf, um den Weltrekord für die schnellste Nord-Süd-Durchquerung Amerikas zu brechen.
Wie motiviert man sich über einen so langen Zeitraum? Woher kommt die Kraft, der Wille, immer weiterzufahren? Wie ernährt man sich bei einem Weltrekord-Versuch? Welche Vorbereitung ist nötig? Wie oft denkt man bei einem Weltrekord-Versuch ans Aufhören? All das hat Strasser für sich selbst beantwortet. Nun teilt er die Erkenntnisse.
„Auf dem Rad versuche ich, mich selbst zu überlisten. Ich denke nicht an die 23.000 Kilometer, die vor mir liegen – sondern nur an die nächsten 100.“
Dies ist ein Auszug aus der vollständigen Reportage über Michael Strassers Weltrekord. Wie es in der Story weitergeht, Daten zu der Weltrekord-Fahrt, Trainings- und Ernährungstipps von Strasser gibt es in der RennRad-Ausgabe 1-2/2019. Jetzt am Kiosk kaufen oder online bestellen!