Mathieu van der Poel, Porträt, Radsport
Mathieu van der Poel: Radsport-Talent im Porträt

Mathieu van der Poel: Mister Future

Mathieu van der Poel: Radsport-Talent im Porträt

Er hat einen großen Namen – und eine große Zukunft: Mathieu van der Poel siegt auf dem Cyclocrosser, dem Mountainbike und dem Rennrad. Er ist das größte Versprechen des Radsports.
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Er liegt auf dem Boden, krümmt sich, das Gesicht schmerzverzerrt. Irgendwann steht er wieder auf – und steigt aufs Rad. „Das war es“, dachte man als Zuschauer vor dem Fernseher. Doch der Gestürzte kam zurück, er kämpfte sich nach vorne, attackierte. Und wurde am Ende Vierter der Flandernrundfahrt. Bei seiner ersten Teilnahme, bei seinem ersten ganz großen Klassiker. „Er ist die Zukunft“, sagt der Ex-Tour-de-France-Sieger Bradley Wiggins über ihn. „Er wird dieses Rennen gewinnen, genau wie es sein Vater getan hat.“

Der Name dieses Fahrers ist ein großer: van der Poel. Adrie van der Poel gewann die Flandernrundfahrt 1986. Viel spricht dafür, dass sein Sohn Mathieu ihm nachfolgen kann. Ende April tat er es bereits, bei einem anderen Klassiker: dem Amstel Gold Race. Er war bereits geschlagen, um eine Minute zurück, doch auf der Zielgeraden führte er seine Gruppe wieder an die Spitzengruppe heran, lancierte einen 400-Meter-Sprint – und gewann. Um das Phänomen „MVP“, wie er in Belgien und seiner Heimat, den Niederlanden, genannt wird, zu verstehen, kann man Zahlen anführen. Zum Beispiel: 32. So viele Rennen fuhr er in der Saison 2012/2013, damals noch in der Juniorenklasse. Die Zahl seiner Siege: 32. Was van der Poel so einzigartig macht, ist seine Vielseitigkeit: Er kann alles. Die Zahl seiner Junioren-WM-Titel: drei, zwei gewann er auf dem Crossrad, einen auf dem Rennrad. 2015 wurde er zum ersten Mal Cyclocross-Weltmeister der Elite, mit nur 20 Jahren. In diesem Winter gewann er die Crossrennen fast nach Belieben und wiederholte seinen Triumph. Nach einer kurzen Wettkampfpause ist er in die Straßensaison gestartet.

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Sport-Gene

Mit Erfolg: Er feierte bei den Dwars Door Vlaanderen seinen ersten WorldTour-Sieg, gewann den Grand Prix de Denain, war Vierter bei Gent-Wevelgem und der Flandern-Rundfahrt. „Der Sturz 50 Kilometer vor dem Ziel war großes Pech, weil er ausgerechnet dann passierte, als vorn die Post abging“, sagt er. Danach schaffte er den Anschluss an die Spitzengruppe, doch als der spätere Sieger Alberto Bettiol 16 Kilometer vor dem Ziel attackierte, konnte van der Poel nicht mehr mitgehen. Und: Der Defekt, der dem Sturz vorausging, war wohl selbst verschuldet.

Der Kommentar seines Vaters Adrie: „Nächstes Mal.“ Adrie van der Poel war in den achtziger und neunziger Jahren ein gefeierter Radprofi – neben der Flandernrundfahrt gewann er unter anderem Lüttich-Bastogne-Lüttich und das Amstel Gold Race. Er trug das Gelbe Trikot der Tour de France und – wie aktuell sein Sohn – das gestreifte Trikot des Cross-Weltmeisters. Doch nicht nur väterlicherseits hat Mathieu Sportgene geerbt, sondern auch mütterlicherseits. Denn seine Mutter ist die Tochter eines berühmten Radsportlers: Raymond Poulidor. Er ist einer der populärsten Rennfahrer Frankreichs. Zwischen 1962 und 1976 stand er achtmal auf dem Podest der Tour de France, gewonnen hat er sie nie. Auch das Gelbe Trikot durfte er – im Gegensatz zu seinem Schwiegersohn Adrie – nie tragen. Aber gerade deshalb lieben ihn seine Landsleute.

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Die Franzosen haben ein großes Herz für „Verlierer.“ Wobei es vermessen ist, ihn so zu nennen. Poulidor hat viele große Rennen gewonnen: Mailand-Sanremo, Paris-Nizza, die Spanien-Rundfahrt. Wo immer der heute 83-Jährige auftaucht, wird er gefeiert. Und wie zum Trotz trägt Poulidor stets ein gelbes Polohemd. Seine Enkel wurden beide Radfahrer: David, geboren 1992, und Mathieu, Jahrgang 1995. Auch David ist als Querfeldein-Fahrer unterwegs, doch er musste früh erkennen, dass sein Bruder das größere Talent ist. „Mathieu wagt mehr als ich“, sagt David. „Er sitzt anmutiger im Sattel und kann schneller klettern. Er ist einfach der Bessere von uns beiden.“

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Mathieu van der Poel: Multi-Talent

Die Karriere seines Enkels verfolgt Raymond Poulidor mit großem Interesse. Die beiden haben ein inniges Verhältnis, auch wenn die Poulidors in Frankreich und die van der Poels in Belgien leben. „Mathieu ist ein Phänomen, sein Talent ist gewaltig. Und er hat einen starken Charakter, seine Pläne umzusetzen. Vielleicht kann er einmal die Tour de France gewinnen.“ Das Einzige, was Mathieu van der Poel bisher stoppen konnte, war eine größere Blessur: Bei einem Sturz während der Tour de l’Avenir 2015 verletzte er sich schwer am Knie und musste mehrere Monate lang pausieren. Die folgende Cross-Saison musste er abhaken. Im Winter 2017 war er nach einem weiteren Sturz und einer neuerlichen Knieverletzung wieder gezwungen, länger pausieren.

Das war extrem schwierig für einen jungen Rennfahrer, der von frühester Jugend an von Erfolg zu Erfolg fuhr, dessen Karriere immer nur nach oben ging. „Als ich anfing, Rennen zu fahren, war das alles ein großes Abenteuer. Aber ich habe auch gelernt, auf meinen Vater zu hören, der mir ein guter Lehrmeister war“, sagt Mathieu van der Poel. „Inzwischen bin ich alt genug, meine eigenen Entscheidungen zu treffen.“

Mathieu van der Pol hat „ein tolles Gespür für die Rennen“

Marianne Vos, wie van der Poel ein Multitalent auf dem Rad, bewundert ihren Landsmann für sein Talent, aber mehr noch für seine Disziplin. „Mathieu hat ein tolles Gespür für die Rennen, und es sieht aus, als fiele ihm alles leicht. Aber er trainiert viel. Er macht einen harten Job, und das zahlt sich aus. Man sieht es an den Resultaten.“ Marianne Vos ist eine von sehr wenigen Athletinnen, die auf dem Rennrad, dem Cyclocrossrad und dem Mountainbike erfolgreich sind. Bei den Männern gibt es nur einen Menschen, der alle drei Disziplinen auf Weltklasseniveau beherrscht: Mathieu van der Poel. Vor zwei Jahren startete er beim Mountainbike-Weltcup-Auftakt in Nove Mesto und fuhr sich aus Startposition 90 auf den achten Platz.

Vier Tage später gewann er, wieder auf dem Rennrad, die zweite Etappe der Belgien-Rundfahrt im Zweiersprint vor dem Superstar Philippe Gilbert – und wieder drei Tage später duellierte er sich beim Mountainbike-Weltcup in Albstadt mit dem Dominator und Weltmeister Nino Schurter um den Sieg.

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Teilnahme an Olympia „mein größtes Ziel“

Der Schweizer, der in jener Saison alle Weltcups gewinnen konnte, sagte später: „In keinem anderen Rennen fühlte ich mich so bedroht.“ Für van der Poel war dieser zweite Platz ein weiterer Beweis seiner Vielseitigkeit und seines großes Talents. Dementsprechend heißt eines seiner großen Ziele: das Mountainbike-Cross-Country-Rennen der Olympischen Spiele von Tokio im kommenden Jahr. „Die Teilnahme an den Olympischen Spielen ist mein größtes Ziel“, sagt van der Poel. „Und da Querfeldein nicht olympisch ist und wir in den Niederlanden über einige gute Straßenfahrer verfügen, sehe ich meine größte Chance auf einen Startplatz im Mountainbike. Meine Starts bei den Weltcups haben mir gezeigt, dass ich auf dem Mountainbike recht gut unterwegs bin, obwohl ich mich bisher nicht sehr speziell vorbereiten konnte.“ So wie er sich auf dem Rennrad präsentiert, zählt er auch auf dieser Radgattung zu den stärksten Eintagesfahrern der Welt. Denn er vereint nicht nur eine enorme Fahrtechnik, Tempohärte und Kletterfähigkeiten nein, er ist zudem auch ein extrem schneller Sprinter.

So behauptete er sich im Vorjahr etwa gegen eine Übermacht der WorldTour-Profis und wurde als Einzelkämpfer niederländischer Straßenmeister. Zudem wurde er 2018 Vize-Europameister. Van der Poel hat gezeigt, dass er bei den Klassikern bestehen kann. Mit einer Körpergröße von 1,85 Metern und einem Gewicht von 74 Kilogramm hat er ideale Voraussetzungen für die schweren He­rausforderungen in Flandern und in den Ardennen. Sein Sportlicher Leiter Christoph Roodhooft sieht aber noch mehr in ihm: „Mathieu ist ein Fahrer, der auch einmal die Tour de France beherrschen kann.“ Er könnte vielleicht das schaffen, wovon sein Großvater Raymond Poulidor sein Leben lang geträumt hat.

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Wo unterschreibt Mathieu van der Poel?

Angesichts dieser Aussichten, dieser Leistungen, dieses Talents wird es eine der spannendsten und entscheidendsten Fragen des Profiradsports werden: Wo unterschreibt MVP? Für welches WorldTour-Team wird er fahren? Für wen wird er siegen? Noch startet er für das kleine „Zweitliga-Team“ Corendon-Circus. Doch es gibt wohl keinen Teammanager, der ihn nicht liebend gern verpflichten würde. Van der Poel ist der Neymar des Radsports.

Bereits um seinen „ewigen Rivalen“ bei den Crossrennen, den Belgier Wout van Aert, haben viele Teams geworben. Van Aert ist zu dieser Saison komplett auf die Straße gewechselt – und zählt bereits jetzt zu den stärksten Klassikerspezialisten. Doch als Patrick Lefevere, der Teamchef von Deceuninck-Quick-Step, darauf angesprochen wurde, welchen der beiden Cross-Stars er lieber in seiner Mannschaft hätte, antwortete er: „Ich würde mich für van der Poel entscheiden, da er mehr der Siegertyp ist. Er hat einen größeren Killerinstinkt auf dem Rad.“

Power: Watt-Daten – Amstel Gold Race Leistung von Mathieu van der Poel

  • Durchschnittliche Leistung: 278 Watt – 3,7 W/kg
  • Gewichtete Leistung: 337 Watt – 4,5 W/kg
  • Maximale Leitung: 1400 Watt
  • Durchschnittliche Herzfrequenz: 140 Schläge pro Minute
  • Maximale Herzfrequenz: 197 Schläge pro Minute
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