Kämpferin
Kristina Vogel: Die Olympiasiegerin nach ihrem folgenschweren Unfall
in Race
Es war ein normaler Tag, einer wie jeder andere: Kristina Vogel, die erfolgreichste Bahnsprinterin der Welt, trainierte auf dem Holzoval von Cottbus. Doch dann prallt die 27-Jährige mit voller Geschwindigkeit auf einen jungen Rennfahrer, der aus dem Stand trainieren wollte.
Später stellte sich heraus: Sie erlitt dabei eine schwere Wirbelsäulenverletzung. Nach der Erstversorgung wurde sie nach Berlin in ein Unfallkrankenhaus geflogen, noch in der Nacht notoperiert und seitdem dort intensivmedizinisch versorgt. „Zum vollen Umfang der Verletzung kann man seriös noch nichts sagen. Da muss man abwarten und den Ärzten die Zeit geben. Es braucht Geduld,“ erklärte ihr Manager Jörg Werner.
Kristina Vogel nach Unfall im Fokus der Öffentlichkeit
Kristina Vogels Familie hat um Zurückhaltung gebeten und wird sich zu gegebener Zeit über das Management und den Bund Deutscher Radfahrer äußern. Die Medien halten sich weitestgehend daran. Aber nicht alle. Denn plötzlich ist der Bahnradsport auch für Journalisten interessant, die noch nie einen Fuß auf eine Radrennbahn gesetzt haben.
Weil Kristina Vogel die schnellste Frau der Welt auf dem Rad ist, weil sie eine Story wittern.
Kristina Vogel und Maximilian Schachmann sind Radsportler des Jahres 2018!
Kristina Vogel hat eine Unfall-Historie
Vor neun Jahren war die Erfurterin schon einmal schwer verunglückt. Damals nahm ihr ein Zivilfahrzeug der Polizei die Vorfahrt und rammte sie vom Rad. Sie erlitt schwere Verletzungen und lag zwei Tage lang im Koma. Doch sie kämpfte sich zurück und ist inzwischen zweifache Olympiasiegerin und elffache Weltmeisterin. Auf diese Kämpfernatur hoffen nun alle, die Kristina Vogel kennen. Sie wünschen ihr, dass sie erneut den Weg zurück ins Leben findet. Ihr Team Erdgas 2012 hat eine Crowdfunding-Aktion ins Leben gerufen. Unter dem Hashtag #staystrongkristina wird auf das Projekt aufmerksam gemacht und Spendengeld gesammelt.
Olympischer Sportbund spendet 10.000 Euro für Kristina Vogel
Der Deutsche Olympische Sportbund hat 10.000 Euro eingezahlt, die Sportlerinnen und Sportler, die am Cottbuser Sprinter-Grand-Prix teilnahmen, haben ihr Preisgeld gespendet. Weitere Hilfsaktionen werden folgen. Die Teilnahme am Bahnrennen in Cottbus wenige Tage nach dem Unglück war für die deutschen Bahnrad-Sportler freiwillig.
Alle Inhalte der RennRad-Ausgabe 09/2018 auf einen Blick!
Kristina Vogel: Freunde und Kollegen sind bei ihr
Die meisten gingen an den Start. „Es ist ein Stück Verarbeitung – gezwungenermaßen“, sagte Maximilian Levy, einer der Großen des deutschen Bahnsports und ein enger Freund Kristina Vogels. „Es war, als wäre Kristina bei mir gewesen“, sagte er nach seinem Bahnrekord. „Ich bin in Gedanken bei ihr und hoffe, dass alles gut verläuft. Wir müssen abwarten, was passiert. Kristina ist eine absolute Kämpferin und ein positiver Mensch. Sie ist schon einmal nach einem schweren Unfall zurückgekommen“, äußerte sich Vogels langjährige Wettkampfpartnerin Miriam Welte, mit der sie 2012 ihr erstes olympisches Gold im Teamsprint gewann.
Und Pauline Grabosch, mit der Kristina Vogel in Cottbus gemeinsam trainierte, als sich der Unfall ereignete, ließ wissen: „Es gibt keine Worte, welche die jetzige Situation beschreiben könnten. Du bist eine Heldin, eine Kämpferin, ein Vorbild, eine Frohnatur und noch vieles mehr.“ Nicht nur die deutschen Rennfahrerkollegen twittern und posten ihre Genesungswünsche, die Anteilnahme reicht über den kompletten Erdball: Anna Meares, die Australierin, die wie Vogel elffache Weltmeisterin ist, schrieb: „Du bist eine Kämpferin, bleib stark.“
Kristina Vogel und ihr Kämpferherz
Es sind sehr persönliche Worte, die derzeit überall zu lesen sind. Für alle, die sich öffentlich äußern, ist dies auch eine Art der Verarbeitung, um das Geschehene zu begreifen. Wenn Leistungssportler eine so schwerwiegende Verletzung erleiden, trifft es sie besonders hart. Denn ihr Körper ist ihr Kapital. Für den Sport haben sie gelebt, viele Entbehrungen in Kauf genommen. Darum hat die körperliche Versehrtheit bei Sportlern noch gravierendere soziale Folgen.
Kristina Vogel war bis zu ihrem Unfall immer in Aktion. Der Rausch der Geschwindigkeit auf der Bahn trieb sie an, motivierte sie zu immer neuen Erfolgen. Aber auch außerhalb der Bahn konnte sie nur schwer still sitzen. Wenige Tage vor dem schicksalhaften Tag postete sie noch bei Facebook ein Video, das sie in einem Thüringer Kletterwald zeigte, wie sie sich durch Bäume und Äste, über Netze und Planken hangelte.
Kristina Vogel strahlt pure Lebensfreude aus
Eigentlich ist jeder ihrer Einträge pure Lebensfreude. „Ich weiß, wo es langgeht, mir nach“, schrieb sie damals. Mit ihrer Lebensfreude reißt sie jeden mit, sie ist ein Vorbild, nimmt Anteil am Schicksal ihrer Mitmenschen, ist voller Empathie, und wenn ihr etwas nicht passt, sagt sie es geradeheraus. Sie ist kess, wortwitzig, hat sich bei all ihren großen Erfolgen nie als etwas Besonderes gesehen, ist immer gut gelaunt. Auch nach Niederlagen fand sie bisher immer ihr Lächeln wieder. „Ich kann den ganzen Tag das tun, was mir am meisten Spaß macht, Radfahren. Das ist doch cool“, hat sie mir einmal gesagt. Arroganz ist ihr fremd.
So nahm sie sich bei der letzten Bahn-WM in Apeldoorn auch zwischen zwei Endläufen Zeit für ein kurzes Interview, als die deutschen Fernsehanstalten auftauchten. Sie schaffte das alles, bekam alles unter einen Hut. Es sind diese Eigenschaften dieser großartigen Sportlerin, die es ihrem direkten Umfeld noch schwerer machen, das Geschehene zu begreifen. Kristina Vogel ist ein Menschenfreund. Was sie aber am meisten auszeichnet, ist ihr starker Wille, ihr großes Kämpferherz. Das hat ihr schon einmal geholfen, aus dem tiefen Tal herauszukommen und den Gipfel zu erklimmen. Jetzt kämpft sie ihren wohl schwersten Kampf. Und es ist ihr zu wünschen, dass ihr Kampfgeist und ihr Lebenswille sie auch in ihre noch ungewisse Zukunft begleiten.