Franziska Koch, Radsport, Portrait
Franziska Koch: Radsport-Allrounderin im Portrait

Radsport-Familie

Franziska Koch: Radsport-Allrounderin im Portrait

Mountainbike, Cyclocrosser, Bahn-, Zeitfahr- und Rennrad: Franziska Koch beherrscht sie alle. Sie gilt als eines der Top-Talente des deutschen Radsports. Ein Portrait.
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Wenn es zwei Räder hat, kann sie darauf gewinnen – egal, welche Art von Fahrrad es ist: Deutsche Meistertitel im Mountainbike, im Querfeldein, auf der Bahn in der Einerverfolgung und Vize-Meisterin auf der Straße – das ist Franziska Kochs Bilanz eines Jahres. Jene des Jahres 2016, als sie noch in der Jugendklasse startete. Heute ist sie 20 Jahre alt – und auf dem Weg in die Spitze des Sports. Sie hat sich spezialisiert – und hat dafür nicht das MTB, das Bahnrad oder den Cyclocrosser gewählt, sondern das Rennrad. Seit 2019 startet sie für das Women’s WorldTour-Team DSM. 2020 fuhr sie auf ihrer Zeitfahrmaschine zum Vize-Europameisterschaftstitel der weiblichen U23-Klasse –hinter ihrer deutschen Landsfrau Hannah Ludwig, die für das Team Canyon-Sram startet. Zwei Tage später verpasste Franziska Koch im Straßenrennen als Vierte nur knapp das Podium.

Von der Bahn bringt sie die Schnelligkeit mit, vom Mountainbike die Radbeherrschung, vom Cyclocross die Laktattoleranz und die Fähigkeit zu schnellen Rhythmuswechseln. Durch ihre komplexe Ausbildung hat sie viele Vorteile gegenüber der Konkurrenz.

Franziska Koch und ihre Radsport-Familie

Franziska Koch stammt aus einer Radsport-Familie: Ihr Vater Christian ist ein ehemaliger Rad-Amateur aus Mettmann in Nordrhein-Westfalen. Nach seinem Karriere-Ende machte er sich als Trainer einen Namen. „Bei uns dreht sich sicher vieles, aber längst nicht alles um den Radsport“, sagt er.

Ihre Mutter Petra, geborene Stegherr, war in den 1980er-Jahren eine erfolgreiche deutsche Nationalfahrerin. Schon ihr Vater Dieter, Franziskas Opa, fuhr jahrelang ambitioniert und erfolgreich Radrennen. 87 Siege hat Petra Stegherr in ihrer Laufbahn eingefahren. 1984 war sie WM-Siebte und im Jahr zuvor in Altenrhein Zwölfte im Straßenrennen. Viermal war sie Landesverbandsmeisterin, 1983 DM-Dritte in Memmingen. Noch heute sind beide, Christian und Petra, sehr regelmäßig auf ihren Rädern unterwegs – rund 12.000 Kilometer pro Jahr. Seit alle vier Kinder das Elternhaus verlassen haben, steigt die Zahl ihrer Trainingskilometer wieder. Phasenweise sind alle vier Kinder Radrennen gefahren. Katja, die älteste Tochter, fuhr bis zur Frauenklasse und ist heute als Renn-Kommissärin noch immer im Radsport aktiv. Michel Koch, Jahrgang 1991, schaffte es bis zu den Profis.

Franziska Koch, Radsport, Portrait

Franziska Koch steht am Anfang einer potenziell großen Radsport-Karriere

Anfang einer großen Radsport-Karriere

Nachdem er 2012 im Trikot des LKT-Brandenburg-Teams die deutsche Rad-Bundesliga für sich entscheiden konnte, unterschrieb er einen Vertrag beim italienischen WorldTour-Team Cannondale Pro Cycling und nahm unter anderem am Giro d’Italia teil. 2014 wurde er Neunter des Münsterland Giro. 2016 beendete er seine Karriere.

Inzwischen hat er sein Studium erfolgreich abgeschlossen und sitzt wieder gelegentlich im Rennsattel. Sein jüngerer Bruder Max wechselte vom Straßenrad in die Halle und spielt für den Radsportverein Velbert Radball. Franziska Koch, Jahrgang 2000, ist die Jüngste der Familie – und steht noch am Anfang einer potenziell großen Radsport-Karriere.

Klassiker-Rennen und Fahrtechnik

Einst war ihr Vater Christian auch ihr Trainer. Heute überlässt er diese Arbeit dem DSM-Team-Coach Camiel Dénis. „Er redet trainingstechnisch nicht mehr rein, aber natürlich bin ich immer noch für seine Ratschläge dankbar“, sagt Franziska Koch.

Auch ihr Trainingsrevier hat sich geändert: Sie lebt inzwischen in Sittard, am Hauptquartier ihres Rennstalls DSM. „Meine Eltern haben mich sehr geprägt. In schweren Zeiten finden sie immer die richtigen Worte, helfen mir, mich im Kopf zu sortieren.“ Im Vorjahr begann sie neben ihrer Profi-Karriere noch ein Studium an der Sporthochschule Köln.

Seit dem August 2019 ist sie eine Profi-Radsportlerin. Ihr Start in diesen Abschnitt ihres Lebens hätte kaum besser sein können. Bei einem ihrer ersten Profi-Rennen, einer Etappe der hochkarätig besetzten Boels-Ladies-Tour, gewann sie eine Etappe. Sie gehörte zu einer dreiköpfigen Spitzengruppe – und hatte eigentlich taktische Helferinnen-Aufgaben zu erfüllen. Sie „wartete“ auf ihre Teamkollegin Lucinda Brand, die aussichtsreich im Gesamtklassement lag. „Ich dachte immer: Gleich kommt die Gruppe von hinten, dann kann ich Lucinda noch im Finale helfen“, erinnert sie sich. Doch ihre Gruppe wurde nicht mehr eingeholt, und plötzlich hieß es aus dem Funkgerät: „Okay, Franzi, das heute ist für dich.“

Sie war damit von ihren Aufgaben entbunden – doch auf einmal lag Druck auf ihr. Das Finale führte durch die Straßen Nijmegens. Straßen, die sie kannte, da sie sie vorher inspiziert hatte. Es kam zu einem Dreier-Sprint – den Franziska Koch gewann. „Das war schon ein tolles Gefühl, ein sehr guter Einstand, dieser erste Sieg im Trikot von Sunweb. Das werde ich nie vergessen.“

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Die ersten großen Klassiker

Im Frühjahr 2020 bestritt sie ihren ersten großen Klassiker: Omloop Het Nieuwsblad. „Das lief gut, ich habe schnell gemerkt, dass dies die Rennen sind, die mir liegen.“ Doch danach kam die coronabedingte Saisonpause. Zum Beginn der aktuellen Saison war Franziska Koch vor allem als Helferin im Einsatz. Bei der Flandern-Rundfahrt fuhr sie als Drittbeste ihres DSM-Teams auf Rang 34.

Die schweren Eintagesrennen sind ihr Terrain. „Diese Profile liegen ihr“, sagt ihr Vater Christian, „bei den schweren Rundfahrten und in den hohen Bergen sind leichtere Fahrerinnen vorne. Auch im Zeitfahren wird sie noch an Stärke gewinnen. Zu Franzis großen Stärken zählt auch, dass sie sich extrem quälen kann, dass sie ehrgeizig ist und energisch ihre Ziele verfolgt und ihr Rad extrem beherrscht.“ Dass sie sich nun fast ausschließlich auf den Straßenradsport konzentrieren will, sieht er ambivalent. Doch er weiß, dass diese Entscheidung richtig war. „Im Profibereich liegen der Mountainbike- und der Rennrad-Bereich zu weit auseinander. Da muss man sich auf eine Disziplin konzentrieren, sonst verzettelt man sich.“

Franziska Koch und die Leidenschaft Mountainbike

Franziska Koch trainiert immer noch regelmäßig auf ihrem Mountainbike. Zweimal war sie im Gelände Deutsche Jugendmeisterin, einmal Vierte und einmal Fünfte bei Weltmeisterschaften.

„Vielleicht fahre ich irgendwann mal wieder ein paar kleinere Mountainbike-Rennen“, sagt sie. „Aber der Fokus liegt klar auf der Straße. Dort, auf dem Rennrad, will ich mich weiterentwickeln und irgendwann zur Weltspitze gehören.“

Dieser Artikel erschien der RennRad 7/2021Hier können Sie die Ausgabe als E-Paper oder Printmagazin bestellen.

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