Anna Knauer, Marcel Kittel, Karriere
Anna Knauer und Marcel Kittel: Das Leben nach der Radsport-Karriere

Schichtarbeit

Anna Knauer und Marcel Kittel: Das Leben nach der Radsport-Karriere

Von Rennen zu Rennen: Der Radrennsport kann sehr viel mehr sein als ein Hobby. Was heißt es, international konkurrenzfähig zu sein? Wie muss man trainieren? Wie lässt sich ein solches Sportlerleben mit einem normalen Alltag vereinbaren? RennRad begleitet zwei junge Leistungssportler durch ihr Training und ihre Rennsaison.
TEILE DIESEN ARTIKEL

Anna Knauer lebte ihren Traum – und der lautete: Olympia. Einmal war sie bereits bei Olympischen Spielen dabei, 2016 in Rio de Janeiro. Mit erst 21 Jahren. Die Spiele von Tokio 2020 sind nah. Doch Anna Knauer wird dort nicht am Start sein. Zumindest nicht als Athletin. Sie hat ihre Karriere beendet – im Alter von 24 Jahren. „Für viele mag es unverständlich sein, so früh und noch dazu ein Jahr vor Olympia alles hinzuschmeißen. Auf dem Papier hätte ich noch so viel erreichen können, hätte die besten Jahre noch vor mir. Aber ich will nicht nur an den Start gehen, um vielleicht in die Top-Ten zu fahren. Ich weiß, dass ich in den kommenden Monaten mehr als 100 Prozent geben müsste, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Dazu müsste ich aber mein Leben bis auf den Radsport aufgeben. Die Prioritäten haben sich für mich einfach verschoben.“ Dies schrieb sie auf ihrer Facebook-Seite. Aus der Erklärung spricht die Liebe zum Radsport, es wird aber auch deutlich, welchen Preis man zahlt, um auf diesem Niveau erfolgreich zu sein.

Anna Knauer hat in den Nachwuchsklassen alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Sie war Junioren-Weltmeisterin auf der Bahn. Mit 18 Jahren wurde sie Profi. Heute ist sie Oberwachtmeisterin und absolviert eine Ausbildung im Rahmen des Förderprogrammes für Spitzensportler der Bayerischen Polizei. Sie hat für sich entschieden, ihr Leben zu „normalisieren“.

Und traf dabei eine ähnliche Entscheidung wie der frühere deutsche Weltklasse-Sprinter Marcel Kittel, der mit 31 Jahren seine Karriere beendete: „Der Radsport auf diesem Niveau fordert zu viel. Es ist Zeit, die eigene Lebenszeit auch anders zu nutzen.“

RennRad 11-12/2019: Die aktuelle Ausgabe ist jetzt erhältlich. Bestellen Sie das Magazin bei uns im Shop – als Print oder als E-Paper!

Profis im Radsport: Training & Alltag

Zeit ist das wertvollste Gut, über das man verfügt. „Die Zeiteinteilung zwischen dem Alltag und dem Sport ist meist schwierig. Es geht dabei um Kompromisse“, sagt Jan Dieteren. Neben Anna Knauer ist er der zweite Athlet, den wir von RennRad seit Frühjahr 2019 durch seine Saison begleiteten. Der 26-Jährige zählte einst zu den größten deutschen Talenten. Er war deutscher Vizemeister, Weltcup-Etappensieger, in den Top Ten bei großen Profi-Rennen. Doch mit 22 Jahren erhielt er die niederschmetternde Diagnose: Hodenkrebs. Er ließ sich operieren, absolvierte eine Chemotherapie – und kämpfte sich zurück aufs Rennrad. Ein Wiederbeginn bei Null.

In der vergangenen Saison fuhr er erstmals Rennen als Einzelstarter. Er steht kurz vor dem Abschluss seines Studiums, Internationales Management.

RennRad 11-12/2019: Alle Inhalte der Ausgabe

„Im Februar werde ich meinen Bachelorabschluss haben. Was danach kommt, entscheidet sich erst noch. Die Masterstudiengänge beginnen dann erst wieder im Oktober. Was feststeht ist, dass ich auch in der kommenden Saison wieder Rennen im Amateurbereich fahren werde – vielleicht wieder als Einzelstarter, vielleicht in einem Team. Primär will ich mich fit halten – und das Rennenfahren ist dafür mein größter Ansporn. Mich am Wochenende selbst zu testen und mit anderen zu messen, ist die beste Motivation. Ich war zum Beispiel bei dem Nach-Tour-de-France-Kriterium in Wangen im Allgäu am Start: Das „Goldene Rad“ ist ein absolutes Traditionsrennen in einer schönen Umgebung, der Wangener Altstadt. Ich fuhr dort neben vielen Bora-Hansgrohe-Profis wie Buchmann, Ackermann, Selig, Schillinger. Das ist schon etwas Besonderes. Und auch die Atmosphäre an der Rennstrecke mit den vielen Zuschauern, die dafür je fünf Euro Eintritt gezahlt hatten, war extrem gut und pushend. Ich wurde Dreizehnter, was völlig in Ordnung ist.

Anna Knauer, Marcel Kittel, Karriere

Anna Knauer und Marcel Kittel haben ihre aktive Karriere beendet

Effizient trainieren

Ich habe schon während dieser Saison bemerkt: Ich habe zwar weniger trainiert, meine Leistungswerte sind aber besser als im Vorjahr. Wenn man weniger Zeit hat, wird das Training wohl fast schon automatisch effizienter. Mein Fahrplan für das Winter-Training steht jetzt schon fest: Mindestens zweimal pro Woche Kraft- und Stabilisations-Übungen, dazu kurze, aber intensive Einheiten auf dem Cyclocrosser oder Mountainbike, und viel Alternativsport – also Laufen, Skilanglauf oder Skitouren.

Am Wochenende dann, wenn es das Wetter zulässt, längere Rennradtouren im Grundlagenbereich in der Gruppe. Und, ungern und deshalb selten, auch mal eine kurze Einheit auf der Rolle zu Hause. Gerade die Stabi-Übungen für den Oberkörper halte ich für extrem wichtig. Beim Krafttraining im Fitnessstudio bin ich kein Freund von Maximalgewichten mit nur einer, zwei oder drei Wiederholungen. Ich denke dabei immer an die gelenkschonenden Varianten – und setze deshalb meist auf 20 Wiederholungen pro Übung. Bei der Ernährung werde ich nicht viel ändern und schon gar kein Ernährungsregime einhalten. Denn es gibt immer mehr Leute, auch erfahrenere Sportler, die sich gerade mit ihren übertriebenen Low-Carb-Programmen „kaputtfahren“.

R2C2, Banner

Der RennRad Cycling Club – Deine Leidenschaft. Dein Club. Jetzt alle Informationen einsehen!


Wintertraining: Möglichkeiten

  1. Cyclocross

Kerneinheit: 1,5 Stunden – Fahrtspiel. Eine Kombination aus G1-, G2-, EB- und kurzen SB-Elementen. Bergauf Steigerungsfahrten von GA1 bis zu Maximalsprints. Dazwischen Fahrtechniktraining auf Trails.

  1. Krafttraining

Kerneinheit: je zehn bis 20 Wiederholungen, drei bis sechs Sätze. Kniebeuge, Beinpresse, Armzug, Bankdrücken und Co. Dazu: Core-/Stabi-Übungen für den Oberkörper – zwei- bis dreimal wöchentlich.

  1. Alternativsport

Kerneinheit Laufen: 15 Minuten Einlaufen im GA1-Tempo. Treppentraining: Maximalsprints, Einbeinhüpfen, Sprünge. 20 Minuten Auslaufen im GA1-Tempo.


Einheiten während der Saison

  • 40/20: Auf 40 Sekunden All-out-Belastung folgen je 20 Sekunden aktive Erholung. Das Ganze für je acht Minuten. Danach: 15 Minuten aktive Pause.
  • 30/30: Auf 30 Sekunden All-out-Belastung folgen je 30 Sekunden aktive Erholung. Das Ganze für je acht Minuten. Danach: 15 Minuten aktive Pause, im lockeren Kompensationsbereich, dann die nächsten acht Minuten. Insgesamt sind drei bis vier Serien zu absolvieren.
  • EB-HIIT-Kombination: Auf zweimal je fünf Minuten im Entwicklungsbereich folgen nach einer aktiven Pause von mindestens 15 Minuten je dreimal acht Minuten High-Intensity-Intervalle aus je 40 Sekunden All-out-Belastung und 20 Sekunden Pause. Die Serienpause: je zehn bis 15 Minuten.
  • 4 x 4: Viermal vier Minuten – später fünfmal fünf – leicht oberhalb der individuellen anaeroben Schwelle bei 90 bis 95 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Pausenlänge: zwei bis vier Minuten. Vor und nach Intervallen empfiehlt sich dringend ein mindestens je 20- bis 30-minütiges Warm- und Ausfahren. Auf ein solch intensives Training sollte in der Regel mindestens ein Ruhetag folgen.
Schlagworte
envelope facebook social link instagram