Allgäu Triathlon, Erlebnisbericht, Reportage
Allgäu Triathlon: Selbstversuch des RennRad-Magazins

Allgäu Triathlon: Bergfest

Allgäu Triathlon: Selbstversuch des RennRad-Magazins

Zwischen Bergen und Seen: Der Allgäu Triathlon ist ein einmaliges Erlebnis – und mehr als nur ein Wettkampf. Der Selbstversuch.
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Ein Bein vor das andere. Ich blicke nach unten und sehe, wie sich meine Knie abwechselnd nach vorne bewegen. Über Wurzeln, über Steine, über Erde. Es geht 300 Meter lang steil bergauf. Ich bin zu Fuß unterwegs, auf der Laufstrecke beim Allgäu Triathlon.

Ich blicke erst nach vorne, dann nach oben. Vor mir öffnet sich ein Spalier. Links und rechts stehen Menschen – und feuern mich an.  Es dröhnt, es klatscht, es schreit. Ich bin momentan wohl am lautesten, am euphorischsten Ort der Welt. Ich bin mitten im Kuhsteig. So müssen sich die Radprofis der Tour de France fühlen, wenn sie die Kehren nach L’Alpe d’Huez hinauffahren. Der Lärm betäubt jeden Laktatschmerz. Die Euphorie lässt mich alle Pacing-Pläne vergessen. Die Stimmung drängt den Gedanken an eine vernünftige Renneinteilung ganz weit in den Hintergrund. Zu weit eigentlich.

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Beim Allgäu Triathlon geht es um mehr als um Schwimmen, Radfahren und Laufen

Die Laufstrecke des Allgäu Triathlons ist mehr als der letzte Abschnitt, die dritte Disziplin eines Wettkampfes, in dem es um Schwimmen, Radfahren und Laufen geht. So wie es auch beim Allgäu Triathlon um mehr geht als um Schwimmen, Radfahren und Laufen. Der Veranstalter bewirbt den Wettkampftag im Hochsommer vor allem mit dem Wort „Kult“. Ein inflationär gebrauchter Begriff, der selten seine Berechtigung hat – hier aber schon.

Der Allgäu Triathlon ist eine der ältesten, anspruchsvollsten, schönsten und stimmungsvollsten Triathlon-Veranstaltungen in Deutschland. Kult, das spüre ich an diesem Tag, an diesem Ort, auf jedem Kilometer, den ich vom Start im Wasser am Morgen bis zum Einlauf ins Ziel absolviere. An diesem Tag fühle ich im Wettkampf mehr als die üblichen wunderbaren Renn-Gefühle: mehr als die Nervosität, mehr als das Laktat in den Beinen, mehr als die Befriedigung des Zieleinlaufs.

Donner & Rauch

Um 7.45 Uhr ertönen Donnerschläge. Vom Steg aus schießen Männer in Lederhosen in die Luft. Das Rennen ist eröffnet. Die erste Startgruppe der Classic-Distanz ist gestartet. Während über dem See gelber Pyrotechnik-Rauch von den Bengalischen Feuern aufsteigt, zischt meine Bialetti-Kanne auf dem Gaskocher und sprudelt die zweite Tasse Kaffee hervor.

Mein Wettkampftag beginnt erst knapp zwei Stunden später. Meine Strecke: die olympische Distanz. Das bedeutet: 1,5 Kilometer schwimmen, 42 Kilometer Rad fahren und zum Abschluss zehn Kilometer laufen. Diese Zahlen sind aber nicht alles: Denn auf der Radstrecke sind zusätzlich knapp 700 Höhenmeter zu überwinden.

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Der legendäre Kuhsteig

Und auf der Laufstrecke: der legendäre Kuhsteig. Auf dem rutschigen Holzsteg, der hinaus zum Startbereich im großen Alpsee führt, herrscht dichtes Gedränge. Alles ist voller Menschen in Neoprenanzügen, mit gelben Badekappen und Schwimmbrillen am Kopf. Hannes Blaschke trägt Lederhose und Hawaiihemd, während er die angespannten Teilnehmer abklatscht. Blaschke bestritt hier bei der Erstauflage des Rennens im Jahr 1983 seinen ersten Triathlon. 2013 übernahm er die Organisation des Events.

Manche Athleten steigen entspannt die Leitern am Steg hinab und gleiten ins Wasser. Andere springen hektisch hinein. Gleich geht es los. Auf Surfbrettern knien Helfer, sie lassen aus den Bengalischen Feuern gelben Rauch aufsteigen. Es piept. Viele starten ihre GPS-Uhren. Wieder ertönen Donnerschläge. Dieses Mal gelten sie meinem Wettkampf. Es geht los. Alles setzt sich in Bewegung: Füße, Hände, Ellbogen reiben aneinander – der übliche Kampf am Start. Nach etwa der Hälfte der Schwimmstrecke reißt mich ein kurzer Landgang aus dem Rhythmus.

Allgäu Triathlon, Schwimmen

Schwimmen beim Allgäu Triathlon

Egal, es geht weiter – mein Zeitfahrrad steht bereit. Die vierte Disziplin – so nennen Triathleten vielsagend das Wechseln zwischen den Sportarten. Denn hier kann man viel Zeit verlieren. Erfahrung und Vorbereitung helfen mir weiter. Doch im Allgäu trifft der Begriff „vierte Disziplin“ mehr zu als anderswo. Denn der Weg vom Schwimmausstieg bis zum Ausgang der Wechselzone ist 500 Meter lang. Er erscheint mir endlos. Ich laufe im Neoprenanzug an einer Musikkapelle vorbei, über einen kleinen rutschigen Hügel hin zum Bike-Park. Von hier aus muss ich noch einmal rennen. Mit der Hand am Sattel laufe ich 200 Meter, ehe ich endlich in die Radschuhe und in die Pedale einklicken darf. Die Erlösung.

Allgäu Triathlon, Laufen

Laufen beim Allgäu Triathlon

100 Prozent

Bei der ersten Kurbelumdrehung wird mir sofort klar: Heute wird es einige Minuten dauern, bis meine Beine diesen ungewöhnlich harten Wechsel verkraftet haben. Als ich nach zwei Kilometern gerade in den Rhythmus finde, bäumt sich eine Rampe vor mir auf. 18 Prozent Steigung, ich muss aus dem Sattel. Dennoch schaffe ich es anschließend schnell, meinen Rhythmus zu finden. Jetzt geht es richtig gut. Ich nehme die Verfolgung auf.

Nach der mittelmäßigen Schwimmleistung will ich so viele Plätze wie möglich gutmachen. Da die Radstrecke mit knapp 700 Höhenmetern sehr bergig ist und technisch anspruchsvolle Abfahrtspassagen enthält, entscheiden sich viele Athleten für das meist leichtere und agilere Rennrad statt für das Zeitfahrrad. Was hier die richtige Wahl ist, hängt vom Fahrertyp ab. Für mich ist das klar das Zeitfahrrad. Auf den wenigen Flachstücken kommt mir meine Aero-Position auf dem Zeitfahrrad zugute. Während ich andere Fahrer überhole, fühlt es sich wie fliegen an. Nach einer kurzen, aber rasanten Abfahrt zurück zum Alpsee erreiche ich erneut die Wechselzone.  Zu meiner Verwunderung ist diese bis auf einige Räder im vorderen Bereich noch weitgehend leer.

Allgäu Triathlon

Der Allgäu Triathlon ist ein Traum.

Später erfahre ich, dass ich auf dem Rad über 100 Plätze gutgemacht habe. Gegen 11.30 Uhr gehe ich auf die Laufstrecke. Die Sonne brennt auf mich hinab. Die ersten 3,5 Kilometer verlaufen wellig entlang des Alpsees. Noch fühle ich mich gut, ich laufe in meinem Tempo. Als ich bei Kilometer 1,5 gerade noch dabei bin, meine Laufbeine zu finden, empfängt der Zielsprecher soeben lautstark Jan Frodeno. Der erfolgreichste deutsche Triathlet feiert an diesem Sonntag seinen 38. Geburtstag und hat sich bereits beim Schwimmstart allein an die Spitze gesetzt. Ich höre über die Lautsprecher das Siegerinterview mit Frodeno, versuche aber, es auszublenden.

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L’Alpe d’Huez des Allgäus

Ich fokussiere mich wieder auf meinen Rhythmus. Nach einer Wende geht es auf derselben 3,5 Kilometer langen Strecke zurück. Bis sich schließlich der legendäre Kuhsteig vor mir aufbaut.

Wie der Name schon sagt, werden hier das ganze Jahr über die Kühe hinauf auf die Weide getrieben. So sieht der Untergrund auch aus: Wurzeln, Steine, ausgetretene Erde. Eine 300 Meter lange Rampe, die die Laktatwerte ins – gefühlt – Unermessliche steigen lässt. Ich erinnere mich an meinen Plan, es ruhig anzugehen und immer in meinem Ausdauer-Rhythmus und meinem Pulsbereich zu bleiben, und ermahne mich, den Anstieg in einer vernünftigen Intensität hochzulaufen, um auf den letzten Kilometern Richtung Ziel das Tempo noch einmal erhöhen zu können.

Aber: Einige Augenblicke später habe ich den Plan verworfen. Es gibt kein Zurück. Wie im Sprint habe ich die erste Hälfte der Rampe zurückgelegt. Die Massen von Zuschauern schreien mich an, als ginge es für mich um den Sieg. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht lasse ich mich von der Stimmung hinauftragen.

Gänsehaut beim Allgäu Triathlon

Der Lärm trägt mich nach oben. Schmerz und Glücksgefühle wechseln sich ab. Doch bald überwiegt die Euphorie. Ich bin im Idealzustand: Ich erlebe den „Flow“. Oben fühlt es sich an, als würden mich die Beine nicht mehr tragen. Auf den restlichen 2,5 Kilometern kreisen meine Gedanken um diesen Lärm, diese Euphorie, dieses Erlebnis – um ein Gefühl, das ich nie vergessen werde. Im Ziel bin ich am Ende. Und dennoch glücklich.

Allgäu Triathlon, Finisher

Finisher beim Allgäu Triathlon

Ich verstehe nun, was es bedeutet, wenn Triathleten vom Allgäu Triathlon schwärmen. Ich kennen nun die Bedeutung dieses Wortes: Kult. Schwimmen, Rad fahren, laufen – bei perfektem Wetter, in einer perfekten Atmosphäre. Allgäu, ich werde wiederkommen.


Allgäu Triathlon: Informationen

Seit 1983 gibt es den Allgäu Triathlon – fast so lange schon beschreiben ihn Triathleten mit dem Begriff, der auch das Motto der Veranstaltung ist: Kult. Angeboten werden die Sprint-, olympische und klassische Distanz. Wir waren auf der Olymp-Strecke unterwegs, mit 1500 Metern schwimmen im Alpsee, 42 Kilometern Rad fahren, mit 700 Höhenmetern, und zehn Kilometern laufen – den bekannten Kuhsteig-Anstieg inklusive. Mehr Informationen gibt es auf der offiziellen Website des Allgäu Triathlon.

Allgäu Triathlon, Informationen

Alle Informationen zum Allgäu Triathlon


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