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1. European Media Cycling Contest: Italian Bike Festival & Granfondo La Gialla

European Media Cycling Contest 2022

1. European Media Cycling Contest: Italian Bike Festival & Granfondo La Gialla

Der erste European Media Cycling Contest in der Emilia-Romagna. Das Italian Bike Festival und der Granfondo La Gialla. Die Reportage.
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Fünf Kilometer nach dem Start attackiere ich. 45, 46, 47km/h – ich werde immer schneller. Ich fühle das Laktat in meinen Beinen. Mein Herz rast, meine Lunge brennt. Als ich nach hinten blicke, sehe ich, dass die Lücke zum Hauptfeld aufgegangen ist. Ich bin alleine. Allein an der Spitze des italienischen Granfondos La Gialla. Und ich halte mich gerade selbst für völlig bescheuert. Denn vor mir liegen noch rund 95 Kilometer und mehr als 1800 Höhenmeter.

Mein Angriff ist nicht geplant, sondern eine spontane Aktion. Ein paar Sekunden zuvor hat es angefangen zu regnen. Es ist kein Regenschauer, sondern ein Wolkenbruch. Es schüttet so stark, dass ich sofort völlig durchnässt bin.
Um mich herum: quietschende Bremsen, ein nervöses Fahrerfeld, Hektik. Vor uns liegen mehrere Kreisverkehre, enge Kurven und vor allem – schlechte Straßen. Die Sturzgefahr: extrem hoch. Mir wird es zu riskant. Rausnehmen und entspannt dem Fahrerfeld hinterherfahren, ist keine Option.

Dafür ist mir dieses Rennen zu wichtig. Denn der Granfondo La Gialla beinhaltet in diesem Jahr am 11. September noch einen anderen Wettkampf: den ersten European Media Cycling Contest, EMCC. Rund 50 Medienvertreter aus insgesamt 15 europäischen Ländern fahren hier quasi um den Europameistertitel.
Meine Form ist gut. Also trete ich an – und setze mich ab.

Hügel & Weinberge

Mein Ausreißversuch ist bereits zehn Kilometer später wieder vorbei. Doch mein erstes Zwischenziel habe ich erreicht: Ich habe die hektische Startphase und das Unwetter sturzfrei überstanden. Mein Problem ist nur: Kaum bin ich eingeholt, geht es bergauf. Mir bleibt keine Zeit, um mich zu erholen. Die ersten Fahrer attackieren. Immer mehr Fahrer ziehen nach. Das Feld zerreißt.

Ich bin eigentlich noch viel zu erschöpft von meiner Attacke, doch irgendwie schaffe ich es, auf den hundert Höhenmetern bis nach oben den Anschluss an die Spitze wieder herzustellen. Das Tempo bleibt extrem hoch. Eine kurze Abfahrt, hinein in den nächsten Anstieg, wieder attackieren einige Fahrer. Es ist ein Ausscheidungsrennen. Mit jedem weiteren Hügel wird die Spitze um ein paar Fahrer kleiner. Ich bin vorne mit dabei. Noch.

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Die Anstiege sind zwar alle nicht sehr lang, dafür aber – wie die meisten Weinberge – sehr steil. Immer wieder zeigt mein Radcomputer zweistellige Steigungszahlen an.
Zum Glück hat es inzwischen aufgehört zu regnen und die Straßen trocknen langsam ab. Das macht zumindest die Abfahrten etwas einfacher.
Die Strecke ist ein ständiges Auf und Ab.
Wie hügelig, aber auch schön die Region ist, habe ich bereits am Tag zuvor erleben können.

Italian Bike Festival

Denn der EMCC besteht nicht nur aus einem Rennen der Medienvertreter. Auch das Italian Bike Festival und eine gemeinsame Tour am Tag vor dem Rennen gehören zum Programm dazu. Das Italian Bike Festival ist eine der größten internationalen Fahrradmessen mit über 500 Branchenmarken. Seit 2018 findet die Messe jährlich auf dem Gelände des Misano World Circuit Marco Simoncelli statt, einer bekannten Motorsport-Rennstrecke in Misano Adriatico.

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Direkt nach meiner Ankunft in Misano Adriatico am Freitag war ich hier am Nachmittag einige Stunden lang unterwegs. Anschließend wurde der EMCC 2022 auf dem Festival-Gelände am Stand des „Apt Servizi Emilia Romagna Tourist Board“ von Andrea, Roberto und Nicholas offiziell eröffnet wurde.

Die gemeinsame Tour durch das Hinterland der Emilia-Romagna am Samstag umfasste rund 55 Kilometer und 650 Höhenmeter – und zu Beginn ein paar Runden auf dem extra für uns gesperrten Misano World Circuit Marco Simoncelli.
Die anschließende Ausfahrt führte zu einem großen Teil auf der berühmten Via Romagna Route entlang, einer insgesamt 462 Kilometer langen Radstrecke vom Norden bis zum Süden der Romagna.

Die Landschaft: teils malerisch schön. Immer wieder fahren wir durch fast schon idyllische Dörfer und Weinberge, vorbei an mittelalterlichen Burgen und Schlössern.
Nach einer Mittagspause auf einem Weingut geht es zurück zum Hotel. Den Nachmittag und Abend verbringe ich zusammen mit Julius Rupitsch, dem Veranstalter des Radmarathons Istria 300, auf dem Italian Bike Festival.

La Gialla

Der nächste Tag – der Tag der Entscheidung. Um 07:30 Uhr erfolgt der Startschuss des Granfondos La Gialla. Hier, auf der Zielgeraden der Marco-Simoncelli-Rennstrecke in Misano Adriatico, beginnt mein erstes Radrennen in Italien – vom Maratona dles Dolomites einmal abgesehen. Doch dieses Rennen hier ist vollkommen anders. Hier gibt es kein kontrolliertes Pacing, kein Taktieren. Hier gibt es offenbar für alle 1000 Teilnehmer nur: Vollgas.

Nach jedem weiteren Hügel hoffe ich darauf, dass endlich das Tempo reduziert wird – vergeblich. Irgendwann sind wir nur noch rund 20 Fahrer in der Spitzengruppe. Darunter unter anderem: Nicolas Roche, der irische Ex-Profi, der in der Vergangenheit unter anderem für das Team Sky fuhr und erst im Jahr zuvor seine Karriere beendet hatte.

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Nach etwa 47 Kilometern beginnt der längste Anstieg: der Montefiore Conca. Dessen Daten: sechs Kilometer, 270 Höhenmeter. Eigentlich nicht besonders furchteinflößend. Doch das Tempo ist viel zu hoch für mich. Wieder attackieren ein paar Fahrer. Dieses Mal kann ich nicht mehr reagieren. Gemeinsam mit etwa zehn anderen Fahrern werde ich abgehängt. Der Abstand nach vorne ist nicht groß. In der Abfahrt versuchen wir, die Lücke noch einmal zu schließen – vergeblich.

Der nächste Anstieg ist der steilste des Rennens: auf 2,7 Kilometern geht es mit durchschnittlich zehn Prozent Steigung hinauf nach Gemmano. Die maximale Steigung: 15 Prozent. Ich blicke mich um: Meine Begleiter sind alle mindestens genauso erschöpft wie ich. Wir sind alle am Limit. Ein letztes Mal versuche ich, die Lücke nach vorne zu schließen. Doch schon nach ein paar Minuten muss ich einsehen, dass die Spitze für mich nicht mehr erreichbar ist.

Finale & Sieg

Ich bleibe in meiner Gruppe. Oben in Gemmano sind wir nur noch sechs Fahrer. Gemeinsam geht es dem letzten längeren Anstieg nach Croce di Montecolombo entgegen, einer schönen Panorama-Passage nach San Clemente. Erneut gibt es einige Attacken, doch niemand kann sich absetzen. Als ich oben ankomme, bin ich extrem erleichtert. Denn ich weiß: Das Schlimmste ist geschafft, ab jetzt geht es wellig und größtenteils bergab ins Ziel auf dem Misano World Circuit.

Doch offenbar will jeder Fahrer in meiner Gruppe alleine ins Ziel kommen. Es gibt keine Zusammenarbeit in der Gruppe, kein Ablösen im Wind. Stattdessen: immer wieder Attacken. Irgendwann muss ich schmunzeln. So also werden offenbar Radrennen in Italien gefahren. Im Zielsprint habe ich keine Chance und erreiche als letzter Fahrer meiner Gruppe das Ziel. Doch dort erfahre ich, dass noch kein anderer Medienvertreter vor mir ins Ziel gekommen ist. Ich habe den European Media Cycling Contest gewonnen.

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Weitere Informationen zum EMCC finden Sie auf der Homepage des Veranstalters.

Auch zum Italian Bike Festival finden Sie weitere Informationen auf der offiziellen Festival-Homepage.

Zur Website des Granfondos La Gialla kommen Sie hier: https://giallacycling.com/en/

 

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