Markus-Storck-Bicycles
„Die Zauberformel für die Zukunft.“

Fachhandel vs. Versender: Storck wird "Hybridmodell"

„Die Zauberformel für die Zukunft.“

Preissenkungen, Internet-Vertrieb, Scheibenbremsen – aus Radherstellersicht. Markus Storck ist Firmengründer, Geschäftsführer und Chef-Entwickler des Fahrradherstellers Storck. Im Interview mit RennRad spricht er über den digitalen Wandel im Rennradbereich, neue Vertriebswege und eine entscheidende Frage: Löst die Scheibenbremse auch an Rennrädern bald die Felgenbremse ab?
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RennRad: Herr Storck, lassen Sie uns dieses Interview mit einer Kontroverse beginnen: „Scheibenbremsen vs. Felgenbremsen am Rennrad“. Werden die Scheibenbremsen die Felgenbremsen langfristig komplett ablösen?

Markus Storck: Ich glaube, wir müssen das Thema unter unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachten. Wenn man aus Storck-Sicht zum Beispiel das Modell Durnario, also ein Komfort-Rennrad, nimmt: Dort sind Scheibenbremsen sinnvoll. Die Disc ermöglicht es uns, noch breitere Reifen zu verbauen. Im Hinblick auf die aerodynamisch optimierten Räder haben wir in der Entwicklung festgestellt, dass die Scheibenbremsen-Rennräder in der Aerodynamik nicht schlechter sind. Insofern ergibt auch hier die Scheibenbremse Sinn. Bei Leichtbau und All-in-One-Rennrädern will der Kunde, so denke ich, auch weiterhin zwischen Disc und Felgenbremse wählen können. Wenn du ein halbes Kilogramm Mehrgewicht auf einer zehn Prozent Steigung überwinden musst, dann sind das fünf Watt mehr Leistung, die man bergauf treten muss. Diese fünf Watt in der Aerodynamik einzusparen, wird immer schwerer. Auf der anderen Seite ist man bei Nässe froh darum, Scheibenbremsen am Rennrad zu haben. Es vermittelt einfach Fahrsicherheit.

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„Ich glaube an ein Nebeneinander von Scheiben- und Felgenbremsen.“

Also wird es auch in Zukunft sowohl Rennräder mit Scheiben- und Felgenbremsen geben?

Ich glaube an ein Nebeneinander von Scheiben- und Felgenbremsen. Ich glaube nicht, dass die Scheibenbremse die Felgenbremse komplett ersetzen wird. Dafür können wir die Räder mit Scheibenbremsen noch nicht so leicht bauen. Schlussendlich aber muss der Endverbraucher entscheiden, auf welches Bremsmodell er setzt.

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Storck setzt ab sofort auf ein neues Vertriebskonzept.

In welchem Verkaufsverhältnis stehen denn aktuell Felgen- zu Scheibenbremsen-Rennrädern bei Storck?

Wir haben aktuell bei den Verkaufszahlen ein Verhältnis von 90:10 zugunsten der Felgenbremsen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum einen die extreme Lieferverzögerung bei Shimano mit der Dura-Ace-Disc, die extreme Verspätung bei der Sram-Red-Disc und die zögerlichen Entscheidungen der UCI. Das hat alles dazu geführt, dass der Endkonsument verunsichert war. Ich rechne erstmals 2019 damit, dass Rennräder mit Scheibenbremsen in ordentlichen Stückzahlen verkauft werden.

 „Immer mehr Kunden wollen ihre Rennräder online kaufen“

Sie sprechen den Verkauf an: Storck hat jüngst eine Änderung seines Vertriebsmodells vermeldet – hin zu online. Was hat es damit auf sich?

Vetriebsmodelle sind bereits seit einigen Jahren im Wandel. Ich habe mir daher vor einiger Zeit Gedanken gemacht: „Welche Modelle existieren in der Radbranche und welches Konzept wäre für unsere Firma perfekt. Als Sohn eines Einzelhändlers bin ich mit dem „Vertriebsmodell 1.0“ groß geworden: Dabei kommt das Produkt vom Hersteller über Distributoren an den Händler und von dort an den Endverbraucher. Wir müssen aber wahrnehmen, dass immer mehr Kunden ihre Rennräder und Mountainbikes online kaufen möchten.

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Markus Storck sagt: „Immer mehr Kunden wollen ihre Rennräder online kaufen.“

Welche Gründe hat diese Entwicklung?

Der Grund ist offensichtlich. Räder werden mit Gleichteilen gebaut. Der Kunde fragt sich: „Wie bekomme ich möglichst günstig ein Rennrad mit Ultegra-Ausstattung?“ Aus diesem Grund ist in den letzten Jahren besonders eine Marke in Deutschland schnell gewachsen. Die anderen Hersteller sind dadurch immer mehr ins Hintertreffen geraten. Ich finde das bedauerlich, weil viel mehr Dinge zum Radkauf dazugehören: „Look & Feel“, Probefahren, Service, Socializing sind Teil unserer Radsport-Kultur.

Potenzielle Rennradkäufer schauen aber wohl zu allererst auf den Preis.

Ich kann den Kunden in diesem Punkt auch verstehen. Er möchte für ein begrenztes, ihm zur Verfügung stehendes Budget, die optimale Ausstattung haben. Wenn wir das weiterdenken, handelt es sich bei dem Modell ‚Ein Hersteller vertreibt seine Produkte an den Endkunden – im Regelfall online‘ um das Vertriebskonzept 2.0. Es existieren aber bereits auch andere Modelle. Ich nennen sie jetzt Vertriebskonzepte 3.0. Mit diesen Modellen möchten manch andere Hersteller den klassischen Versender-Marken entgegensteuern.

Wie sieht dieses Vertriebsmodell 3.0 aus?

Ein Hersteller bietet seine Modelle online an, die er im Regelfall über den Fachhändler kaufen kann. Dieses Konzept geht immer noch nicht auf, denn dem Kunden geht es nicht darum, dass er die Produkte online sieht. Entscheidend ist vielmehr der Punkt, dass der Kunde ein Rad zum Bestpreis kaufen möchte. Aus diesem Grund haben wir bei Storck das Vertriebskonzept 4.0 entwickelt.

„Das beste Fahrrad nutzt dir nichts, wenn du nicht gut darauf sitzt.“

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Fachhandelsmarke oder Versender? Storck bezeichnet sich nach eigenen Angaben als „Hybridmodell“.

Bei vielen Herstellern ist es nicht einfach, sich im Produktsortiment zu orientieren. Wird das Thema auch angegangen?

Zunächst haben wir in den vergangenen Jahren unsere Produktpalette verfeinert. Die Räder mussten viel selbsterklärender werden. Wir haben dabei zunächst die Archetypen von Rennrädern identifiziert, also die Räder, die besonders aerodynamisch oder komfortabel sind oder einen guten Kompromiss aus Sportlichkeit und Komfort bieten sollen. Dazu gibt es bei uns alle Modelle in drei unterschiedlichen Preisstufen: Comp (Einstieg), Pro (Mittelklasse), Platinum (High-End). Wir setzen aber eben auch auf das Konzept der Manufaktur. Das heißt: Das beste Fahrrad nutzt dir nichts, wenn du nicht gut darauf sitzt. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit unseren internationalen Partnern das Vertriebskonzept 4.0 entwickelt.

„Versender haben keinen Service vor Ort, kein ‚Look & Feel‘ und bieten kein Bikefitting.“

Wie bedeutet das neue Vertriebskonzept nun für die potenziellen Käufer?

Nach dem Umbau unserer Produktpalette folgte der Umbau beziehungsweise der Aufbau unseres Store-Konzepts. Wir hatten in der Vergangenheit 170 Händler in Deutschland. Zukünftig werden wir nun deutlich weniger Verkaufsstellen haben, dafür aber das Store-and-Studio-Konzept. Dort erlebt der Kunde unsere Markenwelt viel intensiver. Er bekommt die Beratung, den Service und das „Look & Feel“. Das ist für uns Vertrieb 4.0: Der Endkonsument schaut sich online die Produkte an und kann dann entscheiden, ob er das Rad am Store abholen möchte oder ob das Rad zu ihm nach Hause geschickt werden soll. Im Falle der Abholung im Store bekommt der Kunde noch ein Bikefitting im Shop gratis dazu. Das sind Dinge, die eine Marke, die einen reinen Online-Versandhandel betreibt, nicht bieten kann. Versender haben keinen Service vor Ort, kein „Look & Feel“ und kein Bikefitting. Wir sind dadurch deutlich näher am Kunden dran als sie.

Wird dieses Modell funktionieren oder ist es für den Kunden zu kompliziert?

Fahrradfahren ist Socializing, also zusammenkommen, um Rad zu fahren. Wenn alles nur noch online stattfinden würde, wäre das ziemlich trostlos. Ich hätte keine gemeinsamen Treffs und Ausfahrten bei einem Store. Ich glaube, dass unser Konzept 4.0 die Zauberformel für die Zukunft sein wird. Die ersten Prognosen geben uns Recht. Der Umsatz in unseren Stores ist im ersten Halbjahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 65 Prozent gestiegen. Wir werden das Konzept jetzt erstmal im deutschsprachigen Raum ausrollen und dann auch international.

„Ich glaube, dass unser Konzept die Zauberformel für die Zukunft sein wird.“

Gibt es zum Online-Kauf nicht bereits eine Gegenbewegung? Vor allem in größeren Städten gibt es wieder mehr spezialisierte Shops oder Treffpunkte, bei denen eben auch das Soziale, also die Ausfahrt, im Vordergrund steht?

Ja, dieses Treffs gibt es. Aber aus Umfragen wissen wir auch, dass mehr als die Hälfte der Menschen, die angeben, in nächster Zeit ein Fahrrad zu kaufen, diesen Kauf online tätigen werden. Diesen Fakt können wir nicht wegdiskutieren. Der Fachhandel steckt in einer Krise. Viele versuchen die Kunden mit großen Rabatten zu locken. Sie müssen es tun, weil sie sonst ihre Räder nicht verkaufen können.

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Markus Storck: „Wir wollen die Kunden ins Markenerlebnis eintauchen lassen und damit langfristig zur Marke hinbringen.“

Damit leidet aus Herstellersicht die Preisstabilität.

Richtig. Für den Kunden leidet aber ebenfalls die Preissicherheit unter dieser Entwicklung. Dazu kommt, dass einige amerikanische Marken alle zwölf Monate neue Produkte auf den Markt bringen, sodass ein neues Fahrrad nach sechs Monaten dreißig bis vierzig Prozent weniger wert sein kann. Dies heizt den Preiskampf noch einmal zusätzlich an.

Was kann man aus Herstellersicht dagegen tun?

Wir haben bei Storck Modelle wie das Aernario, das es in dieser Form bereits seit sieben Jahren gibt. Der Endverbraucher hat dadurch eine gewisse Preisstabilität. Wir bieten dem Kunden dank unseres neuen Vetriebskonzepts außerdem ein innovatives Produkt, eine hohe Qualität, eine seriöse Beratung im Store und schenken ihm noch ein Bikefitting dazu. Das neue Rennrad-Modell Aernario.2 in der Comp-Version bieten wir zum Beispiel mit einem 960-Gramm-Carbonrahmen, Carbonlenker, kompletter Ultegra-Ausstattung und DT-Swiss-Laufradsatz für 2499 Euro an.

„In den USA sehen alle Stores einer Kette zu fast 100 Prozent gleich aus. Bei uns ist das anders.“

Stichwort „Store-und-Studiokonzept“: Wie viele solcher Verkaufsstellen wird es geben und wie werden diese aussehen?

In den USA sehen alle Stores einer Kette zu fast 100 Prozent gleich aus. Bei uns ist das anders. Der Münchner Store schaut anders aus als der in Düsseldorf oder Idstein. Bald wird noch einer in Wertheim entstehen. Trotzdem haben sie alle eines gemeinsam: den generischen Code, die Corporate Identity von Storck und das Service-Angebot.

Wo soll man Storck denn nun angesichts der neuen Vertriebsstruktur einordnen? Storck fällt dann weder ins klassische Versender- noch ins Fachhandelsmuster.

Wir sehen uns als Hybrid-Modell und bieten jetzt das Beste aus zwei Welten: Socializing, Service, attraktiver Preis und Preisstabilität. Wir glauben, dass wir durch das neue Konzept viele Neukunden gewinnen können. Wir zielen gar nicht darauf, dass wir von dem ein oder anderen Versender die Kunden abziehen. Wir zielen auf viele neue zufriedene Kunden von anderen Marken. Die Idee unseres Konzepts ist es, den Kunden über einen attraktiven Preis zur Marke und zu einer engeren Markenbindung zu bewegen. Wer einmal ein Storck-Rad kauft, soll das auch in Zukunft tun.

Für das neue Modelljahr wurden die Preise von einigen Modellen um 30 Prozent nach unten korrigiert. Nimmt dadurch nicht der Ruf als Premiummarke Schaden?

Wir bleiben nach wie vor eine Premiummarke. Dafür stehen unsere Pro- und Platinum-Modelle. Diesem Konzept bleiben wir treu. Andersherum müsste man fragen, ob der Kunde nicht ein Problem hat, der bei einem Versender ein Rad für 7000 Euro kauft, wenn die Marke aber nicht das entsprechende Image mitbringt. Unsere Philosophie ist: Wir wollen die Kunden ins Markenerlebnis eintauchen lassen und damit langfristig zur Marke hinbringen. Das tun wir mit unseren attraktiven Preisen der Comp-Modelle.

„Ich bin ein echter Verfechter der Elektromobilität.“

Wie viele andere Hersteller auch hat Storck vor kurzem ein Rennrad mit Elektromotor vorgestellt. Inwiefern passt dieses Modell zur Premium- und Sport-Marke Storck?

Ich entwickle seit fast 20 Jahren Elektroräder und bin ein echter Verfechter der Elektromobilität. Aktuell arbeiten wir an sieben verschiedenen E-Bikes. Alle sieben Modelle sind aus Kohlefaser mit einem vollintegrierten Akku ausgestattet und besitzen einen jeweils auf ihre Einsatzzwecke zugeschnittenen Antrieb. Das Thema E-Rennrad halte ich für eine extrem spannende Sache. Es gibt Ehepartner, bei denen eine Person schwächer ist. Diese Menschen können wieder gemeinsam Radfahren. Außerdem gibt es bei unserem Modell e:nario auch die Möglichkeit, das Rad als Gravelbike einzusetzen.

Welche neuen Produkte wird Storck mittelfristig noch auf den Markt bringen?

Wir haben Lenker-Vorbau-Einheiten vorgestellt. Bald wird es auch kostengünstigere Einheiten für die Comp-Modelle geben. Wir haben Shallow-Reach und Shallow-Drop entsprechend umgesetzt. Es wird mehr Komfort im Rahmen geben. Sicherlich wird auch ein neues Aero-Rennrad kommen. Dazu testen wir aktuell unsere neuen Power-Arms mit einem Wattmesssystem. Ich kann schon jetzt verraten: Es wird sich dann um die leichteste Kurbel mit einem Messsystem am Markt handeln. //

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