Mallorca – eine Studienfahrt der besonderen Art
Radsport-Studienfahrt
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Warum nicht mal etwas Anderes und Mallorca mit dem Rennrad erkunden? Diese Frage stellten wir uns im Vorfeld der Vorbereitungen auf unsere diesjährige Studienfahrt. Letztendlich entschieden sich sehr viele Schülerinnen und Schüler, SuS, des 13. Jahrgangs dafür, mit nach Mallorca zu reisen – wohl auch in der Ewartung auf „Party“. Aus organisatorischen Gründen konnten nur 20 SuS ausgelost werden, die an der Studienfahrt nach Mallorca teilnehmen konnten. Diese wurden von meiner Lehrerkollegin und mir begleitet.
Planungen & Zweifel
Nachdem die Flüge gebucht und die Planungen konkreter wurden, erfuhren die SuS erneut, dass während der Studienfahrt insgesamt an drei Tagen jeweils zwischen 40 und knapp 85 Kilometern mit dem Rennrad gefahren werden sollten. Je näher die Reise kam, desto größer wurden die Zweifel der SuS, „ob denn so viele Kilometer mit dem Rennrad zu fahren, das Richtige sei!“ Plötzlich wollten 17 von 20 SuS lieber mit einem E-Bike fahren.
Wenige SuS waren aus gesundheitlichen Gründen auf das E-Bike angewiesen. Die anderen SuS überlegten sich verschiedene Argumente für das E-Bike: Plötzlich auftretende Knieprobleme, Migräneanfälle und Atemnot bei zu starker körperlicher Belastung, mangelnde Kondition, Rückenprobleme und sogar Magenkrämpfe bei Überlastung wurden als Gründe genannt, die gegen das Rennradfahren sprachen. Bis auf fünf SuS, deren Gründe für ein E-Bike glaubhaft von den Eltern bestätigt wurden, sind alle anderen SuS dazu „verdonnert“ worden, „Rennrad fahren zu müssen“ – sie hatten sich ja vor der Fahrtenanmeldung auch für das „Erkunden Mallorcas mit dem Rennrad“ entschieden.
Abflug & Ankunft
Eine Woche vor den Herbstferien ging es dann los. Montag morgens um 7.30 Uhr fuhren wir mit dem Zug und mit dem Bus von Münster zum Dortmund-Airport. Nachdem dort beim Einchecken von fast allen SuS die mitgebrachten Fahrradschlösser konfisziert wurden – sie sind ja als Waffen einsetzbar – flogen wir weiter zum Flughafen Palma de Mallorca.
Wir nahmen den nächsten Bus vom Flughafen, der uns zum Ausgangspunkt unserer Rennradtouren nach Can Picafort brachte. Um ungefähr 16.30 Uhr sind wir im Hotel angekommen. Noch am gleichen Tag liehen wir uns die Räder mit Helmen und Flickzeug aus. Auf Klickpedalen wurde aus Sicherheitsgründen verzichtet.
Die erste Tour
Am nächsten Tag ging es dann nach einem üppigen Frühstück endlich mit den Rädern los. Auf dem Programm stand eine kleine, etwa 40 Kilometer lange erste Tour. Diese hatte nur wenige Höhenmeter und führte von Can Picafort zum Wochenmarkt in Santa Margalida und weiter zum mittelalterlichen Örtchen Muro. Von dort ging es dann über Sa Pobla und entlang des Naturparks S’Albufera zurück zum Hotel. Immer wieder legten wir in den Orten kleine Pausen für Besichtigungen, Kaffeetrinken et cetera ein. Einzelne SuS stellten ihre Kurzreferate zu verschiedenen Themen vor, da es ja eine Studienreise war.
Diese erste Tour war für alle konditionell gut machbar. Das Tragen eines Helms war natürlich als verpflichtend im Vorfeld der Fahrt gesetzt und vereinbart worden, auch wenn ein Helm „uncool“ ist und „die Frisur zerstört“. Fahrerisch war die Tour aber eine echte Herausforderung. Um die Schülergruppe immer im Blick zu haben, fuhr meine Kollegin am Ende der Fahrergruppe und ich fuhr an der Spitze.
Bereits wenige hundert Meter nach dem Start fiel die Gruppe weit auseinander: Die SuS kannten das Windschattenfahren nicht und hielten sehr großen Abstand zum Vordermann, um nicht auf ihn aufzufahren. Außerdem machten sich unterschiedliche Leistungsniveaus bemerkbar, da einige SuS bereits über ein wenig Rennraderfahrung verfügten und/oder besser mit den Rädern zurechtkamen als andere. Um die Gruppe wieder zusammenzubringen, machten wir zahlreiche Zwischenstopps. Dort warteten wir immer so lange, bis die komplette Gruppe wieder zusammen war. Insgesamt hat die erste Tour allen super gefallen, da die „Strecke landschaftlich schön war“, „die Orte sehenswert“ und das „Rennradfahren totalen, unerwarteten Spaß machte“.
Die Königsetappe
Am zweiten Rennradtag starteten wir die Königsetappe dieser Studienfahrt. Diese Tour führte von Can Picafort die Küstenstraße entlang über Alcúdia, Port de Pollença und Formentor bis zum Cap de Formentor. Wie auch an den anderen Tagen war das Wetter an dem Tag sonnig und warm und damit einfach ideal für das Rennradfahren.
Die Erfahrungen vom Vortag ließen meiner Kollegin und mir das Fahren entlang der Küstenstraße in einer geschlossenen Gruppe als unmöglich erscheinen. Außerdem erschien das Unfallrisiko dafür zu hoch zu sein. Deshalb fuhr meine Kollegin wieder hinten und ich an der Spitze der gesamten Gruppe. Alle zwei bis vier Kilometer hielten wir an, um die Gruppe immer wieder zusammenzubringen. Gefahren wurde auf der neben der Hauptstraße führenden verkehrsärmeren Parallelstraße. Alle SuS sollten vorsichtig und ihrem jeweiligen Sicherheitsgefühl, Tempo und unter Beibehaltung der Verkehrsregeln entsprechend fahren.
Für unsere Nervenkostüme war es auf jeden Fall gut, dass die Kollegin am Gruppenende nicht sehen konnte, dass gelegentlich einzelne der weit vor ihr fahrenden SuS links und rechts an auf der Straße haltenden Autos oder Bussen dicht vorbeifuhren oder auch mal plötzlich abschnittsweise den Bürgersteig als Fahrradweg nutzten und für mich als voranfahrender Lehrer, dass ich hinten keine Augen hatte. Dennoch gelangten auf diese Weise alle SuS unfallfrei bis kurz vor Port de Pollença. Dort wurde erneut eine Pause mit der gesamten Gruppe gemacht.
Cap Formentor & Mirador de Es Colomer
Leider kamen dabei bei den SuS aufgrund der mit rund 55 Kilometern noch recht weiten und mit etwa 850 Höhenmetern auch relativ bergigen Strecke bis zum Cap Formentor und zurück nach Can Picafort wieder Zweifel auf, ob denn dies für sie überhaupt zu schaffen sei. Deshalb vereinbarten wir, dass jeder in seinem Tempo mindestens bis zum etwa zehn Kilometer und 200 Meter über dem Meer liegenden Aussichtspunkt „Mirador de Es Colomer“ fahren sollte. Wer dort dann nicht mehr weiterfahren konnte, durfte mit mindestens einem weiteren Mitschüler zurück zum Hotel fahren.
Um sicher zu sein, dass alle SuS den Anstieg zum Aussichtspunkt auch schafften, kehrte ich auf halber Strecke um. Ein Schüler hing im Hang und konnte nicht weiterfahren, da er Hand- und Schulterschmerzen vom Rennradfahren hatte. Zehn Meter weiter stand ein anderer Schüler am Straßenrand, dem der Umwerfer vom Rennrad abgebrochen war. Für beide war an diesem Tag die Rennradfahrt an dieser Stelle zu Ende. Der Fahrradverleiher hat sie freundlicherweise abgeholt. Der Rest der SuS schaffte die Fahrt zum Aufsichtspunkt.
Oben an der Aufsichtsplattform meldeten sich weitere SuS, die aus verschiedensten Motiven umkehren wollten. Die Zusage von mir auf eine weitere wunderschöne und machbare Fahrt zum Cap Formentor führte dazu, dass nur drei SuS direkt zum Hotel zurückfuhren. Der Rest der Gruppe machte sich im jeweils eigenen Tempo weiter auf bis zum Leuchtturm des Cap´s. Unterwegs dorthin entschieden sich wiederum zwei weitere SuS für die Umkehr. Als ich dann irgendwann oben am Leuchtturm angekommen bin, konnte ich von dort aus erkennen, dass das „Schülerfahrerfeld“ total auseinandergerissen war. Es waren nur ein Schüler und eine Schülerin in Sichtweite.
Grenzerfahrungen & Defekte
Der schnellste Schüler fuhr die letzte Rampe stehend hoch zum Leuchtturm. Oben angekommen legte er das Rad an die Seite, streckte alle Viere von sich und sagte, er könne nicht mehr zurückfahren, da er „gar sei“. Immerhin war es jetzt mit mittlerweile 26 Grad Celsius schon ganz schön warm. Kurze Zeit später kam eine Mitschülerin an, die „ebenfalls fertig“ war. Einer E-Bike-fahrenden Schülerin ist ungefähr 30 Meter vor dem Aussichtsplateau des Leuchtturmes die Kette gerissen, so dass sie ihr Rad die letzten Meter schieben musste. Danach machte ich mich auf den Weg, um zu meiner am Gruppenende fahrenden Kollegin zu fahren, damit ich sie bei der Begleitung der übrigen SuS auf dem Weg zum Leuchtturm unterstützen konnte.
Als meine Kollegin und ich am Leuchtturm im Cafe ankamen, wurden wir von einigen SuS empfangen. Sie teilten uns mit, dass sie nun vor Erschöpfung oder wegen der gerissenen Kette nicht mehr zurückfahren könnten. Klar war für meine Kollegin und mich, dass alle SuS irgendwie wieder ins Hotel kommen mussten. Außerdem war uns bewusst, dass der Fahrradverleiher die Schülerin mit dem defekten E-Bike auch nicht abholen konnte, da die letzten rund zehn Kilometer der Serpentinenstrecke zum Leuchtturm für den Autoverkehr gesperrt sind.
Aber was sollten wir jetzt mit diesen SuS tun? Die Antwort bekamen wir, als wir das Café verließen. Es standen tatsächlich plötzlich zwei Busse auf dem Plateau vor dem Leuchtturm, die nach Port de Pollença fuhren. Tatsächlich nahmen die Busfahrer neben dem defekten E-Bike noch vier weitere Rennräder samt den dazugehörigen SuS mit. Von den insgesamt 20 SuS waren also nur noch acht übrig, die dann mit meiner Kollegin und mir jeweils im individuellen Tempo erst zurück zum Aussichtspunkt „Mirador de Es Colomer“ fuhren und dann selbstständig weiter zum Hotel in Can Picafort.
Finale & Fazit
Den dritten und letzten „Rennradtag“ fuhren wir nach der gestrigen Anstrengung nur noch ein wenig Rennrad. In entsprechender Formation fuhr die Lehrerin hinten, die SuS davor und ich an der Spitze bis zur ungefähr 25 Kilometer entfernten Einsiedelei von Crestatx in der Nähe von der Stadt Sa Pobla. Nach einer kurzen Pause mit einer Besichtigung radelten wir von dort aus dann jeder nach seinem Gutdünken in kleinen Gruppen entweder über einen Umweg zur Besichtigung nach Pollença oder über Alcúdia zurück nach Can Picafort.
Mittlerweile ist die Studienfahrt schon einige ein paar Monate her. Fragt man die SuS nach dieser „Studienfahrt“, dann hört man, wie unvergesslich doch das Rennradfahren und insbesondere die Abfahrten auf der Fahrt zum Cap de Formentor gewesen sind. Die Studienfahrt und besonders das Rennradfahren hat allen super gefallen. Deshalb wollen manche nochmal nach Mallorca reisen und einzelne überlegen sogar, sich ein Rennrad zu kaufen. Viele SuS sind zu Recht immer noch stolz darauf, dass sie so viele Kilometer durch die mallorcinischen Berge mit dem Rad geschafft haben, denn immerhin sind einige dabei bis an ihre persönlichen Grenzen gegangen. Ob „nächtliches Partymachen“ bei dieser Studienfahrt überhaupt stattgefunden hat und inwiefern sich dann dieses auf das Rennradfahren ausgewirkt hat, bleibt natürlich ein Geheimnis der SuS – und meine Kollegin und ich werden dieses wohl nie erfahren.