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Profitraining: Trainings- und Ernährungsstrategien von Radprofis

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Profitraining: Trainings- und Ernährungsstrategien von Radprofis

Fit sein, wenn es darauf ankommt. Den Stoffwechsel verbessern. Radprofis haben wertvolle Trainings- und Ernährungsstrategien. Einblicke ins Profitraining.
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Durchschnittlich 400.000 bis 600.000 Kilometer fährt ein Radprofi während seiner Karriere Rennrad. Das sind Dimensionen, die so gut wie kein Hobbyathlet in seinem ganzen Leben erreicht. Ein Profi lebt während der Karriere, und auch zuvor, für den Sport – und von ihm. Von daher hat er in der Regel optimale Bedingungen. Bedingungen, die alle auf ein Ziel ausgerichtet sind: die optimale Leistungsfähigkeit. Hobby- und Amateursportler haben in der Regel weniger ideale Bedingungen, einen stressigen Alltag, einen fordernden Beruf, wenig Zeit. Und dennoch können sie von den Radprofis lernen. Denn auch ihnen geht es beim Profitraining vor allem um: Effizienz.

Spiked Efforts

Dies beginnt schon bei den Intervall-Trainingseinheiten, die vor allem italienische Stars wie Fausto Coppi schon vor Jahrzehnten intensiv absolvierten. Daraus entwickelten sich immer neue Intervall-Formen, etwa die berühmten „spiked efforts“, die beim früheren Team Sky, heute Ineos, oft Verwendung finden: Man bleibt während des Intervalls zunächst knapp unterhalb seiner anaeroben Schwelle – und steigert dann die Intensität noch weiter, um gegen Ende wieder knapp unterhalb der Schwelle weiterzufahren.

Der Grundgedanke dahinter ist, eine Rennsituation zu simulieren: Man fährt bereits ein hohes Tempo und muss dann eine Attacke mitgehen. Und somit tief in den „roten“, den anaeroben Bereich der Energiebereitstellung.

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Profitraining: 40/20-Intervalle

Auch die hochintensiven 40/20-Intervalle sind heute fast allgegenwärtig: Auf eine 40-Sekunden-All-Out-Belastung folgt eine kurze Erholung von 20 Sekunden. Diese extrem fordernden Einheiten firmieren heute oft unter dem Begriff HIIT – oder: High Intensity Intervall Training.

Dazu kann man auch vierminütige Belastungen zählen. Diese erwiesen sich in einer norwegischen Studie in ihren Trainingseffekten – bei einer Intensität von 90 bis 95 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme absolviert – als der viel zeitaufwendigeren und deutlich weniger intensiven Dauerleistungsmethode überlegen.

Ein anderer Bereich, in dem es in den vergangenen Jahren noch deutlich größere Veränderungen gab als bei den Trainingsinhalten, ist die Ernährung – beziehungsweise das Zusammenspiel von Ernährungsweisen und Training. Den wohl bedeutendsten Siegeszug im Leistungssport hat die sogenannte Low-Carb-Ernährung, die es in etlichen Ausprägungen gibt, hinter sich.

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Profitipps zu richtiger Ernährung für Radsportler

Mit einer solchen „ketogenen“ Diät reduziert ein Athlet in bestimmten Phasen seine Kohlenhydrataufnahme und nimmt stattdessen mehr „gute“ Fette und eine kontrollierte Menge an Eiweiß zu sich. Der tägliche Konsum von Kohlenhydraten wird dabei in der Regel unter 50 Gramm gehalten. Der erwünschte Effekt: Der Körper wird gezwungen, für alle Dimensionen der Energiebereitstellung auf Fett als Quelle zurückzugreifen, da kein Glykogen zur Verfügung steht.

Der angestrebte Zustand ist die „Ketose“: der Hungerzustand des Körpers. Dabei werden vermehrt sogenannte Ketone produziert – die als Energiequelle herangezogen werden können.

Profitraining, Tipps

Tipps zum richtigen Profitraining

Die ketogene Diät ist letztendlich eine extreme Variante der Low-Carb-Ernährungsweise. Für Radsportler bedeutet das: Da maximal rund 50 Gramm Kohlenhydrate pro Tag konsumiert werden sollen, werden viele Trainings-Einheiten quasi „nüchtern“ absolviert. Das Ziel: Da die Fettnutzung in der Ketose deutlich größer ist, soll der Körper langfristig eine deutlich höhere Ausdauerleistung abrufen und sogar im intensiven Bereich eine vergleichbare Leistung erbringen können.

Durch die gesteigerte Fettverbrennung soll darüber hinaus der Körperfettanteil reduziert werden. Inzwischen gilt als erwiesen: Für Ultraausdauerathleten, die fast ausschließlich im Grundlagenbereich unterwegs sind, kann eine solche Low-Carb-Ausrichtung Leistungsvorteile bringen.

Die Vorteile

Auch im Radsport und, wie viele Experten vermuten, wohl auch bei vielen Top-Stars der Tour de France findet diese Ernährungsweise Verbreitung. Denn auch ihre Ziele sind dieselben: eine verbesserte Ausdauer und ein geringerer Körperfettanteil. Ein wichtiger Anpassungsprozess des Körpers an das Low-Carb-Training, der bereits nachgewiesen wurde: eine gesteigerte Mitochondrienbildung. Diese „Kraftwerke der Zellen“ können die aerobe Kapazität steigern – und damit die Ausdauerleistung.

Deshalb wenden jedoch längst nicht alle die Ketose an – die Realität ist deutlich unspektakulärer: Die Kohlenhydratrestriktion ist für die meisten ein noch vorsichtig eingesetztes Mittel, um vor allem im Winter eine etwas bessere Grundlage zu legen.

Tour-de-France-Stars wie Chris Froome unternehmen vor allem in dieser Zeit viele Fahrten, ohne zuvor und während der Einheit Kohlenhydrate zuzuführen. Fahrten von sechs oder sieben Stunden Dauer in diesem Zustand sind keine Ausnahme. Es ist nicht auszuschließen, dass einige Athleten dabei sogar für kurze Zeit die Ketose erreichen. Doch in den hochintensiven Trainings- und Wettkampfphasen sollte der Körper nicht einer solchen „Unterversorgung“ ausgesetzt sein. Dann sind Kohlenhydrate in ausreichenden Mengen unverzichtbar – für die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit. Für Radprofis – und für Hobbysportler.

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Die Probleme

Denn die ketogene Diät kann auch, gerade für intensiv trainierende Athleten, kritisch sein: Auf Kohlenhydrate im Training langfristig zu verzichten, birgt gesundheitliche Risiken. Der Kohlenhydratstoffwechsel kann durch einen dauerhaft extremen Low-Carb-Fokus sogar nachhaltig geschädigt werden – das Glykogen wird dann weniger effektiv genutzt. Die Konsequenz: Die Leistungsfähigkeit im intensiven Bereich geht verloren.

In intensiven Trainingsphasen und Wettkämpfen konsumieren demnach auch die Profis in der Regel weiterhin große Mengen an Kohlenhydraten. Nur so können die benötigten Glykogenspeicher gefüllt werden. Nur so kann in den entscheidenden Momenten auf höchstem Niveau gefahren, die höchste Leistung erbracht werden. Hobbyradfahrer können demnach regelmäßig kürzere Nüchtern-Einheiten absolvieren und sich gelegentlich in längeren Fahrten auf Proteine verlassen – nachdem sie sich herangetastet haben.

Doch sobald es intensiv wird, sind Kohlenhydrate elementar und sollten stets die Ernährungsgrundlage bilden. Zudem gilt: Statt Extrem-Diäten anzuwenden, sollte die Alltags-Ernährung klar im Fokus stehen – ausgewogen, natürlich, regional.

Mehr Vorteile und Gefahren von Low Carb und Nüchterntraining im Radsport gibt es hier.

Tapering, Profitraining, Tour de France, Egan Bernal

Profis arbeiten bei der Tour de France bewusst mit Tapering

Profitraining: Tapering

Ein weiterer Bereich, in dem man von Profis lernen kann: die Steuerung des Trainings, gerade in der Wettkampfphase. Mit dem Ziel, dann gut zu sein, wenn es darauf ankommt.

In der unmittelbaren Wettkampf-Vorbereitung spricht man vom „Tapering“. Das Ziel in dieser Phase ist, die Ermüdung zu reduzieren und die Form steigern. Dafür wird das Trainingsvolumen in den letzten zwei Wochen vor dem Rennen schrittweise reduziert – und auch die Intensität geht zurück. Aufeinanderfolgende harte Einheiten finden in dieser Phase überhaupt nicht mehr statt, damit keine unnötige Erschöpfung mehr angesammelt werden kann.

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Besonderes Tapering bei der Tour de France

So ist der Taper für die Tour de France über die Jahre immer ausgefeilter geworden. Er beinhaltet eine besondere Herausforderung: Denn die wenigsten Teilnehmer wollen bereits zum Tour-Start in Topform sein – die entscheidenden Etappen kommen in der Regel frühestens in der zweiten Woche. Die Taper sind deshalb kürzer.

Viele Topfahrer halten sich noch bis zu eine Woche vor dem Tour-Start im Höhentrainingslager auf. Mindestens 2000 Meter über der Meereshöhe, etwa in den französischen Alpen oder in Andorra. Das letzte wirklich harte Training mit langen Intensitäten am Berg findet rund zehn Tage vor dem Tour-Auftakt statt. Danach folgen noch einige lockere Fahrten – mit maximal einigen kürzeren Sprints. Danach, während der finalen drei bis vier Tage vor dem Rennstart, gilt: möglichst wenig Stress, möglichst viel Ruhe. Die Ruhe vor dem Sturm.

Dieser Artikel erschien in der RennRad-Ausgabe 7/2019. Dort finden Sie ergänzend Trainingspläne der Profis. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.

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