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Nahrungsergänzungsmittel: Eiweiß, Mineralien, Vitamine, Pillen, Pulver
in Ernährung
Functional Food liegt im Trend: Nahrungsmittel, die schöner, fitter, gesünder machen sollen. Dass die meisten Versprechen der Ernährungsindustrie reines Marketing sind, haben wir in einem großen Artikel in der RennRad 9/2019 dargelegt. Doch wie sieht es mit dem sogenannten Nahrungsergänzungsmittel aus? Fast jeder Hobbysportler nutzt sie: Vitaminpillen, Proteinpulver, Mineralientabletten und mehr.
Die Werbelogik der Ernährungsindustrie lautet: Wer viel trainiere, könne mit normaler Ernährung nicht alle Speicher wieder so auffüllen, dass die Regeneration optimal sei – wer nicht zu einem Nahrungsergänzungsmittel (NEM) greife, lasse Potenzial liegen. Die Selbstoptimierung liegt im Trend, und dazu erscheinen die „gesunden Hilfsstoffe“ Vielen als ideal. Nur: Diese Darstellung hat mit den wissenschaftlichen Fakten wenig bis nichts zu tun.
50 bis 85 Prozent der Sportler nehmen Nahrungsergänzungsmittel
Dennoch: In verschiedenen Befragungen gaben 50 bis 85 Prozent der Sportler an, regelmäßig NEM einzunehmen. Das ergab die für das Bundesgesundheitsblatt im Jahr 2017 zusammengefasste Meta-Analyse „Nahrungsergänzungsmittel im Sport, Sinn, Unsinn oder Gefahr?“. Problematisch kann dabei sein, dass die Mittel oftmals nicht von Ärzten aufgrund von Diagnosen verschrieben werden.
Häufig beziehen Sportler ihre Informationen und Empfehlungen über Trainer, Teamkollegen oder eine einfache Recherche im Internet. Als erwünschte Effekte der Nutzung gaben die Befragten Muskelwachstum, Leistungssteigerungen und eine gesündere Lebensweise an.
Doch welches Nahrungsergänzungsmittel kann für Radsportler sinnvoll sein? Auf welche Präparate sollte man zurückgreifen? Oder können Nahrungsergänzungsmittel sogar schädlich sein? Welche natürlichen Alternativen sind empfehlenswert? Die Antworten beginnen mit den verschiedenen Nährstoffgruppen.
Energieriegel, Gels und Getränkepulver im Test
Proteine
Die Gruppe der Makronährstoffe umfasst Proteine, Kohlenhydrate und Fette. Proteine und ihre Bausteine, die Aminosäuren, sind in Fitnessstudios oder Sportvereinen die wohl verbreitetsten Nahrungsergänzungsmittel.
Etwa 55 bis 70 Prozent der Befragten gaben in einer Erhebung an, regelmäßig Eiweißpräparate zu verwenden. Auffällig ist: Leistungssportler greifen deutlich seltener auf Protein-Zusätze zurück. Mit neun bis 36 Prozent gaben relativ wenige von ihnen an, regelmäßig Proteinshakes und ähnliches einzunehmen.
Zahlreiche Studien belegen, dass Aminosäuren die Erholung und Regeneration nach dem Training fördern und damit eine Leistungssteigerung bewirken können. Beim Training werden die Aminosäurevorräte geleert. Diese können nur durch die exogene Zufuhr, somit durch die Ernährung, wieder aufgefüllt werden.
Unterversorgung mit Proteinen kommt kaum bis gar nicht vor
Jedoch zeigen Daten des Robert-Koch-Instituts, dass in Deutschland eine potenziell schädliche Unterversorgung mit Proteinen bei Männern im Alter zwischen 18 und 44 Jahren kaum bis gar nicht vorkommt. Bei einer mittleren Trainingsbelastung, wie sie im Breitensport üblich ist, genügt demnach in der Regel eine normale Ernährung mit täglich 0,8 bis 1,2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht.
Hochleistungssportler benötigen dagegen bis zu zwei Gramm pro Kilogramm Gewicht. Proteine können idealerweise durch die normale Ernährung ausreichend aufgenommen werden.
Nahrungsergänzung: Gängig oder gefährlich?
Eine Einnahme von 20 bis 25 Gramm Proteinpulver oder bis zu zehn Gramm Aminosäuren kann bei besonderen Belastungen oder unzureichender Regeneration unterstützend wirken. Eine höhere Dosierung bringt nach bisherigen Forschungsergebnissen keine weiteren Vorteile. Zusätzliche Proteine können etwa dann sinnvoll sein, wenn durch eine vegane oder vegetarische Ernährung weniger Proteine aufgenommen werden.
Kohlenhydrate & Fette
Dass Kohlenhydrate im Ausdauersport die Leistung bedingen, ist belegt. Kohlenhydrate sind die wichtigste Energiequelle und sollten bei Trainingseinheiten von mehr als einer Stunde Dauer regelmäßig zugeführt werden. 30 bis 90 Gramm pro Stunde schnell verfügbarer Kohlenhydrate verhindern je nach der Intensität der Belastung die Entleerung der Kohlenhydratspeicher und beugen einer Totalerschöpfung vor.
Für Leistungssportler werden im Wettkampf kohlenhydratreiche Getränke, Riegel und Gels empfohlen, Breitensportler sollten sie nur in Ausnahmefällen einnehmen. Bestimmte Fettsäuren sind für den Menschen essenziell, weil sie als Membranbestandteile verwendet werden und zudem für die Hormonbildung notwendig sind. Als Triglyceride sind sie außerdem ein wichtiges Energiereservoir.
Eine Leistungssteigerung durch Supplementierung mit Triglyceriden konnte jedoch bisher nicht bestätigt werden, daher ist davon abzuraten. Eine Aufnahme der essenziellen Fettsäuren sollte über die normale Ernährung abgedeckt werden.
Vitamine
Mikronährstoffe umfassen Vitamine und Mineralstoffe. Vitamine sind an nahezu allen Stoffwechselprozessen beteiligt. Da physiologische Prozesse durch mehr als eine Substanz beeinflusst werden, ist eine Einschätzung zur Wirksamkeit einzelner Vitamine in Bezug auf die sportliche Leistung schwierig. Ebenso wirken die meisten Vitamine nicht isoliert, sondern nur im Zusammenspiel mit Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen.
Besonders die Antioxidantien wie die Vitamine A, C, E, Betakarotin und das Spurenelement Selen sind bei Sportlern als Supplemente beliebt. Antioxidantien sollen den bei körperlicher Belastung entstehenden reaktiven Sauerstoffradikalen entgegenwirken und die Muskelerschöpfung abschwächen.
Es gibt Hinweise darauf, dass Vitamin C bei Ausdauersportlern das Erkältungsrisiko reduziert. In zu hohen Dosen kann es jedoch schädlich wirken. Leistungseffekte sind nicht nachgewiesen. Vitamin D, das vom Körper mithilfe von UVB-Strahlung selbst hergestellt werden kann, spielt eine wichtige Rolle beim Kalziumstoffwechsel.
Eine Vitamin-D-Unterversorgung kann bei Athleten mit einer verminderten Knochendichte und Frakturen in Verbindung gebracht werden. Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel ist ebenfalls mit einer verminderten Leistungsfähigkeit assoziiert, deshalb sollten Sportler regelmäßig ihre Blutserumwerte kontrollieren lassen.
RennRad-Ausgabe 10/2019: Alle Inhalte auf einen Blick!
Mineralstoffe
Mineralstoffe werden mit der Nahrung aufgenommen, sie sind anorganisch. Der menschliche Stoffwechsel benötigt Mineralstoffe in geringen Mengen. Die meistverwendeten Mineralstoffpräparate von Spitzensportlern sind Magnesium, Eisen und Kalzium. Magnesium ist an der Proteinsynthese und an den sogenannten ATP-Reaktionen, also dem Energiestoffwechsel, beteiligt.
Magnesium wird im Wettkampf oft gegen Krämpfe eingesetzt. Aber: Für eine Wirksamkeit gibt es keine Belege. Sofern kein Mangel vorliegt, ist durch die Nahrungsergänzungsmittel-Zufuhr zudem kein positiver Einfluss auf die Leistung nachweisbar. Ein Eisenmangel tritt dagegen recht häufig bei Ausdauersportlern auf. Vegetarier und Sportlerinnen sind zudem häufiger betroffen.
Eine gezielte Therapie sollte aber erst nach einer medizinischen Abklärung begonnen werden. Kalzium ist für den Knochenaufbau, für die Muskelfunktion sowie für die Blutgerinnung wichtig. Nur bei einer verringerten Knochendichte ist eine Kalzium-Supplementierung notwendig. Zink unterstützt das Immunsystem. Eine leistungssteigernde Wirkung einer Zinkeinnahme kann aber nur dann festgestellt werden, wenn ein Mangel vorliegt – was bei einer normalen Ernährung nur sehr selten vorkommt. Sonst zeigt sich keine Wirkung.
Koffein & Co.
Koffein steht seit einigen Jahren nicht mehr auf der Dopingliste der verbotenen Substanzen. Aufgrund der sozialen Akzeptanz ist es leicht zugänglich und gehört zu den beliebtesten leistungssteigernden Substanzen. 16 bis 37 Prozent der befragten Leistungssportler gaben in den anfangs genannten Untersuchungen an, koffeinhaltige Mittel zu nutzen.
Zahlreiche Studien belegen eine leistungssteigernde Wirkung im Ausdauersport. Koffein kann gegen Müdigkeit und Erschöpfung wirken, die Schmerzwahrnehmung verringern und die kognitive und physische Leistung steigern. Die empfohlene Menge vor dem Wettkampf beträgt etwa drei bis sechs Milligramm Koffein pro Kilogramm Körpergewicht. Dies hängt jedoch auch von der individuellen Verträglichkeit ab.
Als Puffersubstanzen werden Natriumhydrogencarbonat und Natriumnitrat bezeichnet, weil sie ein Ungleichgewicht des Säure-Basen-Haushaltes ausgleichen können. Insbesondere bei anaeroben Belastungen des Muskels kann damit die Erschöpfung verzögert werden. Bei einer kurzen, intensiven Belastung wurde ein leistungssteigernder Effekt nachgewiesen.
Die Bedeutung für Kaffee im Radsport
Probleme bei Koffein als Nahrungsergänzungsmittel
Jedoch sind häufige Nebenwirkungen Magenbeschwerden, welche die Leistungsfähigkeit wiederum negativ beeinflussen können. Eine Nahrungsergänzung ist nur dann notwendig und sinnvoll, wenn de facto ein Mangel vorliegt. Ob dies der Fall ist, wird durch ein Blutbild geklärt. Oftmals werden Müdigkeit oder eine ausbleibende Leistungssteigerung zu Symptomen für Mangelerscheinungen erklärt und damit eine Einnahme von NEM gerechtfertigt.
Diese Faktoren können tatsächlich als Folge eines Mangels, etwa an Eisen, Eiweiß oder Vitamin B6, auftreten. Allerdings gibt es unzählige andere Gründe für Müdigkeit oder ausbleibende Form. Stress im Beruf, Über- oder Unterforderung im Training oder eine schlechte Schlafqualität können die Ursachen sein. Bei der Diagnose sollte man sich auf einen Arzt verlassen. Ohne Absprache sollten keine Mittel eingenommen werden.
Nebenwirkungen
Der Nahrungsergänzungsmittel-Konsum ist hoch: Einer der Hauptgründe liegt sicherlich im Mangel an Aufklärung über deren Nebenwirkungen und Gefahrenpotenzial begründet. Eine im Journal für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit veröffentlichte Befragung ergab, dass 58 Prozent der Befragten fälschlicherweise davon ausgehen, dass Nahrungsergänzungsmittel keinerlei Nebenwirkungen verursachen können.
Für antioxidative Präparate mit den Vitaminen A, C, E, Betakarotin und Selen etwa liegen Langzeitstudien vor. Diese widerlegen die Annahme, dass jene Vitamine gesundheitsförderliche Wirkungen besitzen, wenn sie in hohen Dosierungen zugeführt werden. Eine Meta-Analyse zu Betakarotin sowie zu den Vitaminen A und E zeigte sogar eine erhöhte Sterblichkeit bei der Teilnehmergruppe, die diese Vitamine durch Supplemente zu sich nahm.
Die genaue Ursache hierfür ist derzeit nicht bekannt. Auch die Gefahr von Überdosierungen ist bei Nahrungsergänzung nicht ausgeschlossen. Die fettlöslichen Vitamine A, D und E werden bei einer erhöhten Aufnahme in der Leber gespeichert und können nicht wie die wasserlöslichen Vitamine über die Niere ausgeschieden werden. Damit ist ihr Toxizitätspotenzial deutlich höher.
Kopfschmerzen, Photophobie, Leberschäden
Eine akute Überdosierung von Vitamin A kann zu Kopfschmerzen, Photophobie sowie zu Leberschäden führen. Chronische Überdosierungen können die Leber, die Haut, die Knochen und das zentrale Nervensystem schädigen.
Die Überdosierung von Vitamin D kann zu einer sogenannten Verkalkung von weichem Gewebe führen, weil es den Kalziumstoffwechsel stören kann. Zu hohe Vitamin-E-Werte können ein erhöhtes Blutungsrisiko bewirken. Bei sehr hohen Verabreichungen der Vitamine C und E ist eine verminderte sportliche Anpassungsfähigkeit belegt.
Eiweiß: Die empfohlene Höchstdosierung der Proteinaufnahme von zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht am Tag sollte ebenfalls nicht überschritten werden, andernfalls droht eine Schädigung der Leber und der Niere. Das Problem der Supplementierung von Mineralstoffen ist, dass für unterschiedliche Mineralstoffe die gleichen Transportmechanismen im Körper verwendet werden. Eine zu hohe Dosierung eines Mineralstoffs kann somit zu einer Blockade der Transportwege und somit zu einer geringeren Verfügbarkeit anderer Mineralstoffe führen.
Nahrungsergänzungsmittel im Sport: Dopingtests
Es kann vorkommen, dass Sportler mit einem positiven Dopingtest konfrontiert werden, weil sie verunreinigte NEM verwenden. Manche Hersteller mischen gewisse auf der Dopingliste stehende Substanzen wie etwa anabole Steroide bewusst bei, um ein Präparat wirksamer zu machen. Aber auch eine geringe Qualitätssicherung kann dazu führen, dass Präparate verunreinigt sind.
Einen Freispruch kann man damit nicht erwirken: Da jeder Athlet selbstverantwortlich handelt und eine positive Probe in jedem Fall zu einer Sperre führt, müssen Sportler sichergehen, keine fragwürdigen Produkte zu verwenden. Ein guter Anhaltspunkt, welche NEM mit minimalem Dopingrisiko eingenommen werden können, gibt die sogenannte Kölner Liste. Dort führt der Olympiastützpunkt Rheinland alle getesteten und hinsichtlich der Doping-Regularien unbedenklichen Nahrungsergänzungsmittel auf.
Fazit
Die Grundlage für eine gesunde Lebensweise und eine optimale Regeneration sowie eine bestmögliche Leistungsentwicklung liegt in einer ausgewogenen Ernährung. Das Lebensmittelangebot ist so vielseitig, dass mit einer ausgewogenen Lebensweise keine Mängel auftreten sollten. Somit sind Nahrungsergänzungsmittel größtenteils überflüssig.
Mit Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch und Getreideprodukten kann der Körper optimal mit Nährstoffen versorgt werden. Gerade Mikronährstoffe in Obst und Gemüse können ihre optimale Wirkung bestmöglich durch das Zusammenspiel mit sekundären Pflanzenstoffen sowie mit Ballaststoffen entfalten – so, wie sie in der Natur vorkommen.
Nahrungsergänzungsmittel und die Gefahr des Überkonsums
Bei Breitensportlern und auch im Leistungssport herrscht ein Überkonsum an Nahrungsergänzungsmitteln. Dabei werden der Bedarf und der mögliche Nutzen deutlich überschätzt. Für viele der auf dem Markt erhältlichen Mittel wurde eine Wirksamkeit bisher nicht belegt. Einige gelten sogar als leistungsmindernd, im schlimmsten Fall als gesundheitsschädlich.
Ebenso besteht für Leistungssportler die Gefahr einer Verunreinigung der Produkte mit unerlaubten Substanzen, was positive Dopingtests nach sich ziehen kann. Nur in wenigen Ausnahmesituationen, wie etwa bei einem chronischen Mangel, bei besonders hohen Belastungen oder bei einer eingeschränkten Lebensmittelverfügbarkeit, etwa auf Reisen, kann eine zusätzliche Einnahme von bestimmten NEM hilfreich sein.
Grundsätzlich sollten alle Sportler egal welchen Leistungslevels den Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln gründlich überdenken und nur nach Absprache mit einem Arzt, idealerweise auf Basis der in einem Bluttest ermittelten Werte, danach greifen. Eine vollwertige Ernährung deckt bei gesunden Sportlern üblicherweise den Nährstoffbedarf voll ab.