Fette: Gut oder böse? Ein wissenschaftlicher Einblick
Fette: Was sind gute Fette, was sind böse Fette?
in Ernährung
Der Radsport wird immer wissenschaftlicher: Es geht um Leistungsmesser, Laktatwerte, Wattwerte, Aerodynamik, Gewicht. Auch des Themas Ernährung werden sich immer mehr Menschen bewusst. Es geht um Gesundheit. Und mehr: Die Optimierung der Leistung beginnt beim Essen.
Regeneration und Ernährung hängen zusammen
Nur haben die Meisten falsche Vorstellungen davon, was eine gute Ernährung überhaupt ausmacht. Dass ein Sportler jeden Tag mit der Auswahl seiner Lebensmittel seine Regeneration maßgeblich bestimmt, ist den Wenigsten bewusst. Selbst Trainingseffekte werden direkt durch das bestimmt, was man an einem Tag zu sich nimmt.
Genau darum werden an dieser Stelle in der RennRad regelmäßig Kolumnen folgen, die das nötige Wissen liefern sollen – dazu wie Regeneration, Trainingseffekt, Leistung und unser tägliches Essen direkt und indirekt zusammenhängen.
Fette sind nicht gleich Fette
Zum Thema Fett gibt es etliche Studien und – wenn man sich im Internet, in Frauen- und Fitnesszeitschriften umsieht – scheinbar genauso viele Empfehlungen für „eine optimale Ernährung“. Dem ist nicht so. Doch der Reihe nach.
Während früher vor allem die gesättigten Fette als eher gesundheitsgefährdende Bestandteile der Ernährung galten, hat hier längst ein Umdenken stattgefunden. Fette werden heute nicht mehr verteufelt – zumindest nicht von seriösen Verbänden und Personen. Im Gegenteil: Sie sind als wichtiger Bestandteil in den Fokus geraten.
Und so kamen immer neue Erkenntnisse zutage, die vor allem für Sportler interessant sind. Denn Fett, das ist nicht nur das Baumaterial für „Problemzonen“. Es ist auch ein zentraler Baustoff für die Zellwände. Deshalb gilt: Je besser man seine Fettquellen auswählt, desto besser funktioniert die Muskelzelle, desto weniger Entzündungen entstehen nach einem intensiven Training, desto schneller geschieht die Regeneration.
Welchen Einfluss hat Fett auf die Leistung? Und welches Fett ist gesund?
Training verursacht Stress in den Zellen
Die Zellmembran hat viel mehr Funktionen, als den Meisten bewusst ist. Jedes Training belastet die Muskelzellen. Durch diesen Stress wird die Zellmembran „beschossen“ – und Bauteile lösen sich ab. Diese werden vom Körper verwendet, um wichtige Signalstoffe, die Gewebshormone, auszusenden.
Durch das Enzym Cyclooxygenase werden die Bauteile nun zu entzündlichen oder antientzündlichen „Meldeläufern“ umgebaut. Cyclooxygenase sollte recht vielen Menschen bekannt sein, denn Medikamente wie Diclofenac, Ibuprofen und weitere „Entzündungshemmer“ wirken auf genau dieses Enzym.
Bei akuten Schmerzen sind solche Medikamente sicherlich sinnvoll, werden sie jedoch über längere Zeiträume hinweg eingenommen, werden selbstheilende Kräfte unterdrückt. Studien haben gezeigt, dass durchblutungsfördernde Prozesse um bis zu 30 Prozent reduziert werden können – somit würde auch die Regeneration eines Athleten deutlich verlangsamt.
Gesundes Training: So klappt die Mischung aus Belastung und Regeneration
Omega-3-Fettsäuren: Die Auswahl der richtigen Fette
Ob man eher entzündliche oder antientzündliche Prozesse fördert, hat man zum Teil selbst in der Hand. Indem man die richtigen Nahrungsfette auswählt.
Hier wird unterschieden zwischen, zum einen: mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Diese bestehen aus Omega-3- und Omega-6-Fetten und sind der Grundbaustoff für die Zellmembran. Werden dem Körper ausreichend Omega-3-Fette zugeführt, steigt der Anteil antientzündlicher Prozesse.
Wenn sich Sportler aber, was heute zur gängigen Ernährung der meisten Menschen gehört, vor allem aus Omega-6-lastigen Fettquellen ernähren, kann es zum Gegenteil kommen: Zu genau jenen Reaktionen des Körpers, die Sportler verhindern wollen, da sie die Regeneration behindern statt fördern – zu schnell hochschießenden Entzündungswerten, zu einer verschlechterten Fettverbrennung, zu muskulären Problemen, sogar zu Verletzungen. Dies zeigt ganz klar, warum die Auswahl von Fetten so wichtig ist.
Fette meiden: Transfette
Einen besonders negativen Einfluss haben hier die sogenannten Transfette. Dies sind hocherhitzte Pflanzenöle, wie sie etwa oft zum Frittieren verwendet werden. Hier werden ungesättigte Fette so chemisch verändert, dass sie zwar immer noch in die Zellmembran eingebaut werden können, jedoch die Funktionalität der Zelle stark beeinträchtigen. Sportler, die sich vor allem von Frittiertem oder Esswaren mit hohem Transfett-Anteil ernähren, werden ihr Potential nie ausschöpfen können.
Tiere, die vor allem frisches Grünfutter fressen, entwickeln automatisch auch mehr Omega-3-Fettsäuren. So hat ein auf einer Alpe hergestellter Käse in der Regel einen höheren Anteil dieser wertvollen Fettsäuren als einer aus Massenproduktion. Warum? Weil die Milch von Kühen stammt, die vor allem Gras und Heu statt Kraftfutter gefressen haben.
Auf die Art der Fette kommt es an
Für Wild gilt dies ebenso. Im Gegensatz dazu haben etwa viele Zuchtfische aus Aquakulturen deutlich weniger Omega-3-Fettsäuren als Wildfische, dafür aber einen etwas höheren Omega-6-Anteil. Dies geschieht vor allem, wenn die Züchter die Fische vorrangig mit Pflanzenölen füttern.
Allerdings kann man diese partiellen Erkenntnisse nicht verallgemeinern: Auf die Art des Fischs, der Aufzucht und des Futters kommt es an. Besonders gute Omega-3-Lieferanten sind: Fettfisch, Raps-, Walnuss- und Leinöl. Omega-6-lastig sind vor allem Wurst, Mais-, Sonnenblumen- und Distelöl.
Je höher die Anteile der „3er“ Fettsäuren, die ein Sportler zu sich nimmt, desto besser ist dies für die Regenerationsfähigkeit. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass diese Fettsäureneinnahme Einfluss auf weitere Körperfehlfunktionen wie etwa Belastungsasthma oder Darmprobleme hat.
Das Insulin-Problem
Auch beim Thema Fett spielt der Zucker eine wichtige Rolle. Denn: Eine Abbaustufe der Omega-6-Fettsäuren, genauer gesagt DHGLA, wirkt ebenfalls stark antientzündlich. Aber: Je mehr Zucker man über den Tag zu sich nimmt, desto mehr Insulin wird im Körper produziert.
Hier muss man etwas ins Detail gehen: Je mehr Insulin freigesetzt wird, desto mehr DHGLA wird zu ARA, genauer gesagt Arachidonsäure, abgebaut. Diese wirkt im Körper wiederum stark entzündlich. Welche Auswirkungen hat dies nun auf die Ernährung eines Sportlers? Diese Prozesse machen klar, warum es für Athleten, die an latenten entzündlichen Prozessen leiden, so essentiell ist, die Kohlenhydratzufuhr richtig zu timen.
Von daher kann es für Sportler durchaus Sinn ergeben, Zucker möglichst zu meiden. Außer – und das ist essenziell, denn hier werden viele falsche „Wahrheiten“ propagiert und deshalb auch sehr viele große Fehler begangen – zum intensiveren Training und vor allem Wettkampf.
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Gute Fette, böse Fette: Fazit
Fakt ist: Die richtige Ernährung bildet die Voraussetzung für eine optimale Regeneration.
Auch deshalb sollte hier nicht gespart werden. Je hochwertiger und frischer die Pflanzenöle sind, desto besser. Je besser die Fleisch- und Fischqualität, desto besser „funktioniert“ der Körper.
Meine persönliche Bitte zum Schluss: Bitte investieren Sie nicht mehr in ihr Fahrrad als in sich selbst. Denn Ihr Körper ist sehr viel wertvoller, er ist der Motor, der alles antreibt – und für ihn gibt es keine Ersatzteile.
Übersicht: Fette & Öle
Empfehlenswert
- Olivenöl: am besten extra vergine, kaltgepresst. Nicht bis zum Rauchpunkt erhitzen.
- High-Oleic Öle: Varianten von Raps- und Sonnenblumenöl, das deutlich mehr Öl- und weniger Linolsäure enthält.
- Rapsöl: reich an Öl-, Linol- und α-Linolensäure.
- Bratbutter, Kokosöl, Kakaobutter: hoher Gehalt an gesättigten Fettsäuren. Gut zum Braten geeignet.
- Butter: zum Braten geeignet.
Bedingt empfehlenswert
- Erdnussöl: Hoher Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, dennoch zum Braten geeignet.
- Soja- Hanf-, Leinöl: für die kalte Küche.
Eher nicht empfehlenswert
- Sonnenblumen-, Distel-, Kürbiskernöl: Hoher Anteil an Linolsäure. Mit Bedacht in der kalten Küche einsetzbar.
Kaum zu empfehlen
- Margarine
- Gehärtetes Pflanzenfett
- Industriell hergestellte Frittier-Öle
- Palmöl
Entzündungshemmende Fette — eine Auswahl
(Anteil an Gesantfett in %)
- Leinöl 56%
- Walnussöl 14%
- Rapsöl 9%
- Sojaöl 8%
- Weizenkeimöl 8%
- Kabeljau 51%
- Lachs 44%
- Makrele 42%
- Ostseehering 29&
Der Autor: Jürg Hösli
Jürg Hösli gehört zu den renommiertesten Ernährungswissenschaftlern der Schweiz. Er arbeitet seit Jahren mit etlichen Leistungs- und Profisportlern zusammen, berät unter anderem die deutschen Nationalfahrer und -trainer des Bundes Deutscher Radfahrer und ist Gründer des Teams von „Erpse – Institut für Ernährungsdiagnostik“ mit Sitz in Winterthur.