Neues aus der Forschung: Formaufbau und Verlust
Formverlust in der Saisonpause: Wie viel Leistungsfähigkeit büßt man ein?
in Training
Die Herzfrequenz ist höher als gewohnt. Die Geschwindigkeit ist niedrig. Anstiege fallen schwer. Nach einer Saisonpause bemerken viele Radsportler einen enormen Formverlust. Doch woran liegt das? Welche Leistungsverluste bewirkt eine längere Pause? Wie lange dauert es, wieder die alte Form zu erreichen?
Das sogenannte Detraining beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem nach der Erholungsphase des letzten Trainingsreizes kein weiterer Reiz gesetzt wird. Dies tritt in der Regel nach drei bis fünf Tagen ein. Zunächst gehen die direkten Anpassungserscheinungen der letzten Trainingseinheit verloren. Das heißt: Die Glykogenvorräte in der Muskulatur normalisieren sich und werden dann stetig abgebaut.
Herzfrequenz: Veränderung des Herzkreislaufsystems in der Saisonpause
Nach etwa fünf Tagen der vollständigen Pause fällt die Kapazität der Glykogenspeicher unter das Ausgangsniveau. Ebenso reduziert sich in dieser Zeit das Blutvolumen. Dadurch kann weniger Sauerstoff zum Muskel transportiert werden. Um den Verlust des Blutvolumens zu kompensieren und die Muskulatur mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen, muss das Herz schneller schlagen. Deshalb ist die Herzfrequenz bei den ersten Ausfahrten nach einer Pause erhöht.
Sauerstoffaufnahme: Leistungsabnahme nach zwei Wochen Trainingspause
Je länger der Sportler inaktiv bleibt, desto mehr negative Effekte stellen sich ein. Nach zehn bis 14 Tagen nimmt die Kapazität für die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) ab. Die Mitochondriendichte und -anzahl geht zurück. So kann der Sauerstoff, der an der Muskelzelle ankommt, schlechter in Energie umgewandelt werden. Diese Prozesse führen dazu, dass die VO2max nach mehr als zwei Wochen vollständiger Pause um bis zu 20 Prozent sinkt. Auch das Schlagvolumen des Herzens, also die Menge an Blut, die pro Herzschlag befördert werden kann, reduziert sich dann deutlich.
Denn auch der Herzmuskel verliert an Kraft, wenn die Belastungsreize ausbleiben. Ebenso baut die gesamte Muskulatur allmählich ab. Dabei verschlechtert sich die inter- und intramuskuläre Koordination, also die Ansteuerung der Muskulatur durch die Nerven. Der Nerv-Muskel-Apparat „verlernt“ mit der Zeit das optimale Zusammenspiel während der Pedalumdrehung.
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Studienlage zum Formverlust in der Saisonpause
Die radfreie Zeit sollte nicht länger als maximal vier Wochen dauern. Lange Pausenzeiten führen zu erheblichen Leistungseinbußen. Eine 2016 im Journal of Sports Sciences veröffentlichte Studie untersuchte die Effekte einer fünfwöchigen Trainingspause auf die Leistungsfähigkeit angehender Radprofis im Alter von etwa 20 Jahren.
Die zehn Probanden wurden dabei unter anderem hinsichtlich ihrer Gewichtszunahme, der maximalen Sauerstoffaufnahme sowie ihrer anaeroben Schwellenleistung (in Watt pro Kilogramm Körpergewicht) getestet. Die Studienteilnehmer nahmen in den fünf Wochen absoluter Pause durchschnittlich um 2,3 Prozent an Körpermasse zu. Weitaus gravierender fielen jedoch die Leistungseinbußen aus.
Der VO2max-Wert der jungen Radsportler sank um 10,8 Prozent von vorher herausragenden 78,5 Millilitern Sauerstoff pro Minute und Kilogramm Körpergewicht auf durchschnittlich 69,9. Der Rückgang der anaeroben Schwellenleistung betrug 0,6 Watt pro Kilogramm (von 4,9 W/kg auf 4,3 W/kg). Die Forscher gelangten zu dem Ergebnis, dass eine Saisonpause deutlich kürzer ausfallen sollte als fünf Wochen. Zudem sollte man körperlich aktiv bleiben.
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Wiederaufbau der Leistungsfähigkeit
Ohne neue Trainingsreize verliert man zuerst die Leistungsfähigkeit in den Spitzenbereichen. Die hochintensiven Belastungen fallen nach der Pause deutlich schwerer. Die Laktattoleranz ist vermindert, wodurch sich gleiche Belastungen anstrengender anfühlen. Jedoch bleibt das Grundlagenausdauerniveau relativ lange erhalten. Dabei gilt: Je länger ein Sportler bereits trainiert und je höher das Ausgangsniveau war, desto langsamer baut der Körper ab. Lange und lockere Grundlageneinheiten können deshalb auch nach einer ausgedehnten Pause meist wieder problemlos absolviert werden.
Nach kürzeren Pausen „erinnert“ sich der Körper schnell an die bereits erlangte Leistungsfähigkeit. Dieses als Memory-Effekt bezeichnete Phänomen ist einer der Gründe dafür, dass erfahrene Profis nach längeren Verletzungspausen häufig auf einem sehr hohen Niveau wiedereinsteigen und bald erneut konkurrenzfähig sind. Auch bei Hobby- und Amateursportlern ziehen kürzere Pausen in der Regel keine ernsthaften Leistungseinbußen nach sich. Wer zuvor über mindestens drei Monate regelmäßig trainiert hat, kann das Ausgangsniveau nach zwei bis vier Wochen Training wiedererlangen.
Bei einer längeren Pause von etwa acht Wochen können dann allerdings fast 20 Wochen nötig sein, um das alte Niveau zu erreichen. Hier spielen ebenso die Grundfitness sowie das individuelle „Trainingsalter“ eine entscheidende Rolle. Sportler, die seit Jahren einen hohen Trainingsumfang absolvieren, erreichen schneller wieder ihr Ausgangsniveau als Anfänger oder Radsportler mit niedrigerem Trainingspensum.
Sinn der Saisonpause: Regeneration und Motivation
Es gibt gute Gründe dafür, nach der Saison das Radtraining deutlich zu reduzieren. Manche Anpassungseffekte des Muskel-Sehnen-Apparates sowie des Herz-Kreislauf-Systems benötigen viel Zeit. Während die Muskulatur sich beispielsweise recht schnell an neue Reize anpassen kann, brauchen die unsere Muskeln umgebenden Strukturen wie Sehnen und Bänder deutlich länger. In der Saisonpause können diese Anpassungen stattfinden. Der Körper erholt sich umfassend, mögliche Überreizungen können ausgeglichen werden.
Neben den physischen Belastungen verlangen Sportler während der Saison sich selbst und ihrem sozialen Umfeld auch psychisch einiges ab. Die Trainingsauszeit ist daher für viele essenziell, um die Motivation im Wintertraining und während der Saison hochzuhalten.