Mallorca: Meer Mythos
Mallorca als Destination für Rennrad-Trainingslager
in Reise
Tropfen auf der Brille, Prasseln auf dem Helm. Der Regen setzt ein – innerhalb von fünf Sekunden. Es ist ein Platzregen. Vom dunklen Asphalt springen die Tropfen zurück. Die graue Lauffläche des Vorderreifens färbt sich dunkel. Ein sanfter Platzregen im milden Winter. Der Regen zieht bald vorbei, die Sonne bricht wieder durch, das Meerwasser glitzert in der Bucht, unter der Regenjacke wird es uns zu warm. Wir fahren die ersten Berge der Saison. Die ersten richtigen Berge, ohne Schnee und Eis. Wir sind am Coll de Soller, wir fahren zehn Kilometer bergauf, legen 450 Höhenmeter am Stück zurück. Der Coll de Soller ist einer der meistgefahrenen Berge des Radsports. Denn dies ist eine Radsport-Insel. Mallorca ist die Radsportinsel. Für viele Rennradfahrer ist das Trainingslager in Mallorca ein jährliches Ritual. Ein verlässliches Trainingslager, ein wesentlicher Baustein im Formaufbau für eine gute, lange Saison.
Wer noch nicht hier war, kennt Bilder, Namen und Erzählungen: Cap de Formentor, Sa Calobra, Puig Major. Berge im Meer, Serpentinen hinab und hinauf an Buchten mit azurblauem Wasser, durch Felsenspaliere, vorbei an kargen, trockenen Büschen.
Winter in Deutschland, perfekte Bedingungen auf Mallorca
Es ist spät im Winter, in Deutschland liegt noch Schnee. Wir fliehen zur Mandelblüte, rosa und weiß leuchtet es an Straßen, die frei sind von Schnee und Rollsplit. Straßen, an denen Schilder die Autofahrer zum Sicherheitsabstand von 1,5 Metern ermahnen, wenn sie Radfahrer überholen. Als wir am Flughafen in Palma ankommen und mit dem Auto die Insel durchqueren, zeigt das Thermometer 18 Grad Celsius.
Die Hand friert nicht, wenn man sie während der Fahrt aus dem Fenster streckt. Ein letztes Mal in dieser Woche sitzen wir im Auto. Die nächsten Tage verbringen wir auf dem Rad oder im Bett oder morgens und abends am Esstisch.
Zwischen Alcudia und Pollenca
Unsere Trainingswoche hatten wir schon lange gebucht. Man kann es sich einfach machen auf Mallorca, kaum eine Destination ist für Radsportler zugänglicher. Wir haben es uns einfach gemacht. Wir haben gebucht: Halbpension im Grupotel „Los Principes“, Leihräder von Huerzeler. Mehr brauchen wir nicht, hier am Sandstrand von: Platja de Muro, wie es die Mallorquiner selbst und stolz auf Katalanisch nennen, oder aber Playa de Muro, wie es auf Spanisch heißt. Es ist der Strandabschnitt der Gemeinde Muro, im Nordosten der Insel, in der Bucht zwischen Alcudia und Pollenca.
Huerzeler ist allgegenwärtig auf Mallorca. Die Trikots, welche die Gäste mit dem Radsport-Paket erhalten, sieht man überall auf der Insel. Zusätzlich zum Verleih bietet Huerzeler unter anderem Werkstätten, Boutiquen und Treffpunkte für geführte Ausfahrten an. Max Huerzeler hat die Firma unter seinem Namen gegründet.
Als Profi und ehemaliger Bahnrad-Weltmeister lernte Huerzeler Mallorca als Trainingsinsel kennen. Er war 1986 einer der Ersten, die Mallorca als Radsport-Insel für viele Freizeitathleten erkannten. Und er schaffte es, diese Seite Mallorcas prominent zu machen.
Radsport auf Mallorca als Geschäftsmodell
Seit 1986 ist der Radsport auf Mallorca das Geschäft von Huerzeler, 2005 verkaufte der Gründer die Firma. Das Angebot wird jedoch unter dem prominenten Namen weitergeführt. Dass Mallorca in Deutschland nicht nur auf den Ballermann, die wenigen Quadratkilometer Partytourismus an der Küste von Palma, reduziert wird, liegt auch an Unternehmen wie Huerzeler.
Mallorca steht für Radsport, für Trainingslager, für Saisonvorbereitung – auch wenn der Party-Tourismus das Image der Insel noch immer prägt. Bekannt ist vor allem der Balneario N° 6, der Strandabschnitt, dessen Namen über Wortspielereien zum Namen des berühmten Strandlokals „Ballermann 6“ führte und als „Ballermann“ für diese Art des Tourismus steht.
Radsportler: Beliebter als Party-Touristen
Beliebter als die Party-Touristen sind bei den Mallorquinern meist die Radsportler, die ihr Geld nicht nur zwischen All-inclusive-Hotel und dem Ballermann lassen. Die überhaupt deutlich mehr Geld ausgeben als Durchschnitts-Urlauber, rund 30 Prozent. Und die man als gute und treue Gäste gewinnen kann. Die 8000 Startplätze für die zehnte Ausgabe des Radmarathons Mallorca 312 waren in diesem Jahr schon nach weniger als einer Woche komplett ausverkauft. Die meisten kommen nicht nur für das Event, sondern bleiben gleich länger als eine Woche, viele erweitern die Reise sogar zum Familienurlaub, sagt Organisator Xisco Lliteras.
Dennoch sind die Radfahrer bei den rund 870.000 Mallorquinern nicht unumstritten. Zur Hochsaison Mitte April füllen sie die Straßen und erschweren gerade auf kurvigen und schmalen Küsten- und Bergstraßen mitunter den Autofahrern das Überholen. Auch Umweltschützer kritisieren den zunehmenden Sporttourismus, der durch beliebte Events wie Mallorca 312, den Marathon in Palma oder den Halbdistanz-Ironman-Triathlon in Alcudia immer größer wird.
Welches ist der beste Standort für ein Trainingslager auf Mallorca?
Für Mallorca gilt: Die Wege sind kurz. Wer ein paar Tage bleibt und einige Mehrstunden-Touren fährt, kann einen Großteil der 3.640 Quadratkilometer großen Insel erleben. Der kann Mallorca in allen Facetten kennenlernen: Das Inselinnere kann flach sein. Im Tramuntana-Gebirge im Nordwesten kann man extrem bergige Touren fahren.
Welcher der „beste“ Standort für ein Trainingslager auf Mallorca ist, ist umstritten. Denn fast überall auf der Insel gibt es auf Rennradfahrer ausgerichtete Hotels und Verleihstationen, Traumstrecken, ideale Trainingsmöglichkeiten.
Was es beim Trainingslager auf Mallorca zu beachten gilt: Weiterführende Tipps gibt es hier!
Nordwesten und Nordostküste
Doch der Nordwesten und die Nordostküste zwischen Port de Pollenca, Port d’Alcuida und Can Picafort sind besonders beliebt. Der Hauptgrund: die legendären Anstiege im Tramuntana-Gebirge. Der Norden ist ein guter Ausgangsort für die Klassiker-Touren, bei denen man an der Westküste entlang durch die Serra de Tramuntana über viele berühmte Anstiege der Insel fährt. Für ein frühes Trainingslager können diese Touren oftmals zu schwierig sein – der „Küstenklassiker“ etwa bringt es über 136 Kilometer auf 2300 Höhenmeter.
Auch kürzere, wellige Touren oder weitgehend flache Touren lassen sich von Muro aus starten. Für die Flachetappen fährt man etwa in den Osten oder in das Landesinnere Richtung Süden. Der Nordwesten bietet sich als Kompromiss an für alle, die bergige, wellige und flachere Touren gleichermaßen fahren wollen.
Wer vor allem Berge fahren will, für den kann die Stadt Soller im Gebirge nahe der Westküste ein guter Ausgangsort sein. Coll de Soller, Coll dels Reis bei Sa Calobra, Coll de Sa Bataia, Coll d’Honor sowie der mit 880 Metern höchste Pass Mallorcas, der Coll de Puig Major – viele der längsten und bekanntesten Anstiege lassen sich von hier aus schnell erreichen.
Süden und Osten
Von der Hauptstadt Palma aus ist man schnell in den Bergen des Südwestens und an den Küstenstraßen in der Gegend des Hafens von Andratx. Von Palma in Richtung Osten gibt es zudem viele überwiegend flache Touren. Hier lohnen sich Guides: Wer sich einer geführten Gruppe anschließt, ist auf den ruhigen Verbindungsstraßen unterwegs und kann die bei Rennradfahrern weniger bekannten Gegenden der Insel im Südosten erkunden.
Ein Vorteil des Inselsüdens und des -ostens, gerade im Frühjahr: Das Wetter ist häufig beständiger. Die Wolken hängen oft in den Bergen, im Nordwesten gibt es bis zu viermal so viel Niederschlag, während im Süden die Sonne scheint und die jährlichen Durchschnittstemperaturen im Flachland der Insel etwa drei Grad Celsius höher sind als in den Bergen.
Rennrad-Frühling auf Mallorca
Gut zehn Millionen Menschen reisen jährlich nach Mallorca. Nur ein Bruchteil davon kommt zum Radfahren. Doch die Zahl der Rad-Touristen steigt. Der Großteil der Radfahrer kommt zwischen Februar und Mai, wenn der Frühling in Mitteleuropa noch nicht da ist oder noch nicht zuverlässig genug erscheint.
Für 2019 rechnen Tourismus-Experten mit rund 250.000 Radsport-Gästen. Das wären 25 Prozent mehr als noch 2018. Die Reise lohnt sich für Ganzjahres-Radsportler vor allem dann, wenn es zu Hause noch besonders unwirtlich ist – etwa Ende Februar.
Brauche ich eine Rennrad-Reservierung auf Mallorca?
Wer früh im Jahr kommt, kann auch ohne Rennrad-Reservierung anreisen. Im April wird es eng: „Wer Mitte April ohne Reservierung zum Radfahren nach Mallorca kommt, sollte Wanderschuhe dabeihaben“, sagt Marcel Iseli, der die größte Huerzeler-Station leitet, die südliche in Platja de Muro.
Durch den Ort führt die Hauptstraße MA-12, an ihr reihen sich Radverleihe und Sporthotels. Von hier aus lassen sich viele der beliebtesten Touren direkt starten. Etwa die zur Bucht von Sa Calobra an der Westküste, über die legendären Serpentinen und durch die 270-Grad-Kurve, den Krawattenknoten.
Die Straße ist eine Sackgasse. Der höchste Punkt ist der Coll dels Reis mit 728 Metern. Man erreicht ihn, wenn man auf der Straße zwischen dem berühmten Kloster Lluc und der Stadt Soller am – wegen der vielen hier pausierenden Radsportler – nicht zu übersehenden Straßenkiosk abbiegt. Danach geht es zehn Kilometer hinab nach Sa Calobra und weiter bis zur Meeresbucht.
Alle Inhalte der RennRad-Ausgabe 3/2019
Herausforderung Mallorca
Der Rückweg ist eine Herausforderung: zehn Kilometer mit 710 Höhenmetern.
Der Blick auf die vielen zwischen Felsen verlaufenden Serpentinen, auf das Meer, die Fahrt durch das enge Felsentor und vor allem durch den legendären Krawattenknoten, an dem der Aufstieg fast geschafft ist, machen den meist einfach „Sa Calobra“ genannten Anstieg zu einem der bei Radsportlern weltweit beliebtesten Pässe.
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Mallorca als Standort für Rennrad-Trainingslager: Informationen
Mallorca ist mit 3640 Quadratkilometern und 876.000 Einwohnern die größte der spanischen Baleareninseln. Die Haupt- und größte Stadt ist Palma.
Neben den Stränden und Buchten prägen die Berge und Bergstraßen des Gebirgszuges Serra de Tramuntana die Westküste der Insel. Hier befindet sich der mit 1145 Metern höchste Punkt der Insel: der Puig Major, über den mit 880 Metern Höhe auch der höchste Pass der Insel führt.
Kommentar: Warum die Politik beim Umgang mit Radfahrern versagt
Klima auf Mallorca
Das subtropische Klima bietet milde und kurze, aber feuchte Winter. Wegen der Berge ist die Niederschlagsmenge im Süden deutlich geringer als im Norden. Im Spätsommer und im Herbst gibt es vermehrt heftige, kurze Regenfälle. Der Herbst ist statistisch wärmer als das Frühjahr, jedoch auch regnerischer.
Der Radmarathon Mallorca 312, die legendäre Inselrunde, war mit 8000 Startplätzen innerhalb weniger Tage ausverkauft.