Trainingsauftakt
Training in der Winterpause: Tipps und Pläne von Stefan Kirchmair
in Training
Eine der überlieferten Weisheiten des Radsports lautet: „Die Sieger des Sommers werden im Winter gemacht.“ Aus eigener Erfahrung kann ich diese Aussage – für mich jedenfalls – bestätigen. Traditionell legen die meisten Radsportler im Herbst eine zwei bis vierwöchige Pause ein, in der sie sich erholen – körperlich, aber vor allem auch mental. Vor allem, wenn man berufstätig ist, kann eine lange Saison mit etlichen Trainingseinheiten und einigen Rennen nicht nur sehr kräftezehrend sein. Irgendwann nimmt meist auch die Motivation ab. Sobald man dann mehr als eine Woche lang nicht mehr auf dem Rad saß, steigt in der Regel die Vorfreude auf die ersten Fahrten wieder deutlich an.
Ich persönlich hatte zudem den Vorteil, dass ich mein letztes Saison-Rennen 2023, den Gran Fondo Tre Valli Varesine, im Oktober gewinnen konnte. Dadurch konnte ich meine Saison mit einem sehr guten Gefühl beenden. Bevor ich in die „Off-Season“ ging, fuhr ich noch ein paar Touren rund um Belluno und im Monte-Grappa-Gebiet, wo ich ohnehin als Coach und Betreuer einiger Fahrer bei der Gravel-WM dabei war.
Rollentrainer statt Grundlagen-Einheiten
Wieder zurück in Österreich fasste ich mein Rad eine Woche lang nicht an. Ende Oktober fand dann mit dem „Zwift Grand Prix“ ein virtuelles Etappenrennen statt, bei dem ich unbedingt dabei sein wollte. Die Königsetappe: ein Bergrennen auf die Alpe du Zwift. Auch wenn ich mir nach meiner Trainingspause keine großen Hoffnungen auf ein Top-Ergebnis machte, nahm ich dennoch teil – und kam auf der Alpe du Zwift auf Rang zehn ins Ziel. Offenbar hatte ich während meiner Saisonpause nicht besonders viel von meiner Form eingebüßt. Mit diesem guten Gefühl bin ich dann im November wieder richtig ins Training eingestiegen.
In diesem Jahr werde ich im Winter wieder hauptsächlich auf Trainingseinheiten auf dem Rollentrainer setzen. Ich kann mich noch gut an die Winter erinnern, in denen ich vor allem viele Grundlageneinheiten auf meinen Langlaufskiern und gelegentlich Schwellen- und Sweetsport-Intervalle auf der Rolle absolviert habe. Im Frühjahr fehlte mir danach jedes Mal die Tempohärte, um im weiteren Saisonverlauf meine Schwellenleistung noch deutlich zu verbessern.
Virtuelle Rennen und Intervalle
Daher gehören für mich virtuelle Rennen in Kombination mit gezielten Intervall-Workouts auf dem Rollentrainer inzwischen seit mehreren Jahren zur Trainingsroutine im Winter. Zwar sind diese Rennen und Einheiten sehr anstrengend, aber ich kann so meine maximale Sauerstoffaufnahme, VO2max, deutlich verbessern und ein paar Monate später auch meine Schwellenleistung viel leichter erhöhen. Für mich stellen diese hochintensiven Belastungen im Winter daher die Basis für spätere Leistungssteigerungen dar. Da die Trainingseinheiten zudem oft verhältnismäßig kurz sind, kann man sie in der Regel auch vor oder nach der Arbeit noch gut in den Alltag integrieren.
Wenn man dann an den Wochenenden längere Einheiten im Grundlagenbereich absolviert, hat man gute Voraussetzungen, ab dem Frühjahr mit einer sehr guten Form in die Wettkampf-Saison zu starten.
Alternativsportarten und Ruhetage
Meine beste Saisonvorbereitung hatte ich daher auch ausgerechnet während der Corona-Lock-Down-Phase, als ich dieses Training konsequent bis in den Mai hinein durchzog. Bei ausreichend Schnee kann man die Wochenenden auch für ein Grundlagentraining mit Langlauf- oder Tourenskiern nutzen. So bringt man etwas Abwechslung in den Trainingsalltag. Generell empfehle ich für den Winter immer, dass man auch verschiedene Alternativsportarten machen sollte. Ansonsten besteht die Gefahr, dass man spätestens im Sommer einen mentalen Durchhänger oder auch körperliche Probleme wie Verspannungen, Knie- oder Rückenschmerzen bekommt, wenn man wieder fast ausschließlich Rad fährt. Zudem sind gerade Ruhetage extrem wichtig, wenn man auf der Rolle intensive Intervalle absolviert oder regelmäßig an Rennen teilnimmt. Ansonsten droht das so gefürchtete Übertraining. //
Dieser Artikel erschien in der RennRad 1-2/2024. Dort finden Sie auch ausführliche Trainingspläne, um Ihre Form über den Winter optimal neu aufzubauen. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.
Stefan Kirchmair gewann unter anderem die Granfondo-Weltmeisterschaft, den Dreiländergiro und zweimal den Ötztaler Radmarathon. Als Radtrainer mit A-Lizenz trainiert er etliche Amateur- und Hobbyathleten. Mehr zu Stefan Kirchmair auch auf www.kirchmair-cycling.com sowie auf der entsprechenden Facebookseite. Seine Online-Race-Community finden Sie unter anderem in seinem Club auf Strava.