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Tadej Pogačar: Der neue Dominator der Tour de France

Mr. Unantastbar

Tadej Pogačar: Der neue Dominator der Tour de France

Das erwartete Duell zwischen den beiden Slowenen Tadej Pogačar und Primož Roglič blieb aus. Die Tour de France hat einen neuen Dominator. Einblick und Analyse.
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Es geschah am Mont Ventoux. Während der zweiten Überfahrt über den mythischen Bergriesen der Provence: diese eine Attacke. Diese einzigen Sekunden, dieses einzige Mal während dieser drei Wochen schien er nicht alles völlig unter Kontrolle zu haben – jener eine Fahrer in gelb, der zuvor und danach stets so „entspannt“ aussah, wenn seine Konkurrenten längst am Limit waren: Tadej Pogačar.

Doch jetzt, kurz vor dem höchsten Punkt des Anstiegs nach 175 Kilometern dieser 11. Etappe der Tour de France zog ein anderer davon: Jonas Vingegaard. Der 24-jährige Däne war der eine Aufsteiger dieser Tour. Pogačar – auch wenn er der Titelverteidiger war – der andere. Eine solche Dominanz hatte man im Profi-Radsport schon länger nicht gesehen. Manche dachten dabei an die besten Jahre des Chris Froome oder an die „Ära“ des Lance Armstrong zurück.

Tadej Pogačar: Tour-Sieg war nie gefährdet

Und so wurden im Laufe der Tour die Doping-Diskussionen immer lauter. Auch während dieser 11. Etappe blieb Pogačar extrem abgeklärt, trotz seiner erst 22 Jahre. Er wartete auf Richard Carapaz und Rigoberto Uran – und zusammen holte man Vingegaard kurz vor dem Ziel in der Abfahrt wieder ein. Sein Vorsprung in der Gesamtwertung betrug zu diesem Zeitpunkt bereits 5:18 Minuten.

Pogačars Tour-Sieg war nie gefährdet. Mit seinem Sieg im Zeitfahren der fünften Etappe fuhr er sich auf Rang zwei des Gesamtklassements. Drei Tage später, auf dem Weg nach Le Grand Bornard, holte er sich das Gelbe Trikot, das bis dahin Mathieu van der Poel getragen hatte. Mit seinen beiden Tagessiegen in den Pyrenäen unterstrich er seine Dominanz.

Mit 22 Jahren ist Tadej Pogačar aktuell unantastbar – nicht einmal fünf Jahre nach seinem ersten internationalen Erfolg: Beim Rennen um die Junioren-Europameisterschaft 2016 wurde er Dritter. Zwei Jahre später gewann er die „Tour de France für Nachwuchsfahrer“, die renommierte Tour de l’Avenir.

Tadej Pogačar, Tour de France, Portrait

Der Gesamtsieg bei der Tour de France war für Tadej Pogačar nie wirklich gefährdet

Pässe und Vorsprung

Danach unterschrieb er seinen ersten Profivertrag beim Team UAE Emirates. Gleich in seinem ersten Profi-Jahr gewann er erst die Algarve- und dann die stark besetzte Kalifornien-Rundfahrt und drei Etappen der Vuelta a España. In der Gesamtwertung fuhr er auf Rang drei, bei seiner ersten Grand Tour. Seine Zweite, die Tour de France 2020, gewann er. Damals trug er das Gelbe Trikot „nur“ einen Tag lang, da er es seinem slowenischen Landsmann Primož Roglič erst am vorletzten Renntag abnahm: Im entscheidenden Einzelzeitfahren verwandelte er einen 57-Sekunden-Rückstand auf die La Planche des Belles Filles in einen 59-Sekunden-Vorsprung.

Im Vorjahr brach Pogačar die Auffahrt-Rekorde am Col du Peyresourde, am La Planche des Belles Filles, am Col du Marie-Blanque und am Grand Colombiere. Am Peyresourde leistete er dabei für 24 Minuten 6,5 Watt pro Kilogramm Körpergewicht. In diesem Jahr verbesserte er die Bestmarke am Col de Romme um 19 Sekunden.

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Der Anfang der Ära Tadej Pogačar?

Ist dies das Anfangsstadium der Ära Pogačar? Fakt ist: Eine andere Ära wurde beendet. Jene des britischen Teams Sky, das heute unter dem Namen Ineos Grenadiers firmiert. Zwischen 2012 und 2019 hatte dieses Team die Tour dominiert. Bradley Wiggins, Chris Froome, Geraint Thomas und Egan Bernal holten insgesamt sieben Tour-de-France-Siege für die britische Equipe.

In diesem Jahr trat das Team mit drei Grand-Tour-Siegern – Thomas, Carapaz, Geoghegan Hart – und weiteren Weltklasse-Fahrern wie Richie Porte oder Michał Kwiatkowski an, doch von der jahrelangen Dominanz blieb nichts übrig. Dave Brailsford, der Chef des britischen Rennstalls, sagt zu Pogačars Fahrweise – konkret zu seiner Leistung während der achten Etappe: „Man muss zuerst einmal den Mut haben, solch einen Angriff 34 Kilometer vor dem Ziel zu fahren. Ich habe viel Respekt vor ihm.“

Der Slowene selbst quittiert die Doping-Verdächtigungen und Angriffe mit Gelassenheit: „Ich glaube, wir haben genug Kontrollen, um den Leuten zu zeigen, dass ihre Zweifel falsch sind.“ Er sei allein an einem Tag dreimal kontrolliert worden, zweimal vor dem Rennen, einmal danach. Fragen nach der zwielichtigen Vergangenheit einiger Verantwortlicher seines Teams lässt er unkommentiert.

Was begründet Pogačars Dominanz?

Sein Trainer Iñigo San Millán gab ein Interview zu diesem Thema. Sein Standpunkt: „Es ist frustrierend, dass die Leute denken, dass Tadej dieses Jahr wie ein Außerirdischer gefahren ist. Dabei erreichte er nie die Zahlen des vergangenen Jahres, weil er nie wirklich herausgefordert wurde. Er fährt klar langsamer als im vergangenen Jahr.“ Einen Artikel zu dem Leistungsniveau des Profi-Pelotons und weiteren Hintergründen dazu finden Sie in einer der nächsten RennRad-Ausgaben.

Ein Faktor für Pogačars Dominanz war jedoch wohl auch das Pech seiner Haupt-Konkurrenten: Sowohl Primož Roglič als auch Geraint Thomas stürzten im Verlauf der ersten Etappen. Roglič musste aufgrund seiner Verletzungen die Tour gar nach der neunten Etappe beenden: „Ich habe nur versucht durchzukommen und gar nicht mehr auf die Gesamtwertung geschaut. Nach ein paar Tagen habe ich gemerkt, dass es mich nirgendwohin führt. Eine schwere Rundfahrt ist momentan zu viel für meinen Körper“, sagte er.

Zu den „Gewinnern“ dieser Tour zählen etwa der Bora-Hansgrohe-Kapitän Wilco Keldermann, den eine stets konstante Leistung auf Rang fünf der Gesamtwertung brachte und sein österreichischer Teamkollege Patrick Konrad, der bei der 16. Etappe aus einer Ausreißergruppe heraus seinen ersten World-Tour-Profisieg holte.

Positive Überraschung

Für eine enorme positive Überraschung sorgte auch der 25-jährige Australier Ben O‘Connor aus dem AG2R-Citroën-Team: Er gewann die Berg-Etappe nach Tignes als Solist – und fuhr sich auf Gesamtrang vier.

Ein anderer Aufsteiger – und Grand-Tour-Debütant – beendete die Tour freiwillig vorzeitig: Mathieu van der Poel. Der Niederländer gewann die zweite Etappe an der Mur de Bretagne und trug fünf Tage lang das Gelbe Trikot. Nach der neunten Etappe stieg er aus, um sich voll auf die Olympischen Spiele von Tokio zu konzentrieren. Nicht auf das Straßen-, sondern auf das Cross-Country-Mountainbikerennen.

Auch sein belgischer „Erz-Konkurrent“, Wout Van Aert, zählt zu den Gewinnern dieser Tour: Er überzeugte auf allen Terrains, als Helfer für Vingegaard, als Sprinter, als Zeitfahrer und als Bergfahrer. So gewann er das zweite Zeitfahren, den Schlusssprint der finalen Etappe auf den Champs Elysees – und eine der spektakulärsten Etappen dieser Tour: jene elfte, die zweimal über den legendären Mont Ventoux führte.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 9/2021Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.

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