Neu von Canyon: das Gravelbike Grizl im Test
Canyon Grizl – neues Gravelbike getestet
in Allgemein
Der Koblenzer Hersteller Canyon präsentiert ein neues Gravelbike, das für Bikepacking-Einsätze und ruppige Offroad-Strecken besonders geeignet sein soll: das Grizl. Das neue Modell mit dem „normalen“ Lenker soll das bestehende Grail mit dem charakteristischen Hoverbar-„Doppeldecker-Lenker“ nicht ersetzen, sondern Canyons Gravel-Sparte ergänzen. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten weisen die Modelle auf? Für welche Einsatzgebiete und Fahrertypen soll sich das neue Canyon Grizl besonders eignen? Alle Informationen, Preise und der erste Testbericht.
Die Radsport-Sparte „Gravel“ ist laut Canyon zwar inzwischen etabliert, bietet jedoch weiterhin vielfältige Optionen. Entsprechend gebe es auch nicht das eine perfekte Rad für alle Einsatzzwecke, die mit „Gravel“ beschrieben werden können. Das neue Canyon Grizl soll sich besonders für den Einsatz als Bikepacking-Gravelbike auf verschiedenen Untergründen eignen.
Offroad und Bikepacking: das Canyon Grizl
Während man im sogenannten Allroad-Einsatzgebiet mit weniger ruppigen Wegen von einem besonders effizienten Gravelbike profitiert, verlangt ein Singletrack-Weg oder ein Trail mit groben Steinen oder Wurzeln ein besonders robustes Fahrrad. Die Fahreigenschaften und die Sitzposition des Canyon Grizl sind, wie vom weiterhin angebotenen Canyon Grail gewohnt, für ein Gravelbike sehr sportlich.
Canyon positioniert das Grail als besonders geeignet für Touren, bei denen das Verhältnis von Asphalt- zu Offroad-Wegen bei 50:50 liegt. Für Strecken, bei denen der Offroad-Anteil höher ist, und die auch anspruchsvolle Trail-Passagen enthalten, soll sich nun das Canyon Grizl besser eignen.
Laufradgröße: Kein Vorteil durch 650b
Das Canyon Grizl ist in den Größen ab der Größe S klar für 28-Zoll-Laufräder ausgelegt. 650b-, also 27,5-Zoll-Laufräder kommen nur bei den Größe 2XS und XS zum Einsatz, damit die Proportionen der Rahmengeometrie und die agilen Fahreigenschaften auch in den kleineren Ausführungen umgesetzt werden können. Die Reifenfreiheit ist mit 650b-Laufrädern nicht größer als mit 700C-Laufrädern. Der Grund, laut Canyon: „Große Laufräder sind schneller und rollen besser.“
Canyon Grizl: Reifenbreite und -freiheit
Ein wesentliches Merkmal von Gravelbikes sind breite und profilierte Reifen. In der Regel gilt: Je breiter der Reifen ist, desto geländegängiger ist das Gravelbike. Die Traktion und die Dämpfung erhöhen sich mit dem Reifenvolumen bei dem richtigen, potenziell sehr niedrigen Luftdruck, der durch die Tubeless-Montage ermöglicht wird. Ausgeliefert werden alle Grizl-Modelle mit Schlauch. Die Ausstattung ist jedoch tubeless-kompatibel.
Während beim Grail die offizielle Reifenfreiheit bei 42 Millimetern liegt, dürfen am Grizl bis zu 50 Millimeter breite Reifen montiert werden. Die 40 Millimeter breiten Reifen, mit denen das Modell Grail ausgeliefert wird, sind leichter und rollen auf Asphalt in der Regel mit einem geringeren Widerstand. Die 45-Millimeter-Reifen des Canyon Grizl bieten jedoch eine höhere Offroadtauglichkeit.
Ausgeliefert wird das Grizl in allen Versionen mit 45 Millimeter breiten Reifen. 650b-Laufräder können montiert werden, die zulässige Reifenbreite erhöht sich dadurch jedoch nicht. Bei 45-Millimeter-Reifen können laut Canyon Schutzbleche angebracht werden. Für die Montage eines Hinterrad-Schutzbleches gibt es eigene Befestigungspunkte an den Sitzstreben.
Packtaschen am Canyon Grizl: Befestigungsmöglichkeiten
Neben der Offroadtauglichkeit liegt beim Canyon Grizl der Fokus auf dem Bikepacking. Hierfür bieten der Rahmen und die Gabel einige Löcher, in deren Gewinde die Schrauben zur Befestigung von Packtaschen, Trinkflaschenhaltern oder andere Gepäcklösungen wie sogenannte Anything-Cages eingedreht werden können.
Pro Gabelseite können drei Kilogramm Gepäck angebracht werden. Am Oberrohr befinden sich Befestigungspunkte, an denen sich Rahmen- oder Oberrohrtaschen sicher anbringen lassen. Am Unterrohr kann ein zusätzlicher Flaschenhalter oder ähnliches montiert werden – jedoch nicht bei den SLX-Modellen. Da im Gegensatz zum Grail ein klassischer Lenker verbaut ist, kann auch eine Lenkertasche einfacher montiert werden.
Ein optisches und praktisches Detail: Die technischen Daten der erforderlichen Schrauben sind, ähnlich den Anweisungen auf Flugzeug-Tragflächen, an den entsprechenden Stellen des Rahmens vermerkt.
Komfort und Dämpfung: die VCLS-Sattelstütze
Auch bei einigen Modellen aus der neuen Serie des Canyon Grizl kommt die etwa vom Grail und dem Straßen-Modell Endurace bekannte VCLS-Sattelstütze mit einem Durchmesser von 27,2 Millimetern zum Einsatz. Sie besteht aus Carbon und ist nach dem Prinzip einer Blattfeder designt. Das Kopfstück ist gleitend gelagert, wodurch die Stütze besonders effektiv federn kann. Sie trägt gemeinsam mit dem großen Reifenvolumen zu einer effektiven Dämpfung bei.
Die Sattelstützenklemmung ist integriert und lässt sich über eine Schraube im Sitzrohr auf der Höhe der Ansatzpunkte der Sitzstreben befestigen. Der tiefe Ansatzpunkt trägt zu einem langen Auszug bei, wodurch die Stütze noch besser dämpfen kann. Auch der elastische Kunststoffeinsatz im Sitzrohr dient dem Dämpfungskomfort.
Geometrie des Canyon Grizl: Laufruhe und Wendigkeit
Bei der Rahmengeometrie setzt Canyon für das Grizl auf die vom Grail bekannten Maße. Der Radstand ist um 40 Millimeter länger als bei den Endurance-Geometrien des Herstellers. Das ermöglicht eine große Reifenfreiheit und führt zu einer sehr hohen Laufruhe. In der Kombination mit einem 80 Millimeter kurzen Vorbau und einem 440 Millimeter breiten Lenker mit einem geringen reach und einem geringen drop fällt das Steuerverhalten dennoch sehr direkt aus. Dieses Geometrie- und Ausstattungsprinzip kommt traditionell bei Mountainbikes zum Einsatz. Der Flare, also der seitliche Ausstell-Winkel des Unterlenkers, welcher bei Gravelbikes in der Unterlenkerposition viel Fahrstabilität bieten soll, ist gering.
Die Stack- und Reach-Maße des Canyon Grizl sind identisch mit denen des Grail. Der Wert von 1,44 fällt dabei „sportlicher“ und gestreckter aus als der des langstreckenorientierten Rennrades Endurace mit 1,47 und „entspannter“ als der des Race-Rennrad-Modells Ultimate mit 1,38.
Rahmen und Gewicht: robust, steif und leicht
Alle Rahmen der neuen Grizl-Serie bestehen aus Carbon. Ein Modell mit einem Aluminiumrahmen soll später im Jahr vorgestellt werden. Der Rahmen des Topmodells der neuen Serie, dem Canyon Grizl CF SLX, wiegt inklusive Lackierung und Kleinteilen laut Canyon 950 Gramm in der Größe M. Als Komplettrad mit einer Vorbau-Lenker-Kombination aus Aluminium soll das Modell 8,5 Kilogramm wiegen. Die Grail-Modelle sind meist etwas leichter. Besonders auffällig am Rahmen: Die rechte Kettenstrebe ist abgesenkt. Dies ermöglicht die große Reifenfreiheit von 50 Millimetern, ohne dass die verstärkte Strebe in Kontakt mit der Kurbel kommt.
Der Rahmen ist zudem für eine integrierte Zugführung für absenkbare Sattelstützen, sogenannte Dropper-Posts, ausgestattet. Auf dem US-amerikanischen Markt wird das Modell Grizl CF SL 8 1x mit Dropper-Post ausgeliefert. Am Rahmen können grundsätzlich sowohl Gruppen mit Einfach- als auch mit Zweifach-Antrieben montiert werden.
Alle Grizl-Modelle werden mit 160-Millimeter-Bremsscheiben ausgeliefert. Wer auf langen Abfahrten mit schwerem Gepäck eine stärkere Bremsleistung wünscht, kann auf 180-Millimeter-Bremsscheiben umrüsten. 140-Millimeter-Bremsscheiben können am Grizl nicht verwendet werden.
Grizl-Packtaschen von Apidura
Der Packtaschen-Spezialist Apidura hat gemeinsam mit Canyon eine robuste, wasserdichte und leichte Taschenserie entwickelt, die auf den Ganzjahreseinsatz ausgelegt ist. Das System ist an die Grizl-Geometrie und -Ausstattung ausgerichtet. Die Serie besteht aus einer Fünf-Liter-Satteltasche, Rahmentaschen mit 2,4 Liter oder, für die Rahmengrößen XL und XXL, vier Liter Volumen sowie einer Ein-Liter-Oberrohrtasche.
Die Taschen bestehen aus Apiduras hauseigenem, auf ein geringes Gewicht ausgelegtem Hexalon-Material. Die Nähte sind wasserdicht verschweißt. Die abriebfesten Paneele und die schlammresistenten Reißverschlüsse sollen die Taschen besonders robust machen. Das Schlaufensystem im Inneren soll auch auf grobem Terrain das Gepäck sicher befestigen. Um Lackschäden durch Reibung zu vermeiden, sollte man an den Kontaktflächen Schutzfolien anbringen.
Der erste Test des Canyon Grizl: das Urteil
RennRad hatte das neue Canyon Grizl in der Variante CF SL 8 bereits für vier Wochen und rund 700 Kilometer im Test-Einsatz. Das Gewicht des Modells betrug in der Größe M rund 9,2 Kilogramm, der Preis beträgt 2799 Euro. Die Ausstattung mit einer Shimano-GRX-Gruppe der mechanischen Top-Serie 800 ist hochwertig. Die DT-Swiss-Laufräder G1800 Spline und die für den Test tubeless montierten Schwalbe-G-One-Laufräder tragen ebenso wie der Fizik-Argo-Terra-Sattel zum überzeugenden Preis-Leistungs-Verhältnis bei.
Hinsichtlich des Fahrverhaltens war die Ähnlichkeit des Grizl mit dem Canyon Grail sehr auffällig. Die Geometrie und damit auch die Fahreigenschaften waren weitgehend vergleichbar. Der lange Radstand sorgt für eine sehr hohe Laufruhe, während der kurze Vorbau und das kurze Steuerrohr zu einem sehr direkten Lenkverhalten und damit einer hohen Agilität beitragen. Auch die steife Gabel trägt zu dem sehr guten Handling in Kurven bei.
Der Rahmen erwies sich als sehr steif. Der Tretlagerbereich erwies sich bei Antritten als verwindungssteif und sorgte für eine effiziente Kraftübertragung. Bei Antritten, besonders im Gelände, erwies sich das Grizl daher, in Verbindung mit dem relativ geringen Gewicht, als sehr agil. Das konifizierte und sehr steife Steuerrohr und die Gabel mit ihren flachen Armen trugen zu dem sehr direkten Lenkverhalten bei.
Die Sitzposition war aufgrund des Stack-to-Reach-Wertes von 1,44 sportlich-ausgewogen. Sie fällt deutlich gestreckter und überhöhter aus als bei vielen anderen Gravelbikes oder Endurance-Rennrädern. Aufgrund der Lenker-Vorbau-Kombination und der Spacer lassen sich die Vorbauhöhe und die Lenkerneigung individuell einstellen. Das ist beim Modell Grail so nicht möglich.
Im Steuerbereich fällt der Dämpfungskomfort aufgrund der Aluminium-Komponenten geringer aus als am Grail, bei dem der Hoverbar-Doppeldecker-Lenker aus Carbon viele Vibrationen absorbiert. Im Sitzbereich sorgt die VCLS-Blattfeder-Carbon-Sattelstütze und die tiefe, zusätzlich gedämpfte Klemmung für viel Komfort und ermöglichte auf grobem Schotter ein ruhiges Sitzen und ein effizientes Pedalieren. Bei Fahrten auf Asphalt war die Federwirkung, gerade in Verbindung mit den breiten, gut dämpfenden Reifen, nicht immer notwendig.
Aufgrund der 45 Millimeter breiten, tubeless montierten Schwalbe-G-One-Reifen, die unser 70 Kilogramm schwerer Tester je nach dem Gelände mit 1,8 bis zwei Bar Luftdruck fuhr, war der Komfort des Grizl aber insgesamt sehr hoch. Da die allroundtauglichen Reifen durch die große Maulweite der DT-Swiss-Felgen von 24 Millimetern gut stabilisiert werden und auch über ausgewogen stabile, nicht einknickende Seitenwände verfügen, war der Fahreindruck im Gelände nie „schwammig“. Auch auf Asphalt war der Rollwiderstand gering. Die G1800-Spline-Laufräder von DT Swiss erwiesen sich als steif und robust. Ihr Gewicht liegt bei rund 1800 Gramm.
Überzeugende Allround-Eigenschaften: Canyon Grizl
Der breite Lenker überzeugte durch seinen geringen „Reach“ und bot gemeinsam mit den anatomisch durchdachten Griffen und Hebeln der Shimano-GRX-800-Gruppe in allen Griffpositionen viel Komfort und Kontrolle. Einen ausgestellten Unterlenker, also mehr Flare, oder ausgestellte Lenkerenden, also mehr Sweep, vermissten die Tester am Canyon Grizl nicht. Die Bremsleistung und die Dosierbarkeit der Scheibenbremsen war sehr gut. Die 160-Millimeter-Discs waren für den Einsatz im ruppigen Gelände passend gewählt.
Die Schaltung ermöglichte schnelle und, wie von Shimano gewohnt, weiche Gangwechsel. Die Übersetzung von 48/31 vorne und 11-34 hinten bot auch an steilen Anstiegen auf Schotter ausreichend leichte Gänge. Viele Fahrertypen könnten bei einer schweren Bikepacking-Zuladung von den kleineren Gängen profitieren, welche die 46/30-Kettenblätter der Modelle CF SL6 und CF SL7 bieten.
Die von Canyon und Apidura speziell für das neue Grizl entwickelten Packtaschen ließen sich mit den Klett-, Klick- und Schraubverbindungen fest und wackelfrei anbringen. Sie erwiesen sich als wasserfest, die Reißverschlüsse sind während der Fahrt gut zu erreichen und nach einigen Einsätzen leichtgängig zu öffnen und zu schließen.
Fazit: Das sehr vielseitige Canyon Grizl bietet eine hohe Laufruhe, sehr viel Komfort, und eine hohe Agilität. Aufgrund der großen Reifenfreiheit steht die Offroad-Tauglichkeit im Fokus. Die Montagemöglichkeiten prädestinieren das Grizl als Bikepacking-Gravelbike. Die Rahmensteifigkeit und die Agilität sind sehr überzeugend. Die durchdachte Ausstattung und der Preis sind sehr gut.
Preise, Details und Varianten des Canyon Grizl
Das Canyon Grizl ist in der Rahmenvariante CF SL in fünf verschiedenen Ausführungen und verschiedenen Farben mit Preisen zwischen 1.999 Euro und 2.799 Euro erhältlich. Die Top-Rahmen-Variante CF SLX wird in zwei Ausstattungsversionen für 4.599 mit der elektronischen Gruppe Shimano GRX 815 Di2 und 4.499 Euro mit der Gruppe Campagnolo Ekar angeboten. Später im Jahr soll ein Modell mit einem Aluminium-Rahmen vorgestellt werden. Mehr Informationen zum neuen Gravelbike gibt es auf der Website von Canyon.
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