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Sicherheit: Kommentar zu Krise, Verhalten, Verkehr

Krise, Verhalten, Verkehr, Sicherheit – ein Kommentar

Sicherheit: Kommentar zu Krise, Verhalten, Verkehr

Radfahren in Krisenzeiten: Wie wirkt sich Corona auf den Radverkehr aus? Gibt es mehr Solidarität und Empathie? Ein Bericht und Kommentar zur Sicherheit. Neue Regeln, Folgen und Entwicklungen.
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Was geschieht in Krisenzeiten? Tun sich Abgründe auf – oder erlebt man mehr Solidarität und Empathie, mehr Sicherheit? Dies ist ein subjektiver Bericht zu den Erlebnissen eines Rennradfahrers im Deutschland des Frühjahrs 2020.

Sicherheit: Radfahren, Radwege und Stürze

Hier werden Erlebnisse auf dem Rad aus den vergangenen drei Wochen geschildert. Die Anzahl der in diesem Zeitraum beobachteten Stürze von Radfahrern: vier. Die Anzahl der eigenen, unverschuldeten, Beinahe-Stürze: zwei. Bei einem davon floss Blut – wenn auch nur sehr wenig davon. Eine Autotür wurde aufgerissen, als ich – mit rund einem Meter Abstand – an dem parkenden PKW vorbeifuhr. Meine rechte Hand streifte die Tür, und wurde leicht verletzt. Die Reaktion des Autobesitzers: keine. Beim anderen schwenkte eine Radfahrerin, mit einer Geschwindigkeit von rund zehn bis zwölf km/h, von ganz rechts auf einem Radweg nach ganz links, um abzubiegen, abrupt, ohne Handzeichen oder Schulterblick, während ich gerade dabei war zu überholen.

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Isar-„Radweg“: Sinkendes Gefühl der Sicherheit

Weitere Beobachtungen: Die Radwege im Beobachtungsgebiet, München und Umgebung, sind – bei gutem Wetter – noch deutlich überfüllter als sonst. Zügig vorankommen: unmöglich. Das Gefühl der Sicherheit: sinkend. Eine „Haupt-Rad-Verkehrsader“ durch München, die einst selbsternannte „Radl-Hauptstadt“, ist der Isarradweg. Schon der Name führt in die Irre. Denn dies ist kein Radweg, sondern ein teilweise keine zwei Meter breiter Pfad, auf dem zu großen Teilen Fußgänger, Jogger und Hunde unterwegs sind. Gerade im Sommer gilt für diesen „Radweg“, was auch für sehr viele andere in der Stadt gilt: Zum Pendeln ist er gänzlich ungeeignet. Die Radfahrer stauen sich, bei Gegenverkehr ist jegliches Überholen unmöglich – und dazwischen sind noch Fußgänger und Tiere unterwegs. Diese Situation muss Unfälle provozieren. Und sie steht exemplarisch für die in vielen anderen Städten.

 

Ausweichlösung Schotterstraßen: Sicherheit abseits der Straße

Als Rennradfahrer, Radpendler beziehungsweise generell „etwas schnellerer Fahrradfahrer“ muss man sich wohl aktuell die Frage stellen: Wo ist das Unfallrisiko geringer – auf solchen „Radwegen“ oder auf der Straße? Viele sportive Radfahrer, die regelmäßig mit mehr als 15 km/h unterwegs sind, – eine Geschwindigkeit, auf die wohl das Gros der städtischen Radinfrastruktur maximal ausgelegt ist – finden angesichts der seit Jahren anhaltenden Entwicklung hin zu einem immer weiter ansteigenden Unfallrisiko eine „Notlösung“ für sich: Sie hören mit dem Rennradfahren auf – oder schränken es stark ein. Und wechseln auf Gravel- oder Crossräder, und damit auf: unasphaltierte Wege, ins Gelände, in die Natur. In die Sicherheit? Es ist eine Flucht vor der unsicheren Realität.

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Corona-Krise und Verkehrswende: nachhaltig und positiv?

In diesen Corona-Zeiten steigen mehr Menschen auf Fahrräder. Notgedrungen. Die Frage ist, ob diese Art von „Verkehrswende“ nachhaltig sein wird. Denn: Wo sind die Risiken für die eigene Gesundheit höher – in einer U-Bahn, in einem Auto oder auf einem Fahrrad in Städten mit ihrer fast immer veralteten und/oder zu gering ausgebauten Rad-Infrastruktur? Diese Frage ist einfach zu beantworten: Die Wahrscheinlichkeit, als Radfahrer bei einem Unfall zu sterben, ist inzwischen dreieinhalbmal höher als im Auto oder auf dem Motorrad. Das Risiko, sich schwer zu verletzen, ist siebenmal höher. Dies zeigen Daten der Unfallforschung der Versicherer. Deren Leiter Siegfried Brockmann bringt es in einem Interview mit dem ZEIT-Magazin auf den Punkt: „Wer zum Radfahren auffordert, ohne dass die Infrastruktur da ist, nimmt zusätzliche Tote in Kauf.“

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Immer mehr tote Radfahrer, mehr Verletzte

Die Zahl der getöteten Radfahrer steigt seit Jahren – auf 445 Menschen in 2018. 63 mehr Tote als im Jahr zuvor. Insgesamt verunglückten 88.850 Radfahrer, elf Prozent mehr als 2017. Im ersten Halbjahr 2019 wurden 11,3 Prozent mehr Radfahrer bei Unfällen getötet als im selben Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Verkehrsunfälle fällt seit 2010 – die der verletzten Radfahrer steigt. Auch der Anteil der Radfahrer unter den Verkehrstoten in Deutschland steigt. Alle 36 Minuten wird ein Radfahrer verletzt.

Es geht besser: Sicherheit für Radfahrer in Kopenhagen

Wie eine Infrastruktur aussehen muss, die ein sicheres Radfahren ermöglicht, sieht man in unseren Nachbarländern. In Kopenhagen und vielen anderen Städten konnte ein Safety-in-Numbers-Effekt festgestellt werden: Steigt die Zahl der Radfahrer in einer Region, verringert sich deren Unfallrisiko signifikant. In der Hauptstadt Dänemarks ist das Unfall-Risiko für Radfahrer in 15 Jahren um mehr als 70 Prozent zurückgegangen. In Deutschland gibt es in vielen Städten einzelne Projekte, um den Radverkehr zu stärken. Ein netter kleiner Vergleich dazu: In Frankreich will allein die Region Paris 300 Millionen Euro in den Ausbau eines 650 Kilometer langen Radwegenetzes investieren. Zeitnah.

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Die Folgen: Wirtschaft und Gesellschaft

Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der aktuellen Ereignisse sind kaum absehbar. Was absehbar ist: Dass durch und nach der Krise noch mehr Fakten für das Radfahren – und somit den jahrzehntelang vernachlässigten Ausbau der Fahrradinfrastruktur – sprechen. Zum Beispiel drei Zahlen. Die erste lautet: mehr als 40 Milliarden Euro. So viel kosten die Effekte bewegungsmangelbedingter Krankheiten das deutsche Gesundheitssystem, und damit die Beitragszahler, pro Jahr. Oder diese Zahl: 53. Prozent. Dies ist der Anteil der erwachsenen Deutschen, die übergewichtig sind. Oder diese: 37 Prozent der Todesfälle in Deutschland sind schon heute auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Natürlich werden alle drei Zahlen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nach der Corona-Krise höher sein als zuvor.

Neue Regeln der StVO: Mehr Sicherheit für Radfahrer?

Ab dem 28. April treten Änderungen der StVO in Kraft. Dadurch sollen insbesondere Radfahrer im Straßenverkehr besser geschützt werden. Eine Neuerung ist das Halteverbot auf eingezeichneten Schutzstreifen und Fahrradwegen. Zudem ist dann das Nebeneinanderfahren explizit gestattet – wenn es der Verkehr zulässt: „Mit Fahrrädern darf nebeneinander gefahren werden, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird.“ Bislang war in der StVO nur von „ausreichendem Abstand“ die Rede. Nun ist festgeschrieben, dass Autofahrer beim Überholvorgang mindestens 1,5 Meter seitlichen Abstand innerorts und zwei Meter außerorts einhalten müssen. Die grundlegende Frage ist jedoch: Was nützen Regeln, wenn es an Empathie fehlt? Und an dem grundsätzlich Notwendigen: Sicherheit.

Einen ausführlicheren Leitartikel zu dieser Thematik lesen Sie in der kommenden Ausgabe des RennRad-Magazins 6/2020. Hier kann man die aktuelle Ausgabe direkt bestellen.

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