Powerplan
Wintertraining: Trainingsplan, Vorbereitung, Ausgleichssport
in Training
Vor dem Erfolg steht der Plan. Gerade in einer trainingsintensiven Sportart wie dem Rennradfahren. Jeder hat andere Ziele – ob diese Ötztaler Radmarathon, Mehrtagesalpentour, Radrennen, Gruppenfahrten mit Freunden oder fitter werden lauten. Der erste Schritt, um seine Ziele zu erreichen, ist es, sie zu definieren. Im zweiten Schritt setzt man sich Wegpunkte auf dem Weg zu diesem großen Highlight – also kleine Teilziele. Im dritten Schritt entwirft man einen Plan. Das Ganze ist einfacher, als es klingt. Die professionelle Methode beinhaltet Leistungstests, einen Trainer, Powermeterdaten. Die einfache braucht nicht viel mehr als Gedanken, einen Stift und ein paar Blatt Papier.
Zu den Grundlagen: Es ist für jeden – egal ob Profi-, Amateur- oder Hobbyathlet, egal auf welchem Leistungsniveau, egal, wie viel Zeit man in seinen Sport investieren kann – absolut sinnvoll, sein Training in Perioden zu denken und an seinen Zielen auszurichten. In den meisten Fällen geben die Jahreszeiten eine solche Periodisierung schon vor. Im Laufe der Zeit erfolgt der Aufbau des Trainings dann immer spezifischer und intensiver.
Saisonhöhepunkt weit weg – Wintertraining schwierig
Sitzt man im Winter auf der Couch, fällt es oft schwer, große Ziele zu verfolgen, weil die Saisonhöhepunkte erst so spät im Jahr anstehen. Wer sich aber Gedanken macht, wie man sein Training über das Jahr hinweg strukturiert, der erntet zum Saisonhöhepunkt die Früchte. Die beim Wintertraining erarbeitete Trainingsbasis ist der entscheidende Faktor in der Saisonvorbereitung. Sich realistische Zwischenziele zu setzen und davon ausgehend rückwärts zu denken, ist der Schlüssel. Es hilft, sich die eigenen Ziele aufzuschreiben und dazu eine eigene Trainingszielpyramide zu erstellen.
Angefangen bei langfristigen Zielen, wie dem Saisonhöhepunkt, über mittel- und kurzfristige Ziele bis hin zu Wochenzielen kann man hier alles fixieren und im Nachhinein auch überprüfen. Das Erreichen von kleineren Zielen, so klein sie auch gesetzt sind, motiviert ungemein und hilft beim Erreichen der großen Wünsche.
Wichtig ist, sich immer wieder eines klarzumachen: Die Wochenziele und das geplante Training sind nie unumstößlich. Niemand muss und sollte sich sklavisch an Vorgaben halten. Nichts ist alternativlos. Alles kann kurzfristig umgestellt werden – wenn etwa eine plötzliche Dienstreise ansteht oder man das große Familientreffen vergessen hat. Wichtig dabei ist nur, die lang- und mittelfristigen Ziele nicht aus den Augen zu verlieren und die Wochen danach auszurichten.
Wintertraining: Akzente setzen
Möchte man bestimmte Fähigkeiten verbessern, empfiehlt sich die Akzentuierung bestimmter Trainingswochen. Der Lern- und Trainingseffekt ist höher, wenn man sich eine Woche lang gezielt in eine Richtung vorbereitet. Ist die Grundlage da, stellt man jede zweite Woche unter ein Motto, zum Beispiel „Sprintwoche“: Dabei werden im Laufe der Woche gezielt kurze Einheiten im Grundlagenausdauerbereich absolviert – und dabei gezielt regelmäßig Sprintintervalle eingestreut.
Beispiel zwei: In einer „Bergwoche“ geht es darum, möglichst viele Höhenmeter zu fahren und dabei einige Sprints und Intervalle bergauf einzubauen. Dieser Trainingsaufbau entspricht der sogenannten Blockperiodisierung. Bei dieser geht es um Abwechslung: Die Athleten trainieren nicht jede Woche auf dieselbe Art und Weise, sondern in Blöcken mit je unterschiedlichen Schwerpunkten.
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High Intensity Intervall Training
Auch wenn die Einheiten kurz sind und es somit paradox klingt, ist es längst wissenschaftlich erwiesen: Das High-Intensity-Intervall-Training ist eine effiziente Methode, um die Ausdauerleistung zu verbessern. Die Inhalte: kurze Sprints und harte, sehr intensive Intervalle bis zu wenigen Minuten Dauer. Selbst gut trainierte Ausdauerathleten können mit HIIT-Einheiten ihre Leistung verbessern.
Allerdings ist es unter Trainern und Sportwissenschaftlern teilweise noch umstritten, wie das HIIT am effizientesten in das reguläre Training eingefügt werden sollte. Der norwegische Forscher Rønnestad und seine Kollegen verglichen in einer wichtigen Studie zwei Trainingsprogramme: Ihre Dauer, vier Wochen, war gleich. Ebenso wie die Intensität der HIIT-Einheiten – unterschiedlich war lediglich ihre Verteilung über die Trainingsperiode.
An der Studie nahmen 20 gut trainierte Rennradfahrer teil. Ihr Durchschnittsalter: 31 Jahre. Ihre durchschnittliche maximale Sauerstoffaufnahme: 62 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht und Minute. Basierend auf ihren VO2max-Werten wurden zwei vergleichbare Gruppen eingeteilt, die je ein vierwöchiges Trainingsprogramm absolvierten: die einen ein Blocktraining, die anderen ein „normales“ Alltagstrainingsprogramm. Beide Trainingsperioden stimmten in Intensität, Dauer und Gesamtanzahl der HIIT-Einheiten überein.
Ergebnisse der Studie
Die Ergebnisse: In der Abschluss-Leistungsuntersuchung zeigte sich, dass die Sportler, die eine Woche lang fünf kurze und intensive High-Intensity-Interval-Einheiten (HIIT) und anschließend drei Wochen je eine wöchentliche HIIT-Einheit neben dem „normalen“ Ausdauertraining absolvierten, ihre Ausdauerleistung signifikant steigern konnten. Die durchschnittliche Zunahme der VO2max-Werte in dieser Gruppe betrug 4,6 Prozent. Die maximale Leistung der Probanden stieg im Mittel um 2,1 Prozent – von 409 auf 417 Watt. Diejenigen Athleten, die neben ihrem Ausdauertraining vier Wochen lang je zweimal HIIT-Trainings durchführten, konnten ihre Leistung hingegen nicht verbessern. Ein klarer Hinweis auf die Effektivität der Blockperiodisierung – und der Abwechslung in ihrem Trainingsalltag.
Da jeder anders auf Belastungen reagiert, lautet eine Maxime: Das „optimale“ Training gibt es nicht. Training muss immer individuell sein. Deswegen ist es wichtig, sich selbst einzuschätzen und nach eigenen Bedürfnissen und Möglichkeiten zu trainieren. Sich an anderen oder gar an Profis zu orientieren, ist meistens nicht der zielführende Weg.
Um sich selbst und die Trainingsbelastungen einzuschätzen, hilft es, ein Trainingstagebuch zu führen. Dort kann man eintragen, was man trainiert und wie man sich dabei und danach gefühlt hat – und welche äußeren Faktoren, etwa Stress im Job, einen sonst noch beeinflusst haben. Damit kann man sich in Bezug auf die eigenen Ziele realistisch einschätzen und bekommt einen Überblick über seinen Trainingsaufwand und -ertrag.
Wintertraining: Ausgleichssportarten
Gerade im Herbst, Winter und Frühjahr bauen viele Radsportler auch regelmäßige Trainingseinheiten abseits des Rennrades ein. Das Laufen bietet sich dabei auf den ersten Blick als Ausgleichssport Nummer eins an. Denn joggen kann man quasi bei fast jedem Wetter und überall.
Beim Laufen trainiert man vor allem die Ausdauer, daher können Lauftrainings die Grundlagensausdauereinheiten zum Teil ersetzen beziehungsweise ergänzen.
Aber: Ungeübte Läufer können durch ein sporadisches Lauftraining ernsthafte Probleme bekommen. Die Stöße jedes Schrittes sind eine hohe Belastung für Gelenke, gerade für die Knie und Kniescheiben. Daher sollte man sich langsam daran herantasten und das Radfahren und Laufen zunächst parallel betreiben – und genau auf Probleme und Schmerzen achten. Sehr sinnvoll ist das Absolvieren des sogenannten „Lauf-ABCs“, um an seiner Lauftechnik zu arbeiten. Erfahrene Läufer können in ihr Lauftraining gezielt Intervalle wie Bergaufsprints, Tempospiele und Treppenläufe einbauen.
Ein gelenkschonenderes Ausdauertraining ist das Schwimmen: Durch den Wasserauftrieb ergeben sich nur geringe Belastungen für die Gelenke und die Muskulatur. Das Schwimmen hat zudem den Vorteil, dass es komplett wetter- und tageszeitunabhängig gestaltet werden kann. Eine wirksame Ausdauereinheit sollte zwischen einem und drei Schwimmkilometer umfassen. Auch dabei gilt: Vor jedem sinnvollen Ausdauertraining steht das Erlernen einer sauberen Technik. Ein weiterer empfehlenswerter Ausgleichssport ist das Klettern beziehungsweise Bouldern: Es verbessert die Körperwahrnehmung, die Rücken- und die Rumpfstabilität.
Krafttraining
Wenige Radsportler mögen es, doch auf einem hohen Leistungsniveau kommt fast keiner darum herum: das Krafttraining. Dass es – anders als früher angenommen – einen positiven Effekt auf die Ausdauerleistung hat, wurde in zahlreichen Studien gezeigt.
Rønnestad und Mujika werteten die Ergebnisse mehrerer diesbezüglicher Untersuchungen aus. Ihre Ergebnisse: Das Krafttraining kann die Lauf- und die Radökonomie verbessern. Zudem verbesserten sich in den Studien durch das Krafttraining die maximale Schnelligkeit und die Maximalkraft der Athleten. Durch die höhere maximale Kraft können die Athleten eine Belastung auf submaximalem Niveau länger durchhalten. Die Glykogenvorräte leeren sich langsamer und die Muskeln werden langsamer müde. Es ergibt demnach für Radsportler aller Leistungsstufen Sinn, das Krafttraining in das Wintertraining und Frühjahrstraining zu integrieren.
Langzeitstudien haben gezeigt, dass zwei Krafttrainingseinheiten pro Woche nach zwölf Wochen sehr deutliche Anpassungen in der Muskulatur bewirken. In der Studie wurde ein Maximalkrafttraining mit je zwei bis drei Serien pro Übung durchgeführt. In der Wettkampfsaison hat sich eine Krafteinheit pro Woche als ausreichend gezeigt, um diese muskulären Vorteile beizubehalten. Weiter unten zeigen wir einige konkrete Trainingsbeispiele und -pläne. Den einen großen Plan für seine Saison muss jedoch jeder selbst aufstellen. Dazu bleibt festzuhalten – in den Worten Jean Pauls: „Gegen das Fehlschlagen eines Plans gibt es keinen besseren Trost, als auf der Stelle einen neuen zu machen.“
Die Experten
Das Radlabor wurde 1997 im wissenschaftlichen Umfeld der Universität Freiburg zusammen mit dem Olympiastützpunkt Freiburg-Schwarzwald gegründet. Im Radlabor wurden die wissenschaftlichen Grundlagen gelegt, um die Themen Leistungsdiagnostik, Pedalkräfte und Sitzposition auf dem Fahrrad im Detail zu untersuchen. Mittlerweile werden die dort entwickelten Systeme unter dem Namen „Smartfit“ bei Radhändlern weltweit als Bike-Fitting-Tools genutzt. Heute liegt der Anspruch des Radlabors darin, jeden Menschen, egal auf welchem Rad, individuell zu beraten. Die Trainingspläne stammen von der Sportwissenschaftlerin Uli Plaumann, die den Radlabor-Standort in München leitet. Die weiteren Standorte sind in Frankfurt und Freiburg.