Regeneration, Kompression
Regeneration durch Kompression: Prinzip und Studienlage

Regeneration

Regeneration durch Kompression: Prinzip und Studienlage

Das harte Training ist nur die eine Seite der Leistungsfähigkeit – die Erholung die andere. Auch diese kann man fördern und effizienter gestalten. Wissenschaftliche Einblicke in eine noch immer von vielen Athleten unterschätzte Leistungskomponente: Kompression & Co.
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In den letzten Jahren hat sich in der Trainingsgestaltung dank neuer Forschungsergebnisse und für den Massenmarkt tauglicher Leistungsmesser sehr viel getan. Auch mit relativ geringem zeitlichen Aufwand kann mittels effektiveren, weil oftmals deutlich intensiveren Einheiten ein starker Trainingsreiz erzielt werden. Dies gilt sowohl für Profisportler als auch für Hobby- und Amateursportler, die ihr Training in den Arbeits- und Familienalltag integrieren müssen. In dieser Kombination von hartem Training und stressigem Alltag ist die Regeneration diejenige Leistungskomponente, die häufig zu kurz kommt. Neben der Ernährung und genügend Schlaf gibt es viele Möglichkeiten, um die Regeneration positiv zu beeinflussen. Eine sich immer weiter verbreitende Maßnahme ist Kompression durch das Tragen von Kompressionsbekleidung. Doch was bewirkt Kompression überhaupt? Was sagt die Forschung? Welche alternativen Methoden gibt es? Ein Überblick.

Kompression

Das Wirkprinzip der Kompression stammt aus der Medizin: Durch äußeren Druck auf die Beinvenen soll eine bessere Blutzirkulation bewirkt werden. In der medizinischen Therapie wird die Kompression angewendet, um Schwellungen bei Verletzungen zu minimieren, den Abtransport von Schadstoffen in entzündetem Gewebe zu bewirken oder um das Thromboserisiko zu verringern.

Bei der Kompressionsbekleidung für Sportler soll der enganliegende Stoff für eine Kompression von außen sorgen, die zu einem geringeren Gefäßdurchmesser der Venen führt. Dadurch, so die Annahme, wird der Rückfluss von sauerstoffarmem Blut aus den peripheren Körperregionen zum Herzen hin angeregt. Es kommt zu einem verbesserten Abtransport von Schadstoffen. Wenn dieser Rücktransport schneller stattfindet, werden die Muskeln auch rascher mit sauerstoff- und nährstoffreichem Blut versorgt.

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Dieser Artikel erscheint in RennRad-Ausgabe 1-2/2020

Stützfunktion für die Muskulatur

Neben der verbesserten Blutzirkulation soll Kompressionsbekleidung eine Stützfunktion für die Muskulatur erfüllen. Diese Stützfunktion soll Muskelvibrationen vermindern, Aufprallbelastungen abschwächen und das Fasziengewebe entlasten. Es wird angenommen, dass nicht nur die Regeneration, sondern auch die Leistung im Wettkampf und im Training durch das Tragen von Kompressionsbekleidung verbessert werden kann.

Gerade im Laufsport, aber auch bei Radsportlern soll die Kompression beim Training eine geringere Laktatproduktion und eine bessere Sauerstoffversorgung des Muskels bewirken.

Geringere Verletzungsanfälligkeit durch Kompression

Auch die Verletzungsanfälligkeit und die Entstehung von Muskelkater soll durch diesen Stützeffekt verringert werden können.Zudem wird der eng anliegende Stoff mit einer besseren Eigenwahrnehmung der Muskel- und Gelenkkoordination in Verbindung gebracht. Denn durch die Kompressionsbekleidung sollen Rezeptoren auf der Haut mobilisiert werden, die als zusätzliche Informationsgeber zur Gelenkstabilisation dienen.

Eine bessere Eigenwahrnehmung führt zu effizienteren und ergonomischeren Bewegungen, wodurch wiederum das Verletzungsrisiko verringert und Überlastungen vermieden werden können.

Regeneration, Kompression

Eine effiziente Regeneration kann die Leistungsfähigkeit eines ambitionierten Sportlers noch einmal deutlich steigern.

Die Studienlage zur Kompression

Da die Leistungsfähigkeit, genau wie die Regeneration, von vielen Einzelfaktoren abhängt, ist es schwierig, den Effekt der Kompression auf diese beiden Variablen wissenschaftlich nachzuweisen. Aus diesem Grund wird der Nutzen der Kompressionsbekleidung in der Wissenschaft mitunter sehr kontrovers diskutiert, auch weil unterschiedliche Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen kamen.

Born, Sperlich und Holmberg fassten in ihrer großen Übersichtsarbeit „Bringing light into the dark: effects of compression clothing on performance and recovery“ die bisherigen Erkenntnisse in Bezug auf den Nutzen der Kompressionsbekleidung zusammen: Von den bis dahin 423 Studien zu dem Thema wurden letzten Endes 31 in die Untersuchung aufgenommen, die alle Einschlusskriterien erfüllten.

Nach der Analyse der Studien kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass positive Effekte der Kompressionsbekleidung bei einer hochintensiven Ausdauerbelastung, bei Sprint- und Sprungbelastungen, ebenso wie bei der Erholungsfähigkeit bei Kraft- und Schnellkrafttrainings zu erwarten sind. Im speziellen verringerte sich die Blutlaktatkonzentration nach hochintensiven Belastungen und die Muskelschwellung und auch das Schmerzempfinden der Probanden fielen geringer aus. Eine Änderung der Herzfrequenz, des Schlagvolumens oder der Blutlaktatkonzentration während der Belastung war dagegen nicht zu beobachten. Auch die maximale Sauerstoffaufnahme und das subjektive Belastungsempfinden blieben unverändert.

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Wirkmechanismen für Leistungssportler im Radsport

Um die Wirkmechanismen für Leistungssportler im Radsport spezifischer zu erforschen, führte Meyer 2016 in seiner Doktorarbeit drei Untersuchungen bei Amateur- und Profisportlern durch. Dabei sollten die Versuche besonders praxisnahe Situationen beinhalten.

Zunächst wurden bei den 43 Probanden – 22 Frauen und 21 Männer – der Einfluss von Sportkompressionsstrümpfen auf die Leistung der Muskelpumpe während der Bewegung gemessen. Die Muskelpumpe sorgt aktiv für den Rücktransport des Blutes zum Herzen. In einem weiteren Versuch wurde das Beinvolumen der Versuchspersonen während einer mehrstündigen Sitzphase je mit und ohne Kompressionsstrümpfe gemessen und im Anschluss ein Rad-Ergometertest bis zur Ausbelastung durchgeführt.

Zuletzt mussten die Teilnehmer ein Intervalltraining mit Oberschenkel- und Unterschenkelkompression durchführen. Die Leistung der Muskelpumpe wurde durch die Kompressionsstrümpfe von 1,15/100 auf 1,56/100 Milliliter gesteigert. Während der Sitzphase wurde eine Verminderung des Beinvolumens von 2,7 Prozent bei Kompressionsstrümpfen und 2,3 Prozent bei Kompressionshosen erreicht, wohingegen das Beinvolumen ohne Kompressionsbekleidung um durchschnittlich ein Prozent anstieg. Gleichzeitig fühlten sich die Probanden ohne Kompressionsbekleidung weniger deutlich erholt und weniger fit.

Im anschließenden Stufentest leisteten die Versuchspersonen durchschnittlich eine maximale Stufenleistung von 5,7 Watt pro Kilogramm Körpergewicht mit Kompressionsstrümpfen – im Vergleich zu 5,6 ohne Kompressionsstrümpfe. Die maximale Sauerstoffaufnahme blieb unbeeinflusst.

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Wahrgenommene körperliche Verfassung mit und ohne Kompression

Bei der hochintensiven Intervallbelastung konnte eine signifikante Steigerung der maximalen Leistungswerte von knapp 30 Watt erzielt werden: 856,10 Watt ohne Kompression und 885,92 Watt mit Kompression. Auch die wahrgenommene körperliche Verfassung war besser mit der Kompressionsbekleidung. Die Laktatbildungsrate blieb davon unbeeinflusst.

In dieser Arbeit ließen sich demnach nicht nur ein besserer Blutfluss, sondern auch eine verbesserte Regeneration und eine höhere Leistungsfähigkeit feststellen. Andere Studien zeigen jedoch, dass insbesondere im Radsport der zu erwartende Leistungszuwachs eher gering ausfällt. Dass die Regeneration durch Kompressionsstrümpfe und -hosen signifikant verbessert werden kann, scheint sich jedoch nach aktuellem Forschungsstand zu bestätigen.

Im Alltag

Wer durch das Tragen von Kompressionskleidung eine erhebliche Leistungssteigerung erwartet, wird wohl enttäuscht werden. Kleine Effekte, eine schnellere Regeneration und ein subjektives besseres Erholungsgefühl könnten jedoch zu erwarten sein. Zahlreiche Parameter, wie ein geringeres Schmerzempfinden, die Verringerung von entzündlichen Prozessen und Schwellungen, ein besserer Laktatabbau und dadurch auch eine höhere Leistungsfähigkeit am Folgetag konnten in einigen Studien belegt werden.

Im Alltag bedeutet dies, dass es Sinn ergeben könnte, die Kompressionsbekleidung bei längeren Autofahrten, etwa zu Wettkämpfen, zu tragen. Auch im Berufsalltag, wenn man eine stehende oder sitzende Tätigkeit ausführt, könnten Kompressionshosen die Regeneration fördern.

Darüber hinaus kann das persönliche Fitnessempfinden gesteigert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Kompressionsbekleidung so enganliegend wie möglich sein sollte, ohne jedoch einzuschneiden. Vorsicht ist auch bei hohen Temperaturen und intensiven Anstrengungen geboten. Denn unter diesen Bedingungen besteht die Gefahr, dass die Körpertemperatur stark ansteigt, was sich wiederum leistungsmindernd auswirken kann.

Regeneration, Studienlage

Die Studienlage und Erkenntnisse zu effizienter Regeneration

Alternative Maßnahmen

Das Wirkprinzip, den Blutfluss zu verbessern, kommt in zwei weiteren Regenerationsmaßnahmen zum Einsatz: zum einen bei den Recovery Boots zum anderen beim Flossing.

Studie zum Effekt von Recovery Boots

Die sogenannten Recovery Boots erzeugen durch Druckluftkammern eine Massage der Beine. Je nach der gewählten Einstellung werden dabei entweder eher die oberflächlichen Strukturen behandelt oder tiefere Gewebeschichten erreicht. Durch die Anwendung der Recovery Boots sollen ähnliche Effekte wie bei der Kompression eintreten, zusätzlich wird durch den Druck, der am Bein von unten nach oben „gleitet“, die Muskelpumpe aktiv unterstützt.

Studien belegen einen niedrigeren Blutlaktatwert nach der Belastung und somit letztendlich eine schnellere muskuläre Erholung. Ebenso wies eine Studie darauf hin, dass Recovery Boots die Schmerztoleranz erhöhen können. Die Athleten hatten nach einer Trainingseinheit und der anschließenden Behandlung ein geringeres Schmerzempfinden.

Aber: Im Vergleich zu herkömmlicher Kompressionsbekleidung liegen die Recovery Boots im Anschaffungspreis deutlich höher. Zudem können sie nicht im Alltag getragen werden, sondern sind als „Maßnahme“ zu benutzen, sprich: Man muss Zeit aufbringen können, in der die Behandlung durchgeführt werden kann. Allerdings regt die aktive Pumpwirkung noch effektiver den Blutfluss an als Kompressionsstrümpfe. Die Recovery Boots können somit als Alternative zu einer Massage gesehen werden.

Flossing

Beim sogenannten Flossing werden mittels elastischer Bänder Muskelgruppen oder Gelenke straff umwickelt und die Struktur für kurze Zeit stark komprimiert. Durch die starke Kompression wird der Blutfluss nahezu unterbrochen. Für bis zu zwei Minuten werden dann passiv oder aktiv Bewegungen durchgeführt, danach wird das Band schnellstmöglich abgewickelt, wodurch der sogenannte Schwammeffekt entsteht: Durch den Druck wird das Gewebe ausgedrückt – wird das Band gelöst, durchspült die einfließende Flüssigkeit das Gewebe und es kommt zu einer besseren Versorgung der Muskulatur und zu einem schnelleren Abtransport der „Abfallstoffe“.

Dadurch soll wiederum, genau wie bei der Kompressionsbekleidung, die Regeneration verbessert werden. Doch das Flossing findet auch in der Physiotherapie Anwendung: Dort soll die Behandlung mit den Bändern zu Schmerzlinderungen durch Signalüberlagerungen und zu einer besseren Beweglichkeit durch das Lösen von Verklebungen der Faszien führen.

Kaum Studien zur Flossing-Therapie

Da die Flossing-Therapie erst vor wenigen Jahren entwickelt wurde, sind bisher kaum Studien zur regenerativen Wirkung vorhanden. Im Vergleich zur Kompressionskleidung ist die Anwendung auf wenige Minuten beschränkt, eine dauerhafte Verringerung des Beinvolumens bei längerem Sitzen ist durch die einmalige Behandlung mit Flossingbändern nicht zu erwarten.

Das Flossing wie auch die Recovery Boots wirken zwar ähnlich wie Kompressionsbekleidung, jedoch müssen beide Anwendungen als Maßnahme betrachtet werden und können nicht wie die Kompressionsbekleidung als dauerhafte Methode im Alltag oder bei langen Autofahrten verwendet werden.

Wirkliche Alternativen zur Kompressionsbekleidung stellen diese Anwendungen deshalb nur eingeschränkt dar. Vielmehr sollten sie als Ergänzung zu einer optimalen Regeneration gesehen werden. Alle Maßnahmen können bei richtigem Einsatz als relativ risikoarm betrachtet werden, speziell das Flossing sollte aber nur nach der Anleitung eines erfahrenen Therapeuten angewendet werden.


Nachgewiesene Effekte der Kompression

  • Schnellerer Abbau der Laktatkonzentration nach Belastungen
  • Verringertes Muskelschmerzempfinden
  • Verminderung von Entzündungsprozessen
  • Verringertes Beinvolumen
  • Verhindern von Muskelschwellungen
  • Gesteigerte Leistung der Muskelpumpe: Blutfluss zum Herzen
  • Höhere Leistungsfähigkeit am Folgetag nach Belastungen
  • Bessere wahrgenommene körperliche Verfassung nach langem Sitzen und am Folgetag nach Belastung

Bisher wurde kein Einfluss nachgewiesen auf

  • Herzfrequenz, Schlagvolumen bei Belastung
  • Maximale Sauerstoffaufnahme
  • Laktatbildung bei Belastung
  • Unmittelbare Leistungsfähigkeit
  • Unmittelbares Belastungsempfinden

Tipps: Regeneration & Leistung

  • Proteine: Recovery-Drinks enthalten Kohlenhydrate und Proteine, oft im Verhältnis 4:1 oder 3:1. In diesem Verhältnis sind die Nährstoffe laut mehrerer Studien am besten verwertbar.
  • Kohlenhydrate: Nach harten Belastungen gilt es schnell zu sein: Denn innerhalb der ersten Stunde nach dem Training werden die Glykogenspeicher im Muskel am schnellsten wieder gefüllt. Auch die Menge spielt eine wichtige Rolle: Als grober Richtwert gelten sieben bis elf Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht und Tag.
  • Massagen: Die positiven Effekte von Massagen sind nicht ganz unumstritten. Doch quasi alle Radprofis dieser Welt und etliche Studienergebnisse sprechen für sie. Und dann ist da noch der mentale Vorteil: Massagen können dazu beitragen, das Stresshormon Cortisol schneller abzubauen.
  • Ausfahren: Das lockere Pedalieren nach der Belastung erhöht die Durchblutung und kann somit den Laktatabbau beschleunigen.
  • Schlaf: Dabei werden vermehrt Wachstumshormone ausgeschüttet, die die Regeneration positiv beeinflussen können. In einer Studie der Universität Stanford wurde an Athleten eine positive Korrelation von Schlafdauer und sportlicher Leistung gefunden.
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