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Sixdays Bremen: Bahnradsport-Event im Fokus – Theo Reinhardt im Interview

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Sixdays Bremen: Bahnradsport-Event im Fokus – Theo Reinhardt im Interview

Die Sixdays Bremen finden vom 9. bis zum 14. Januar 2020 in der ÖVB-Arena in Bremen statt. Einer der Topathleten: Theo Reinhardt. Einer stärksten Bahnfahrer der Welt im Interview.
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54 km/h sind extrem schnell – für normale Radsportler. Auf der Bahn hingegen ist dies oftmals nicht mehr als die Durchschnittsgeschwindigkeit eines normalen Rennens. Der Bahnradsport ist extrem: kurz, hochintensiv, spektakulär. Es gibt Taktiken, aber kaum Ruhephasen, schnelle Führungswechsel, Attacken bei Höchstgeschwindigkeit und Sprints. Oftmals entscheidet schon ein kleiner Fehler über Sieg oder Niederlage. Die Sixdays Bremen finden vom 9. bis zum 14. Januar 2020 in der ÖVB-Arena in Bremen statt.

Was sind Sechstagerennen?

Das Wettkampfformat Sechstagerennen steht für Bahnradsport-Events, bei denen der sportliche Wettkampf durch ein Rahmenprogramm ergänzt wird. Sechs Tage lang kämpfen Zweier-Teams in Wettbewerben in verschiedenen Bahnrad-Disziplinen um Wertungspunkte und damit um den Gesamtsieg.

Die Disziplin Madison, also das Zweier-Mannschaftszeitfahren, ging aus den Sechstagerennen hervor. Nachdem die traditionsreichen Sechstagerennen an vielen Standorten jahrelang an Attraktivität verloren hatten und eingestellt wurden, ist seit einigen Jahren international ein Aufschwung zu beobachten. In Deutschland werden heute nur noch in Bremen und in Berlin Sechstagerennen veranstaltet.

Sixdays Bremen: Informationen zum Sechstagerennen in der Hansestadt

Sechs Tage Spitzensport und Unterhaltung – seit 1965 fahren alljährlich im Januar internationale Radsportprofis in der ÖVB-Arena auf dem 166 Meter langen Rennoval um den Sieg. Abseits der Strecke sorgen aktuelle Liveacts und DJs für Stimmung. Im Juni 2011 wurde die Radsportveranstaltung von der Event und Sport Nord GmbH übernommen, die seither unter der sportlichen Leitung des Ex-Radprofis Erik Weispfennig den Sport weiter in den Fokus rückt.

Während der Sixdays Bremen treten Profifahrer, Sprinter, Frauen, U23- und U19-Nachwuchsfahrer, Sportler mit Behinderung sowie die sogenannten Jedermänner in ihren jeweiligen Disziplinen gegeneinander an. Ein weiterer deutscher Topathlet, der 2020 starten wird: der Sprinter Robert Förstemann. 2019 stellte er mit einer Zeit von 8,695 Sekunden einen Rundenrekord auf. Am nächsten Abend stürzte er bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h nach einem Defekt am Vorderrad.

Alle Informationen zu den Sixdays Bremen finden Sie hier.

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Theo Reinhardt im Interview

Einer der Topathleten bei den Sixdays Bremen: Theo Reinhardt. Der 29-jährige Berliner gehört zu den stärksten Bahnfahrern der Welt. 2018 gewann er die Sixdays, 2019 fuhr er auf Rang zwei.

Theo, was unterscheidet den Bahn- vom Straßenradsport?

Theo Reinhardt: Es wird immer intensiv gefahren, immer am Anschlag. Auf der Bahn gibt es keine Auszeiten. Kein Rollen im Peloton bei niedrigerer Intensität. Kein kontrolliertes, taktisches, ruhigeres Fahren, das man bei Straßenrennen ja zwischendrin durchaus hat. Man kann kaum Energie sparen, sondern muss jede Attacke kontern. Wenn man überrundet wird, holt man das nicht so leicht wieder auf. Aber trotzdem ist es dennoch sehr taktisch: Gerade deshalb, weil ständig hochintensive Leistungen gefragt sind, muss man so viel Energie sparen wie möglich. Aber verstecken kann man sich kaum. Bei den Straßenrennen haben vor allem Kriterien die größte Ähnlichkeit mit Bahnrennen. Denn auch da werden kürzere Runden mit vielen Kurven gefahren, nach denen immer wieder intensive Antritte, also kurzzeitige Belastungen nötig sind.

Bahnrad-Spezialisten auf der Straße

Haben die ausgewiesenen Bahnrad-Spezialisten in Straßenrennen eine Chance? Und wie sieht es andersherum aus?

Es gibt zwar prominente Beispiele wie Bradley Wiggins oder Geraint Thomas, die sowohl auf der Bahn an der Weltspitze waren als auch die Tour de France gewinnen konnten. Oder aktuell der junge Italiener Filippo Ganna. Das liegt aber meiner Ansicht nach weniger an der Bahn-Erfahrung, sondern eher an den Fahrern selbst, ihrem Training und vor allem ihrem Ausnahmetalent. Denn inzwischen ist der Bahnradsport sehr stark spezialisiert. Das sieht man auch daran, dass immer schnellere Zeiten gefahren werden.

Die Verbände und die Trainer haben längst erkannt, welche spezifischen Eigenschaften im Bahnradsport zum Erfolg führen. Dementsprechend setzt man die Trainingsschwerpunkte. Dafür vernachlässigt man auch Eigenschaften, die im Straßenradsport hilfreich sind. Ich beobachte, dass es immer weniger erfolgreiche Straßenfahrer gibt, die von der Bahn kommen. Ich selbst war früher ein besserer Straßenfahrer, als ich es heute bin. Bei den Sixdays dauert das längste Rennen, die Finaljagd, eine Stunde. Die anderen Rennen dauern meist nur 30 bis 45 Minuten. Auf der Straße gehen viele Rennen über mehrere Stunden. 100 Kilometer können es an einem Abend auf der Bahn aber trotzdem werden. Nur eben bei Durchschnittsgeschwindigkeiten von bis zu 54 km/h.

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Wie wirkt sich das auf das Training aus? Und welches sind die größten Unterschiede zwischen Bahn- und Straßen-Rennfahrern?

Entscheidend ist zum einen die Gewichtsfrage. Auf der Straße geht es schon sehr stark um das Verhältnis zwischen der Leistung und dem Körpergewicht – Watt pro Kilogramm, das zählt. Auf der Bahn ist das deutlich weniger entscheidend, denn es gibt keine Anstiege oder Berge. Bei uns zählt mehr die absolute Power. Da hilft auch etwas Masse, denn selbst bei den längeren Ausdauer-Rennen kommt man da in Leistungsbereiche, die ich als sprintähnliche Belastungen bezeichnen würde. In der Trainingsphase gibt es deshalb auch echte „Massephasen“, in denen man Muskulatur aufbaut.

Man kann sagen: Auf der Straße ist eine besonders hohe Schwellenleistung gefragt, während man auf der Bahn von einer möglichst hohen 30-Sekunden-Maximalleistung profitiert. Das heißt für mich, dass ich dreimal pro Woche in den Kraftraum gehe. Natürlich trainiere ich auch viel auf der Straße, aber meine Ausdauerfahrten gehen nicht über fünf oder sechs Stunden, sondern eher über drei bis vier Stunden. Und viel öfter trainiere ich kurz und intensiv. Im Fokus stehen die weißen „fast twitch“, die schnell zuckenden Muskelfasern, die für kurzzeitige hohe Leistungen entscheidend sind. Bei den Umfängen gilt für mich: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Das Besondere an den Sixdays Bremen

Welche Bedeutung haben Sechstagerennen für Bahnfahrer? Und was ist so speziell an den Sixdays Bremen?

Die Sixdays Bremen sind für mich das, was für Straßenfahrer die großen Rundfahrten wie die Tour de France sind: mehrere intensive Wettkämpfe nacheinander, sechs Tage lang auf sehr hohem Niveau Rennen fahren. Bei den Sechstagerennen muss man über Tage hinweg immer wieder ans Limit gehen. Für mich sind die Sixdays Bremen in diesem Jahr entscheidend für meinen Formaufbau für die Weltmeisterschaften im Februar in Berlin. Die Bahn in Bremen liegt mir gut, sie ist mit 166 Metern extrem kurz. Das heißt: Es gibt mehr Führungswechsel, es wird schneller gefahren, der Kurvenradius ist enger und es gibt mehr Action. Auch für die Zuschauer ist es in
Bremen deshalb besonders interessant und spektakulär.

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Wer ist Theo Reinhardt?

Bereits 2018 gewann Theo Reinhardt die Sixdays Bremen. In den beiden Vorjahren wurde er Weltmeister im Zweier-Mannschaftfahren, gemeinsam mit Roger Kluge. 2020 will er bei den Weltmeisterschaften im Februar in Berlin seinen Titel verteidigen. Das große Ziel sind die Olympischen Spiele im Sommer in Tokio. Der 29-Jährige fährt als Profi für die Bahn-Nationalmannschaft. Eine Beispiel-Einheit aus seinem Team-Training am Stützpunkt in Frankfurt an der Oder. Ein wettkampfnahes Training auf der Bahn: ein Kilometer absolute Ausbelastung im Team, aus dem Stand oder fliegend – oder 500 Meter allein.

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